Seewölfe - Piraten der Weltmeere 599. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 599 - Fred McMason


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Haare vom Schädel riß. Der Gehilfe, ein kleiner Ladenschwengel von etwa zehn Jahren, tanzte von einem Bein auf das andere und fand das alles sehr aufregend. Dafür kriegte er vom erbosten Altgesellen eine gescheuert. Das Bürschchen brüllte jetzt ebenfalls laut los und begann in wilder Flucht davonzurennen.

      Inzwischen zerlegte der Sturm die Bäckerei und fetzte sie restlos auseinander. Eine blattlose große Linde gab der Bäckerei endgültig den Rest. Ihre Wurzeln brachen aus dem Boden. Dann blieb sie schräg wie ein angeschossener Mast stehen und fiel schließlich mit ungeheurem Getöse auf die Reste des Hauses.

      Unter ihrem donnernden Aufprall ging auch die letzte Mauer zu Bruch. Was sich in der Backstube befunden hatte, wurde mit gewaltiger Kraft davongefegt. Die Backtröge samt Inhalt überschlugen sich auf der Straße und rasten, wie von Geisterhänden gezerrt, davon, bis sie krachend an eine Hauswand schlugen.

      Die beiden Bäcker rannten davon, als sei der Satan hinter ihnen her.

      Aber es passierte noch mehr, und die Sache mit der Kutsche entbehrte trotz der dramatischen Situation nicht einer gewissen Komik.

      Sie bog gerade mit ziemlicher Fahrt in die Straße ein. Zwei aufgeregt schnaubende braune Pferde, von dem Sturm, dem Heulen und Brüllen verängstigt, drohten durchzugehen. Der dicke Kutscher auf dem Bock hatte alle Hände voll zu tun, um sie zu halten. Seine Peitsche hatte er verloren, und er bückte sich ängstlich zur Seite, wo ein sehr beleibter Mann mit dickem und rotem Gesicht seinen Kopf aus dem Fenster streckte und auf den Kutscher einbrüllte.

      Der Sturm fetzte ihm die Worte von den Lippen, und der Dicke brüllte und schrie auf eine komische, lautlose Art wie ein Pantomime. In seinem feisten Gesicht zuckte es wild. Er hatte ein Tüchlein aus seiner Weste gezerrt und betupfte sich damit die nasse Stirn.

      Offenbar war der Kutscher nicht in der Lage, die verstörten Gäule anzuhalten.

      Mit scharfer Fahrt jagte die Kutsche weiter.

      Smoky schloß krampfhaft die Augen, denn jetzt mußte die Kutsche mit fürchterlicher Wucht auf das Hindernis prallen – die gefällte Linde, die die ganze Straße versperrte.

      Kurz davor scheuten die Gäule und stiegen wild schnaubend und wiehernd hoch.

      Der Kutscher flog vom Bock, mit einer Wucht, als sei er aus einer Kanone abgefeuert worden. Er landete in den Überresten der Bäckerei und donnerte in einen aufgeplatzten Mehlsack. Im nächsten Augenblick ähnelte er einem weißlichen zappelnden Gespenst.

      Die Kutsche flog mit einem lauten Poltern um und legte sich auf die Seite. Holz barst. Die verschreckten Gäule zogen wieder an, und aus dem zersplitterten Fenster schob sich quäkend und heulend der Dicke hervor. Seine Fettleibigkeit ließ jedoch nicht zu, daß er zu dem Fenster hinausgelangte. Außerdem zerrten die Pferde den Trümmerhaufen immer noch weiter und über die gefällte Linde hinweg.

      Erst dort zerbrach die Kutsche, und der Dicke war frei. Er kullerte in einer grotesken Bewegung über die Straße.

      Dort rappelte er sich auf, verdreckt, staubig und schauerlich fluchend. Dann humpelte er zu der Hausruine, wo der andere sich aus dem Mehl befreite, und begann lautstark mit ihm zu schimpfen. Mit einem kleinen Spazierstock schlug er dabei auf den unschuldigen Kutscher ein.

      Auf der Schebecke war wiederum kein Wort zu verstehen, nur die wilde Gestik, mit der sich die Kontrahenten bedachten, sprach deutlich von schlimmem Ärger.

      Die Arwenacks sahen zu, wie der Dicke den Kutscher verprügelte und dann schnaufend und rot vor Wut, davonhinkte. Auch der Kutscher rappelte sich auf und folgte dem Dicken in respektvoller Entfernung.

      Die Gäule rannten weiter. Sie hatten nur noch ein paar armselige Trümmer zu schleppen.

      Nach wenigen Augenblicken verschwand der Spuk um die nächste Ecke.

