Seewölfe - Piraten der Weltmeere 561. Davis J.Harbord

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Gesicht und einem versteckten Grinsen in den grauen Augen. Und natürlich drehte er den Zapfhahn erst ab, als die Muck voll war, wie der Kutscher ergrimmt feststellte.

      „Geht’s nicht noch voller?“ sagte er aufgebracht.

      „Leider nicht“, erwiderte der Profos unverfroren. „Und ich stimme dir zu, daß man zum Probieren eigentlich ein größeres Gefäß braucht, nicht so ’ne Nußschale wie diese Muck, in die kaum was reingeht.“

      Und damit kippte er den Inhalt der Muck hinter die Binde, nachdem er vorher kurz geschnüffelt hatte.

      „Uaaahh!“ sagte er und rieb sich mit der Linken den Bauch. Seine Augen glänzten. „Seidenweich! Und Medizin für den Magen. Ich spüre wohlige Wärme. Das ist kein Rattengift, Russen … äh, Russendingsda schon gar nicht.“ Und er peilte das nächste Faß an.

      Der Kutscher kriegte sich nicht mehr ein. Am liebsten hätte er einen Affentanz aufgeführt und wäre bis unter die Oberdecksplanken gehüpft.

      Na klar doch! Dieses Ungeheuer von Profos war um keinen Deut besser als sein Kumpan Mac Pellew, mit dem er schon Zechtouren unternommen hatte, die jeder Beschreibung spotteten. Der dünne, schlaksige Mac Pellew und der klotzige Edwin Carberry mit dem harten Rammkinn – das war vielleicht ein Gespann! Die hatten schon beim alten Francis Drake – Gott hab ihn selig! – die wüsteten Bolzen gedreht.

      Das alles schoß dem Kutscher in diesem Augenblick durch den Kopf, während er gleichzeitig fieberhaft überlegte, wie er den verrückten Profos davon abhalten sollte, den drei anderen Fässern zu Leibe zu rücken. Denn darauf lief’s hinaus. Und der Kutscher zweifelte nicht, daß er es dann mit einer zweiten Schnapsleiche zu tun haben würde.

      Vater unser – was für ein Zirkus!

      Indessen kehrte Mac Pellew ins Dasein zurück, und das war ein Segen, denn der Profos mußte seine weitere Zapftour verschieben. Im Moment hatte der angeschlagene Mac Vorrang.

      „Oh, oh, oh!“ jammerte Mac und betastete seine Stirn. Auf der war ihm ein Ding von Beule erblüht, das sich sehen lassen konnte. Eine Art Horn, das sich vorwölbte und einen Lilafarbton hatte.

      „Tut’s weh, Mackilein?“ erkundigte sich der Profos mitfühlenden Herzens.

      „Dämliche Frage“, knurrte der Kutscher.

      „Ich sterbe“, ließ sich Mac vernehmen. „Es ist aus. Das Ende naht …“

      „Quatsch!“ fuhr der Kutscher dazwischen. „An einer lausigen Beule ist noch keiner gestorben! Stell dich nicht so an, du Saufbold!“

      Mac zog den Kopf ein. „Nicht so laut! Das hält mein Kopf nicht aus – oh, oh, oh! Mein armer Kopf. Wehe-wehe!“

      „Vielleicht ist da was gebrochen“, sagte der Profos besorgt.

      „Bei dem Holzkopf bricht nichts“, erklärte der Kutscher ungerührt. „Der jammert nur, damit er sich vom Kombüsendienst drücken kann.“

      „Kutscher!“ sagte der Profos grollend. „Mir gefällt nicht, wie du über einen schwerverletzten Mann unserer Crew sprichst. Das geht mir zu weit.“

      „Schwerverletzt?“ schnappte der Kutscher. „Der hat Selbstverstümmelung betrieben! Erst hat er sich heimlich mit Schnaps vollgepumpt, und dann ist er mit seinem vernebelten Poller gegen den Pfosten gerannt! Das ist die gerechte Strafe fürs Saufen. Hätte er die Pfoten vom Zapfhahn gelassen, wäre das nicht passiert. Aber nein, ihr gebt ja beide keine Ruhe, sobald ihr den billigsten Fusel wittert. Genau das ist es! Aber hinterher jammern und stöhnen, das könnt ihr!“

      „Es ist deine Pflicht, dich um einen Verletzten zu kümmern!“ dröhnte der Profos.

      „Ich denke nicht daran!“ brüllte der Kutscher zurück, jetzt hochrot im Gesicht vor Wut – und das passierte selten bei ihm, denn er war im Grunde ein zurückhaltender Mensch, der Selbstdisziplin übte und kaum einmal die Fassung verlor.

