Seewölfe - Piraten der Weltmeere 302. Roy Palmer
an Hasard wenden, doch dieser kam ihm zuvor und fragte: „Was steckt hinter dieser Geschichte, Lord Gerald? Sie wissen doch bestimmt etwas mehr, als Sie zugeben wollen.“
Der Lord hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Tut mir leid, aber es ist mir nicht mehr darüber bekannt als das, was ich Ihnen bereits mitgeteilt habe. Sie wissen, daß Sie meinem Wort vertrauen können, Mister Killigrew. Ich würde mir nie einfallen lassen, auch nur etwas von dem, was ich wissen könnte, Ihnen gegenüber zu verheimlichen.“
„Verzeihen Sie, Sir, ich wollte Sie nicht beleidigen.“
„Natürlich können Sie auch ablehnen“, sagte Cliveden. „Niemand würde Ihnen das verübeln. Aber, wie gesagt, bei Hofe wäre man hocherfreut, wenn Sie auch dieses Mal wieder die hohe Verantwortung akzeptieren würden, mit der man Sie betraut. Lassen Sie mich nur noch das eine erwähnen: Man würde es Ihnen sehr hoch anrechnen, wenn Sie einschlagen.“
Hasard überlegte scharf. Clivedens Anliegen zog ihm einen Strich durch die Rechnung, denn er hatte so schnell wie möglich in die Neue Welt hinübersegeln wollen. Aber er konnte und wollte den Lord nicht zurückweisen, das wäre schäbig und unehrenhaft gewesen.
„Welchen Kurs soll ich nehmen, um nach Skagen zu gelangen?“ fragte er.
„Durch den Kanal, an der Nordseeküste entlang, dann nach Helgoland hinüber, schließlich Richtung Jütland und nach Skagen hinauf. Dort können Sie dann die königliche Order öffnen. Ich glaube, sie enthält einen hochinteressanten Auftrag, denn die Königin würde Sie nicht auf diese Reise schicken, wenn es keine wichtigen Hintergründe dafür gäbe.“
„Irgendwelche Aufwiegler?“ fragte Ben Brighton. „Droht England etwa auch von Osten her Gefahr?“
„Ich weiß es nicht“, versetzte der Lord und stieß einen Seufzer aus. „Auch mir wäre wohler zumute, wenn ich wenigstens einen Anhaltspunkt erhalten hätte. Doch selbst mir gegenüber hat Ihre Majestät strengste Geheimhaltung gewahrt.“
„Vielleicht geht es darum, einen Schatz zu heben“, sagte Ferris Tukker.
„Oder aber wir sollen uns die Köpfe einschlagen lassen“, brummte der alte O’Flynn. Er sprach jedoch nicht weiter, denn Ben und Shane warfen ihm vernichtende Blicke zu.
Hasard wandte sich zu seinen Männern um. „Also los. Wer etwas zu sagen hat, soll es jetzt vorbringen. Ben, geh bitte an Deck und versammle die Männer. Ich will, daß beraten und abgestimmt wird, unterrichte sie über alles, was Lord Gerald uns vorgetragen hat.“
„Aye, Sir.“ Ben drehte sich um und verließ den Salon, er eilte auf das Hauptdeck hinaus und begann, mit Carberry, seinem Bruder Roger, Blacky, Batuti, Gary Andrews, Luke Morgan, Finnegan, Rogers und allen anderen zu sprechen.
„Irgendwie reizt mich die Sache jetzt“, sagte Big Old Shane. „Wer weiß, welche Überraschung Skagen für uns bereithält? Es könnte ja auch mal ein Auftrag sein, in dem sich Nützliches mit dem Angenehmen verbinden läßt.“
„Zum Beispiel?“ fragte Ferris.
„Vielleicht sollen wir skandinavische Kneipen auskundschaften“, sagte Shane, und dann lachten sie alle.
Wenig später ließ der Seewolf abstimmen, und die komplette Besatzung der „Isabella“ erklärte sich damit einverstanden, den Auftrag zu übernehmen. Keiner widersetzte sich, keiner enthielt sich der Stimme – Ehrensache, denn allein Lord Gerald Cliveden gegenüber, der alle Sympathien der Crew auf seiner Seite hatte, durfte man sich keine Blöße geben.
So nahm Hasard das versiegelte Kuvert aus der Hand des Lords entgegen und sagte: „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Sir, es erst in Höhe von Skagen zu öffnen. Von jetzt an werde ich die Order sorgsam verwahren, so daß nur ich Zugang dazu habe.“
Cliveden gab ihm die Hand. „Ich vertraue Ihnen und Ihren Männern, Mister Killigrew. Meine besten Wünsche begleiten Sie, und ich hoffe, daß Sie es nicht bereuen werden, der Königin und insbesondere mir diesen Gefallen zu erweisen.“
Er verabschiedete sich und ging von Bord. Hasard betrat das Achterdeck und blickte ihm nach, wie er in seine Kutsche stieg, noch einmal zur „Isabella IX.“ herübergrüßte und dann davonfuhr.
Noch wußte Hasard die Bedeutung dessen, auf das er sich eingelassen hatte, nicht zu ermessen, aber er hoffte inständig, daß die neue Reise im Auftrag der Königin keine Enttäuschung für seine Männer und ihn werden würde.
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