Seewölfe - Piraten der Weltmeere 302. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 302 - Roy Palmer


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will nur Klarheit. Jean, was ist mit dir?“

      „Ich gehe von Bord, das habe ich ja auch schon angedeutet.“

      „Ja. Hesekiel?“

      „Ribault und ich haben darüber gesprochen“, entgegnete Ramsgate. „Wir werden zusammenbleiben, weil wir noch eine ganze Menge miteinander zu bereden haben. Besonders wegen der Schiffe, die Ribault bei mir in Auftrag geben will.“

      Hasard nickte. Er kannte die Pläne, die Ribault und vor allem auch Siri-Tong mit der Schlangen-Insel hatten, und sie fanden seine volle Billigung.

      „Gut, dann sind wir uns also einig“, meinte der Seewolf. „Jeder hat seine eigenen Vorstellungen, und was die Pläne für die Schlangen-Insel betrifft, bin ich einverstanden. Es gibt keine Einwände, wir trennen uns in vollem Einvernehmen. Darum ging es mir hauptsächlich.“

      Sie erhoben sich und schüttelten sich stumm die Hände. Monate, so wußten sie, konnten vergehen, bis sie sich wiedersahen, möglicherweise auch Jahre. Ihre Augen drückten den Wunsch aus, daß sie alle unversehrt aus den Abenteuern zurückkehren mochten, die jetzt jeder von ihnen auf sich nahm. Doch sie sprachen das nicht offen aus. Sie wußten auch so, daß der Segen des einen die Reisen des anderen begleiten würde. Immer wieder würden sie sich der gemeinsam durchfochtenen Kämpfe entsinnen, und die Erinnerung an die Erlebnisse auf den Meeren gab ihnen neue Kraft für die Zukunft.

      Am Nachmittag dieses Tages rollte auf dem Kai eine Kutsche vor, die von vier Pferden gezogen wurde. Die Männer der Crew, die auf dem Hauptdeck der „Isabella IX.“ ihren Dienst versahen und Wache schoben, wollten Ben Brigthon, Hasards Erstem Offizier und Bootsmann, einen entsprechenden Hinweis geben, doch Ben war bereits auf das Gefährt aufmerksam geworden und enterte vom Quarterdeck aus das Achterdeck, um die Kutsche genauer in Augenschein nehmen zu können.

      Der Kutscher zerrte an den Zügeln, der Vierspänner stoppte. Drei Männer stiegen aus, von denen zwei wie auf eine vorher getroffene Vereinbarung hin am Schlag verharrten. Der dritte Mann – hochgewachsen, hager und distinguiert – schritt auf die „Isabella“ zu und grüßte, indem er seinen schmalkrempigen, hohen Filzhut abnahm und ein Stück hochhob.

      „Lord Gerald!“ rief Ben und lachte. „Warten Sie, ich sage sofort Hasard Bescheid!“

      „Tun Sie das, Mister Brighton“, erwiderte Gerald Cliveden, Lordschaft von Elizabeths I. Gnaden und Sonderbeauftragter Ihrer Majestät. „Darf ich inzwischen schon an Bord kommen?“

      „Selbstverständlich dürfen Sie das!“ Ben sah zu Carberry, der von der Kuhl zu ihm aufblickte, und der Profos scheuchte sofort Jack Finnegan und Paddy Rogers los, die Cliveden an der Gangway in Empfang nehmen sollten.

      Der elegante Herr in dem kurzen schwarzen Cape, den dunklen Hosen und den Schnallenschuhen begab sich also an Bord des neuen Schiffes und schüttelte den Männern, die er inzwischen bestens kannte, die Hände.

      Dann sah er sich nach allen Seiten um, nickte anerkennend und sagte: „Wirklich, ein feines Schiff ist das, das muß man Mister Ramsgate lassen.“

      Hesekiel Ramsgate hatte es vernommen, denn er war inzwischen mit Hasard, Jean Ribault und Thorfin Njal auf dem Quarterdeck erschienen.

      Mister Ramsgates Augen blitzten.

      „Das will ich meinen“, erwiderte er nicht ohne Stolz, „das derzeit Beste, was meine Werft zu bieten hat. Gerade recht für Mister Killigrew!“

      „Willkommen an Bord, Lord Gerald“, sagte der Seewolf und schritt auf Cliveden zu, der sich anschickte, das Quarterdeck zu entern. „Darf ich Sie in meine Kammer bitten? Es freut mich aufrichtig, Sie wiederzusehen.“

      „Und selbstverständlich fragen Sie sich, was mich zu Ihnen führt“, sagte Cliveden lächelnd und drückte ihm die Hand. Er begrüßte auch den Wikinger und alle anderen, die sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Achterdeck aufhielten.

