Seewölfe - Piraten der Weltmeere 338. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 338 - Burt Frederick


Скачать книгу
nach einem Blick in das bleiche, entspannte Gesicht des Mädchens. „Mehr können wir vorläufig nicht verlangen. Deine Behandlung zeigt die ersten Erfolge, alter Freund.“ Er klopfte dem Kutscher sacht auf die Schulter.

      Ein erfreuter Schimmer entstand in den großen blauen Augen des dunkelblonden Mannes. Doch er antwortete mit einer abwehrenden Geste.

      „Ihr Schicksal liegt nicht in meiner Hand“, sagte er leise, „ich tue nur das, was jeder andere auch tun würde.“

      Sie hatten sich angewöhnt, in Tamaos Gegenwart stets nur spanisch zu sprechen. Der Junge sollte Zuversicht gewinnen und Asiaga in ihrem Genesungsprozeß eine wertvolle Stütze sein. Jedes englische Wort, das er nicht verstand, hätte Unsicherheit in ihm aufkeimen lassen. Ganz zwangsläufig wäre bei ihm der Verdacht entstanden, daß man ihm etwas verheimlichte.

      Der Kutscher nickte Tamao zu und begab sich zum Fußende des Krankenlagers, um die fiebersenkenden Umschläge zu überprüfen.

      Tamao hob den Kopf und sah Mac Pellew an.

      „Du besser, Señor?“

      Mac lachte lautlos und winkte ab.

      „Unkraut vergeht nicht, Junge. Unsereins muß einen harten Schädel haben und auch mal einen kleinen Klopfer vertragen können.“ In der Tat hatte Mac sich bestens erholt, nachdem er während des Sturms unliebsame Bekanntschaft mit dem Kombüsenschott geschlossen hatte.

      „Unkraut ver… was bedeutet, Señor?“ Tamao sah Mac Pellew fragend an.

      „Unkraut vergeht nicht. Eine Redensart, Tamao. Du weißt, was Unkraut ist? Jeder Ackerbauer kann ein Lied von diesen häßlichen Pflanzen singen, die ihm die Furchen verunzieren.“

      „Ich verstehen!“ rief Tamao. „Timucua sind Ackerbauern. Pflanzen Mais, viel Mais.“

      „Siehst du“, sagte Mac und nickte, „dann weißt du ja Bescheid. Die miesesten Pflanzen, das Unkraut nämlich, die leben am längsten. Du kannst sie abreißen oder zertreten, und sie richten sich doch immer wieder auf. Und haargenau so ist das auch mit den Menschen.“

      Einen Moment runzelte Tamao nachdenklich die Stirn.

      „Dann Asiaga – soll auch Unkraut sein“, sagte er schließlich im Brustton der Überzeugung.

      Mac Pellew schluckte. Die Zwillinge lächelten, und der Kutscher grinste ihn an.

      „Nun sitzt du in der Klemme, was, Mac?“ Der Kutscher wandte sich dem Timucua-Jungen zu. „Paß auf, Tamao, das ist so bei uns: Es gibt Redewendungen und Sprüche, die mehr scherzhaft gemeint sind. Man muß so etwas nicht ernst nehmen, sondern …“

      Was der Kombüsenmann und Feldscher der „Isabella“ sonst noch zu sagen gedachte, ging in einem Höllenspektakel unter, der plötzlich an Deck entstand.

      Ahnungslos hatte Plymmie in aller Seelenruhe ihren Freßnapf geleert, um sich nun der Nachspeise zu widmen – einer dicken, gekochten Speckschwarte.

      Daß Arwenack die ganze Zeit über in der kleinen Jolle gelauert und über das Dollbord gelinst hatte, war der Bordhündin der „Isabella“ entgangen.

      Jetzt schwang sich der Schimpanse mit einem gewaltigen Satz aus der Jolle, packte blitzschnell zu und erwischte die Speckschwarte vor Plymmies Reißzähnen, die gerade voller Genuß zufassen wollten. Mit triumphierendem Keckern fegte Arwenack los, über den Steuerbordniedergang zur Back hinauf.

      Doch Plymmie überwand ihren Schreck schneller, als es dem Schimpansen lieb sein konnte. Wie von der Tarantel gestochen wirbelte die graue Wolfshündin herum, stimmte ein heiseres Gebell an und jagte hinter dem Speckschwartendieb her.

      Aus dem Großmars meldete sich eine weitere Stimme, schrill kreischend und aufgeregt.

      „Affenärsche! Rübenschweine! Affenärsche! Rübenschweine!“ Sir John, der karmesinrote Papagei, begleitete die Verfolgungsjagd aus sicherer Höhe mit seinem Geschrei, das er dem Wortschatz des Profos entlehnte.