      „Wahnsinn“, murmelte Smoky verblüfft. Sie hatten die Springs jetzt ausgebracht. Das Gerumpel und Geknalle ließ nach und hörte schließlich ganz auf. Verhältnismäßig ruhig lag die Schebecke an der Pier.

      An Deck aber wurde es immer ungemütlicher, denn der Sturm nahm auch weiterhin an Heftigkeit zu. In der Luft war ein Klagen und Heulen, Jaulen und Jammern, das alle anderen Geräusche übertönte. Dazwischen jagten Dreckwolken zum Himmel. In großer Höhe bildeten sich wirbelnde Trichter, die den Dreck und Staub wie mit einem Schlauch ansaugten.

      Hasard sah sich besorgt um.

      „Da braut sich ein ausgewachsener Orkan zusammen“, sagte er. „Es wird ein Sturm, wie London ihn lange nicht erlebt hat.“

      „Und es werden noch eine Menge Dächer abgedeckt werden“, prophezeite Ben Brighton. „Das ist erst der Anfang. Ich denke, wir gehen besser unter Deck. Hier oben können wir nichts weiter tun. Der Sturm fegt uns sonst noch über Bord.“

      „Und dabei wollte ich Doc Freemont suchen“, sagte der Kutscher betrübt. „Aber das ist bei diesem Unwetter wohl aussichtslos.“

      „Warte ab, bis es sich gelegt hat“, riet Hasard. Als er sich umdrehte, um ebenfalls unter Deck zu gehen, sah er das Boot.

      Es war ein größeres Fischerboot, das auf der Themse in den Sturm geraten war und jetzt zu kentern drohte, Drei Mann kämpften verzweifelt um ihr Leben.

      Das Boot war zur Hälfte mit Wasser gefüllt, hing stark gekrängt zwischen den Wellen und schluckte den nächsten Brecher. Der brüllende Sturm trieb es auf das westliche Ufer zu.

      In diesem Augenblick ging einer der Männer über Bord. Die beiden anderen waren nicht in der Lage, ihm zu helfen. Sie hatten alle Hände voll zu tun, um sich selbst festzuhalten.

      „Auch das noch“, sagte Al Conroy. „Entweder sind die Kerle tollkühn oder ganz einfach verrückt.“

      „Oder sie sind vom Sturm überrascht worden und hatten gehofft, noch rechtzeitig nach Hause zu gelangen.“ Jeff Bowie sagte das und starrte mit offenem Mund auf das wie irrsinnig tanzende Boot.

      Hasard überlegte fieberhaft; wie er den Männern helfen konnte. Die Jolle konnten sie nicht benutzen. Sie wäre ebenfalls umgeschlagen und hätte die eigene Besatzung in höchste Gefahr gebracht.

      „Nehmt Taue und lange Leinen mit“, sagte er kurz entschlossen. Er mußte brüllen, weil der Sturm ihm die Worte von den Lippen riß. „Versucht es unten vom Ufer aus. Aber beeilt euch.“

      Die Arwenacks handelten. Hasard ärgerte sich, weil sich auf einem anderen Schiff ganz in der Nähe, keine einzige Hand rührte, um Hilfe zu bringen. Ein paar Kerle standen auf dem Quarterdeck einer Galeone und sahen untätig zu, wie die Männer um ihr Leben kämpften. Sie stierten nur, aber sie unternahmen nichts.

      In aller Eile schnappten sich die Arwenacks ein paar Leinen und rannten los.

      Sie hörten die Fischer brüllen. Der eine, der über Bord gegangen war, verschwand gerade unter einem Brecher und streckte hilfesuchend die Arme aus. Der Brecher drückte ihn unter Wasser, und dann war er verschwunden.

      Das Boot kenterte bei der nächsten Welle und begrub die beiden anderen Fischer unter sich.

      Dan O’Flynn und Hasard langten als erste am Ufer an. Es hatte ganz den Anschein, als könnten die Kerle nicht schwimmen. Zwei tauchten wieder auf und versuchten, das kieloben treibende Boot zu erreichen. Von dem dritten Mann war jetzt die Hand zu sehen, die sich verzweifelt aus dem Wasser reckte.

      Hasard schlang sich hastig eine Leine um die Hüften. Das andere Ende reichte er Big Old Shane.

      „Du willst doch dort nicht hinein!“ brüllte Shane entsetzt. „Das ist der reinste Höllenschlund.“

      „Halt den Tampen fest!“ schrie Hasard. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“

      Noch bevor jemand etwas sagen konnte, stürzte sich der Seewolf mit einem wilden Sprung in die brodelnde und reißende Themse.

      Big Old Shane fierte die Leine nach und sah schluckend, wie Hasard unterging und gleich wieder auftauchte. Er war oberhalb des Bootes ins Wasser gesprungen, um nicht zu weit abzutreiben.

      Die


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