      „Ich sehe es Ihnen an, daß Sie etwas auf dem Herzen haben“, meinte Hasard. „Wollen wir es in aller Ruhe besprechen?“

      „Ja.“ Noch einmal ließ Cliveden seinen Blick über die Decks, die Masten und die Takelung der „Isabella“ wandern. „Hat Ihr Schiff die Jungfernfahrt gut überstanden? Hat es sich bewährt?“

      „Allerdings“, sagte Hasard.

      „Ich hätte auch niemals gewagt, das Gegenteil anzunehmen. Vortrefflich, wirklich, ganz vortrefflich.“

      Sie betraten mit Ben, Shane, Ferris, Old O’Flynn, dem Wikinger, Ribault und Ramsgate zusammen die Kapitänskammer, und Hasard berichtete von der ersten Fahrt der „Isabella IX“. Dann rückte Cliveden ohne große Umschweife mit seinem Anliegen heraus.

      Er zog aus der Innentasche seines Capes ein dickes Kuvert hervor. Es war mit dem Siegel der Königin versehen, wie die Männer sogleich erkannten.

      „Ich habe die offizielle Aufgabe, Sie zu fragen, ob Sie einen neuen Auftrag übernehmen würden, Mister Killigrew“, sagte der Lord. „Ihre Majestät bittet Sie darum.“

      „Das ehrt mich. Aber um welche Art von Auftrag handelt es sich?“

      „Darüber kann ich leider keine nähere Auskunft geben.“

      „Wie bitte?“ Hasard war nun doch reichlich verwundert. „Wie soll ich denn dann überhaupt beurteilen, ob ich ihn ausführen kann oder nicht?“

      Cliveden lächelte wieder. „Sie können es, Mister Killigrew, davon bin ich fest überzeugt. Sie sind gleichsam prädestiniert, dieses Unternehmen durchzuführen. Ihr Frankreich-Auftrag ist ein voller Erfolg geworden, trotz aller Widrigkeiten, mit denen Sie zu kämpfen hatten. Sie glauben ja gar nicht, wie sehr Ihr Ansehen bei Hof gestiegen ist.“

      Ja, das Unternehmen in der Bretagne – der Seewolf hatte Yves Grammont und den spanischen Spionen das Handwerk gelegt, und er hatte gleichzeitig auch Easton Terry, der ihm als Verbündeter zur Seite hatte stehen sollen, als einen gefährlichen Verräter entlarvt. Gerade diese Erfahrung war ihm eine Lehre gewesen, und aus diesem Grunde verspürte er jetzt auch eine gehörige Portion Skepsis.

      Andererseits konnte er diesen neuen Auftrag – den er nicht einmal in seinen Ansätzen kannte – schlecht abschlagen, weil zum einen die Königin dahinter-stand und zum anderen Lord Cliveden ihm gegen den Schnösel Marquess Henry geholfen hatte, der die „Isabella“ hatte requirieren wollen, jetzt aber aufgrund seiner Eigenmächtigkeit von seinem Vater abberufen worden war und künftig auf seinem Landsitz friedlich Hühner züchten würde.

      „Ich weiß, Sie denken an die Sache mit Easton Terry“, sagte der Lord nun von sich aus. „Aber Sie werden dieses Mal keinen Mitstreiter zur Seite haben, auf den Sie sich nicht verlassen können, Mister Killigrew. Sie werden allein sein. Doch gerade die Affäre Terry ist der Grund dafür, warum die Königin diesmal eine versiegelte Geheimorder ausgestellt hat. Keiner soll vor dem richtigen Zeitpunkt davon erfahren, wie der Auftrag lautet, nicht einmal Sie selbst.“

      „Und wann tritt der richtige Auftrag ein?“ fragte Hasard. „Wenn ich nicht einmal den Kurs kenne, wohin soll ich mich dann wenden?“

      „Nach Skagen sollen Sie segeln, erst dort dürfen Sie das Siegel aufbrechen und die Order lesen“, erwiderte Cliveden.

      Die Seewölfe sahen sich verdattert an. Nur Thorfin Njal begann zu lachen.

      „Skagen?“ wiederholte er. „Bei Odin, also doch eine Fahrt hoch in den Norden hinauf, Hasard, nicht in die Neue Welt. Ich habe das Gefühl, wir begegnen uns doch bald wieder.“

      „Halt mal die Luft an, du behelmter Nordpolbär“, sagte Shane. „Noch ist gar nicht sicher, ob wir diesen Auftrag auch wirklich übernehmen.“

      „Mann, was haben wir bloß verbrochen?“ brummelte der alte O’Flynn. „Nach Eis und Schnee steht mir nicht der Sinn. Außerdem geht da oben bestimmt was schief, ich spür’s in meinem Beinstumpf. Wir saufen mit der ‚Isabella‘ ab, und dann …“

      „Und dann hängen wir dich als Treibanker außenbords“, fiel Ben


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