Seewölfe - Piraten der Weltmeere 561. Davis J.Harbord

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Branntwein in eine Muck gluckern, randvoll, versteht sich. Und wenn der Kutscher gebeugt über einer Kiste stand, kippte sich Mac den Inhalt der Muck hinter die Binde. Wenn sich der Kutscher zu ihm umdrehte, war Mac am Zapfen, um mit ihm „gemeinsam“ den Inhalt des neuen Fasses zu probieren. Der Kutscher kostete von dem Zeug – es handelte sich um hochprozentigen Wodka – ein Fingerhütchen voll. Den Rest gurgelte Mac weg.

      Nach der Kostprobe vom vierten Faß urteilte der Kutscher wie beim ersten und bezeichnete den Branntwein als „fürchterliches Zeug“. Nach dem vierten Fingerhütchen blieb er weiterhin stocknüchtern, nur sein Durchblick war geschärfter geworden, aber der bezog sich auf die Proviantvorräte.

      Er sagte: „Katastrophal!“

      „Hä?“ fragte Mac. Er wußte tatsächlich nicht, was der Kutscher meinte. Außerdem stierte er auf seine Latschen und wunderte sich. Es mußten nach seiner Rechnung zwei Latschen sein. Aber er sah vier – zwei linke und zwei rechte.

      Der Kutscher sagte unwirsch: „Mit unserem Proviant und dem Kram hier reichen wir allenfalls noch zwei Tage.“

      Mac stellte die leere Muck auf das vierte Faß und betrachtete sie mißtrauisch. Sie verdoppelte sich ebenfalls.

      „Hasard muß informiert werden“, sagte der Kutscher. „Melde ihm, daß wir noch knapp für zwei Tage Proviant haben. Wir müssen den nächsten Hafen anlaufen, um uns neu zu versorgen.“

      Mac plierte den Kutscher an. Er tat es wie Sir John, die „Krachente“ Carberrys, nämlich ein Auge auf, das andere zu. Auf diese Weise sah er den Kutscher nur in einmaliger Ausführung. Sobald er auch das andere Auge öffnete, hatte der Kutscher einen Doppelgänger.

      Der Kutscher runzelte die Stirn. „Hast du mich verstanden?“

      „Nein.“

      „Mann! Der Proviant reicht nur noch für zwei Tage!“ fauchte der Kutscher. „Das sollst du Hasard melden. Verstanden? Was kneifst du das linke Auge zu?“

      „Die Kerle sollen nicht soviel fressen“, maulte Mac, öffnete das linke Auge, sah den Kutscher doppelt und kniff rasch das rechte Auge zu. „Warum immer ich? Geh du doch zu Hasard.“

      Das Schott krachte auf. Carberry erschien.

      „Na, Leute!“ röhrte er freundlich. „Alles klar hier?“

      „Nichts ist klar“, murrte der Kutscher. „Möchte mal wissen, was die Russen gefuttert haben.“

      „Wieso?“ fragte Carberry.

      „Wieso, wieso!“ ereiferte sich der Kutscher und beschrieb mit dem rechten Arm einen weiten Kreis. „Hier herrscht Ebbe, keine Vorräte, nichts, alles leer bis auf ein paar vergammelte Reste.“

      „Das ist nicht korrekt“, nuschelte Mac Pellew. „Vier Fässer sind voll.“

      „Von dem Zeug wird man aber nicht satt“, sagte der Kutscher wütend.

      „Satt nicht, aber keiner braucht zu verdursten.“ Mac hatte jetzt Schwierigkeiten mit dem Sprechen.

      „Was ist denn in den vier Fässern?“ erkundigte sich Carberry interessiert.

      „Irgend ’n Magenputzer“, sagte der Kutscher verächtlich.

      Carberry horchte auf. „Magenputzer? Meinst du ’n Schnaps?“

      „Ja“, erwiderte der Kutscher unwillig. „Dieses Zeug, das die Russen saufen.“

      Mac Pellew wackelte bereits quer durch den Proviantraum zu einem der vier Fässer, um für den Profos eine Kostprobe in die Muck abzuzapfen. Er steuerte Kollisionskurs. Zwar sah er zwei Deckspfosten und meinte, zwischen ihnen hindurchkurven zu können. Tatsächlich handelte es sich aber um einen Pfosten. Mac sah ihn doppelt – wie alles, seit er vier Mucks voll mit Wodka heruntergegurgelt hatte.

      In seinem Magen spürte er eine angenehme Hitze. Daß ihm das Hirn dösig wurde, bemerkte er nicht – bis auf die Doppelungen im Umkreis, die er sich nicht erklären konnte.

      Er hatte den Kopf etwas vorgeschoben, um die Mitte zwischen den beiden Pfosten genau anzupeilen. Er meinte, gut hindurchzupassen.