      Die Männer an Deck unterbrachen ihre Arbeit und verfolgten grinsend das Schauspiel, das ihnen das bordeigene Viehzeug lieferte.

      In wilder Hast tanzte Arwenack über die Planken der Back, dabei steigerte sich sein siegesgewisses Keckern zu einem fast menschlich klingenden Kichern. Elegant schwang er sich um das Ofenrohr der Kombüse herum, doch sonst sah seine Art der Fortbewegung auf zwei Beinen eher unbeholfen aus. Zweifellos hatte er seine eigene Schnelligkeit überschätzt.

      Eben dies wurde dem Schimpansen bewußt, als Plymmie mit einem federnden Sprung die Planken der Back erreichte. Ihr Gebell wich einem zornigen Knurren, ihre Reißzähne blitzten, und ihre Schnelligkeit ließ den Vorsprung des Speckschwartendiebes rasend schnell zusammenschmelzen.

      In jähem Entsetzen rettete sich Arwenack auf die Balustrade an Steuerbord. Wie schmerzhaft es war, wenn sich Plymmie für seinen Schabernack mit einem Biß in seinen Allerwertesten revanchierte, hatte er bereits zur Genüge erfahren müssen. Indem er sein mächtiges Gebiß entblößte, hielt er die Speckschwarte hoch empor, und es war eine höhnische Geste, die überaus menschlich wirkte.

      Plymmie bremste ihren Ansturm nur einen Moment ab. Ihre Nackenhaare sträubten sich, und ihr erneutes wildes Gebell veranlaßte Arwenack, den Rückzug zu den Fockmastwanten anzutreten.

      Doch im selben Augenblick kochte Plymmies Zorn bereits über. Ohne erkennbaren Ansatz schnellte sie los, schräg nach oben, und nur haarscharf entging das Fell des Schimpansen ihren zuschnappenden Fangzähnen.

      Wie ein grauer Schatten fegte Plymmie ins Leere, über die Balustrade hinaus. Ihr plötzliches erschrockenes Geheul hallte weit über die Wasseroberfläche.

      Arwenack, der an einem Arm pendelnd in den Wanten hing, verstummte. Nur Sir John fuhr mit seiner zeternden Schimpfkanonade aus luftiger Höhe fort.

      „Hund über Bord!“ brüllte Matt Davies, und die Männer brachen in donnerndes Gelächter aus.

      Als sie den klatschenden Aufschlag hörten, waren sie bereits am Steuerbordschanzkleid.

      „Mal sehen, wie gut die Lady schwimmen kann!“ rief Ed Carberry dröhnend, und von neuem wollte sich die Crew ausschütten vor Heiterkeit.

      Aus der Krankenkammer eilten der Kutscher, Mac Pellew und die Zwillinge herbei. Auch Tamao schloß sich ihnen an. Zweifellos hatte er begriffen, daß Asiaga bestens versorgt war und er sie getrost einen Moment allein lassen konnte. Philip und Hasard enterten ein paar Stufen des Niedergangs zur Back auf, um das Geschehen besser beobachten zu können. Tamao folgte ihnen mit einem federnden Sprung.

      „Um Himmels willen!“ rief Philip junior erschrocken. „Die arme Plymmie säuft uns ab!“

      „Unsinn“, widersprach sein Bruder, „hast du schon mal einen Hund gesehen, der nicht schwimmen kann? Wir müssen ihr nur über die Jakobsleiter an Bord helfen, das schafft sie nicht allein.“

      Mit angstvollem Blick beobachteten die beiden Jungen, wie sich die Wolfshündin im Wasser abstrampelte – etwa zwanzig Yards von der Bordwand der „Isabella“ entfernt. Auf der Kuhl und auf der Back ließen die Männer ihre Scherze vom Stapel. Arwenack enterte gemächlich in den Fockmastwanten auf, und aus beträchtlicher Höhe ließ er die Speckschwarte achtlos fallen.

      Ferris Tucker spürte einen klatschenden Schlag im Nacken. Verdutzt kreiselte er herum, sah das fettige Diebesgut hinter sich auf die Planken fallen und begriff. Ferris legte den Kopf in den Nacken und schüttelte die Faust.

      „Warte nur, du Mistvieh! Dich befördern wir auch gleich in den Bach. Dann kannst du mit Plymmie um die Wette schwimmen!“

      Die Männer johlten. Arwenack verzog sich mit einem ängstlichen Laut in den Fockmars, wo er nun allen Blicken entzogen war.

      „Ich hole Plymmie rauf“, sagte Hasard junior entschlossen und wollte sich abwenden.

      Im selben Moment packte ihn Tamao an der Schulter und streckte den freien Arm über die Balustrade hinaus.

      „Seht, seht!“


Скачать книгу