      Was ihn so erboste, das war der jammernde Mac, der seine Beule selbst verschuldet hatte. Und zum anderen regte ihn der Profos auf, der genauso wie Mac scharf auf den Schnaps war und den Trunkenbold sogar noch in Schutz nahm.

      Nun konnte der Profos den schmalen Kutscher am steifen Arm verhungern lassen, will sagen, er war ihm an körperlicher Kraft haushoch überlegen. Aber Carberry war über den ungewohnten Ausbruch des Kutschers derart verblüfft, daß er sogar zurückwich und beschwichtigend beide Hände hob.

      „Mann, Mann“, sagte er hastig, „nur keine Panik. Kein Grund, sich aufzuregen. Soll ich dir einen Schnaps abzapfen?“

      Das war ja wohl das Allerletzte. Fast wäre der Kutscher schon wieder explodiert, doch da meldete sich Mac erneut. Wenn er vorhin einen getrübten Blick gehabt hatte – sein Gehör hatte nicht gelitten. Und was wollte er?

      „Ein Schnaps würde mir guttun!“ erklärte er unverfroren.

      Der Kutscher stieß einen scharfen Zischlaut aus und warf dem Profos einen funkelnden Blick zu.

      Aber der steuerte bereits richtigen Kurs. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Für Kopfverletzte ist Schnaps nicht gut, Mac. Dann könntest du wirklich sterben.“

      „Genau das“, sagte der Kutscher. „Apoplexia cerebri.“

      „Was ist das denn nun wieder?“ fragte der Profos mißtrauisch.

      „Gehirnschlag“, erwiderte der Kutscher lakonisch.

      „Aha! Und wie äußert sich der?“

      „Ohrensaus’ und aus“, sagte der Kutscher kurz und bündig, überlegte einen Augenblick und fügte hinzu: „Ach ja, Apoplexia cerebri kann auch nur zu Lähmungen führen, zu Lähmungen einzelner Glieder und so weiter.“

      „Glieder?“ fragte der Profos etwas genervt.

      „Ja, Glieder, Arme oder Beine, links- oder rechtsseitig.“

      „Ach so“, murmelte der Profos und schien erleichtert zu sein.

      Der Kutscher runzelte die Stirn. „Was dachtest du denn?“

      „Ach, nichts – nur weil du ‚Glieder‘ sagtest – äh …“ Der Profos verstummte.

      „Jawohl, Körperglieder, Gliedmaßen“, erläuterte der Kutscher, „auch das Gesicht. Bei Doc Freemont hatten wir ein paar solcher Fälle. An einen erinnere ich mich sehr gut – ein stadtbekannter notorischer Säufer. Der hatte linksseitige Gesichtslähmung, rechts bewegte sich alles, links war alles steif, das Augenlid hing schlaf nach unten, starrer Blick, rechts bewegten sich die Lippen beim Sprechen, links blieben sie unbewegt. So sah das aus!“ Und der Kutscher zeigte mit beachtlichem schauspielerischem Talent, wie der stadtbekannte notorische Säufer ausgesehen hatte. Nämlich reichlich blöd.

      Mac zog sich hastig an dem Pfosten hoch und verkündete, daß er sich eigentlich ganz gesund fühle.

      „Nur ein bißchen Kopfbrummen“, sagte er.

      „Das kommt vom Schnaps“, sagte der Kutscher.

      „Aber auch von der Beule“, meinte der Profos. „Vielleicht sollte er einen feuchten Umschlag um den Kopf legen.“

      „Das kann er von mir aus tun“, sagte der Kutscher gleichmütig, „aber für den Borddienst ist er voll verwendungsfähig.“

      „Schon gut, schon gut“, murmelte der Profos, „aber ein bißchen Rücksicht auf seine Kopfverletzung sollte man doch nehmen.“

      „So?“ sagte der Kutscher spitz. „Ich bin da anderer Ansicht. Aber wie’s beliebt! Wenn sich hier an Bord Trunkenbolde die Köpfe einrennen und dann auch noch gepäppelt und gehätschelt werden, dann können wir uns bald einsargen lassen. Dürfte ich die Gentlemen nunmehr sehr höflich bitten, den Proviantraum zu verlassen. Es gibt hier nichts mehr zu untersuchen. Außerdem muß ich dem Kapitän Bericht erstatten, daß die Proviantlage mehr als trübe ist.“

      Der Profos fügte sich – mit einem bedauernden


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