      So prallte er mit der Stirn vierkant gegen den Pfosten – Holz auf Holz, wie der Kutscher später mit einer gewissen Schadenfreude sagte.

      Dem Pfosten war der Anprall egal. Der war aus Hartholz, wie sich das für einen tragenden Schiffspfosten gehört. Von so einem Bums blieb der völlig unberührt.

      Mac hingegen empfand einen Huftritt, als habe ein Maultier ausgekeilt. Er stand mit wackligen Puddingknien da, und als die blitzenden Sterne davongestoben waren, umarmte er seufzend den Pfosten und rutschte an ihm in sich zusammen. Er versammelte sich sozusagen auf den Planken.

      Die Muck kollerte dem Profos vor die Stiefel. Er hob sie auf und roch an ihr. Einen besonderen Geruch konnte er nicht feststellen – eine Eigenart des Wodkas. Er schüttelte verblüfft den Kopf, starrte auf den dahingesunkenen Mac hinunter und dann zum Kutscher.

      „Was ist denn mit dem los?“ fragte er.

      Dem Kutscher war längst ein Seifensieder aufgegangen: statt mit ihm sorgsam die Proviantlast zu überprüfen, hatte sich dieser verdammte Bastard heimlich hinter seinem Rücken die Hucke mit dem Schnaps vollgesoffen.

      „Typischer Fall von total bezecht“, sagte er erbittert und klatschte die rechte Faust in die linke Handfläche. „Ich hätte es wissen müssen, verdammt! Während ich mich hier umgeschaut habe, hat er sich diesen Fusel in die Gurgel gegossen – muckweise, versteht sich! Dieser Pfeifenarsch!“ Der Kutscher knurrte wie Plymmie, die Bordhündin, wenn sie was witterte, das Gefahr bedeutete. Das schmale Kutscherlein war mächtig in Braß.

      Und der Profos? Der feixte bis zu den Ohren. Der kannte seinen Mac Pellew. Wenn Mac an Schnaps rankam, dann gab er nicht eher Ruhe, bis der Pegel auf Niedrigwasser stand.

      „Da gibt’s überhaupt nichts zu grinsen!“ fauchte der Kutscher. „Außerdem bin ich dafür, daß dieses Teufelszeug außenbords gekippt wird!“

      Der Profos zuckte zusammen.

      „Bist du verrückt?“ fuhr er den Kutscher an. „Das ist mutwillige Vernichtung wichtiger Nahrungsstoffe!“

      Der Kutscher schnappte nach Luft. Fast verschlug’s ihm die Sprache. Dann legte er seinerseits los: „Vernichtung wichtiger Nahrungsstoffe? Du spinnst wohl? Dieser Sprit ist das reinste Rattengift! Die Wirkung siehst du ja bei diesem Blödmann!“ Er deutete zu Mac. „Dem hat diese Russenpisse die Augen verdreht! Geschielt hat er! Darum ist er gegen den Pfosten geknallt!“

      Der Profos – selbst ein Meister im Erfinden nicht ganz stubenreiner Ausdrücke – zeigte sich plötzlich entrüstet, aber das war natürlich Heuchelei.

      „Ts-ts!“ äußerte er. „Sagtest du eben ‚Russenpisse‘, Mister Kutscher? Ich muß doch sehr bitten und dich zur Ordnung rufen. Außerdem nanntest du Mac einen ‚Pfeifenarsch‘. Beide Ausdrücke sind unziemlich, äh, unflätig und gehören sich nicht …“

      „Steig mir doch in die Tasche!“ unterbrach der erboste Kutscher die Predigt Carberrys.

      „Wenn ich das tue“, höhnte der Profos, „dann brichst du zusammen, Kutscherlein. Deine Tasche ist für mich auch nicht groß genug, in die paßt allenfalls ’ne Maus, aber als eine solche bin ich wohl kaum zu bezeichnen. Sag mal, was verdrehst du dauernd die Augen? Fängst du auch an zu schielen?“ Der Profos drohte mit dem Finger. „Hast du dich ebenfalls an dem Schnaps gelabt, mein Guter? Na, wie finde ich denn das? Da verdrücken sich unsere beiden Kombüsenheringe in die Proviantlast und hängen ihre Schnorchel an die Zapfhähne von Schnapsfässern! Das muß man sich mal vorstellen! Von Solidarität keine Spur. Den Kameraden den Schnaps wegsaufen – das schmeckt mir vielleicht!“

      „Sag doch gleich, daß du scharf auf den Fusel bist!“ fauchte der Kutscher.

      „Ich?“ Der Profos dehnte das Wörtchen und spielte den Scheinheiligen. „Aber das ist wirklich


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