Seewölfe Paket 28. Roy Palmer
Bills Stimme. Bill stand als Ausguck im Großmars. Er hatte die Guffas gesichtet, die sich aus dem Uferdickicht lösten.
„Da sind sie wieder!“ meldete er. „Die Tröge!“
„Himmel, Arsch“, brummte Carberry. „Da soll mich doch gleich der Wasserfloh beißen.“
„Ob das Händler sind?“ fragte Matt Davies.
Dan O’Flynn hatte zum Spektiv gegriffen und blickte hindurch.
„Bestimmt nicht“, sagte er. „Die haben Pfeil und Bogen und sehen keineswegs friedlich aus.“
„Ob die uns angreifen wollen?“ fragte Ben Brighton auf dem Achterdeck seinen Kapitän.
„Noch deutet nichts darauf hin“, erwiderte der Seewolf. „Das Schiff ist klar zum Gefecht, aber ich warte noch damit, die Kanonen ausrennen zu lassen. Vielleicht wollen uns die Kerle in den Guffas nur ein wenig belauern.“
„Das glaube ich nicht“, sagte der alte O’Flynn mit finsterer Miene. „Die wollen uns an den Kragen.“
Kurz darauf gab es nicht mehr die geringsten Zweifel über die Absichten der Guffa-Insassen. Die Rundboote trieben der „Santa Barbara“ entgegen. Einzelheiten waren zu erkennen. Die Guffas waren außen mit Ziegenhäuten bespannt, innen hatten sie Versteifungen aus Zweigen.
In jedem Guffa saßen vier bis fünf Kerle, die wie Beduinen gekleidet waren und sehr wüst aussahen. Je einer in jedem Guffa bediente ein Paddel als Steuer.
Die anderen Kerle hoben Pfeil und Bogen und begannen, auf die „Santa Barbara“ zu schießen. Ein ganzer Hagel von Pfeilen deckte die Galeone plötzlich ein.
„Holla!“ rief der Profos und ging hinter einem der Geschütze in Deckung. „Da haben wir den Salat! Die Hunde sind die reinsten Kastenteufel!“
„Piraten!“ schrie Ferris Tucker. „Auf was warten wir? Feuern wir ihnen was zwischen die Kiemen!“
Plötzlich geschah etwas, mit dem keiner der Mannen ernsthaft gerechnet hatte. Auf dem Achterdeck erklang ein Stöhnen. Ben Brighton sank auf den Planken zusammen.
„Hölle!“ stieß Big Old Shane hervor. „Das gibt’s doch nicht!“
„Ich hab’s geahnt!“ rief Old O’Flynn.
Hasard war bei seinem ersten Offizier und Bootsmann und beugte sich über ihn. „He, Ben! Laß mal sehen.“
Ein Pfeil steckte in Bens linker Schulter.
Ben grinste schwach. „Ist nur ein Kratzer. Ziehst du den Pfeil heraus?“
Der Seewolf versuchte es. Aber der Pfeil saß zu fest. Ben stöhnte wieder auf und verdrehte vor Schmerzen die Augen.
„Tut verdammt weh“, murmelte er. Dann wurde er ohnmächtig.
Hasard winkte die Zwillinge heran. Sie hoben Ben vorsichtig hoch und trugen ihn ins Achterdeck, wo sie ihn in seine Koje verfrachteten. Der Kutscher war zur Stelle und untersuchte die Wunde.
„Mann, daß dir das passieren mußte, Ben“, sagte er. „Es tut mir wirklich leid.“
Ben antwortete nicht, er war nach wie vor bewußtlos. Die Zwillinge sahen den Kutscher besorgt an.
„Ist es – schlimm?“ fragte Philip junior leise.
Der Kutscher schaute auf. „Nein. Knochen scheinen nicht verletzt zu sein. Ich muß nur den Schaft abbrechen und den Pfeil durch die Wunde stoßen. Anders geht es nicht. Es ist ein Pfeil mit Widerhaken, wie mir scheint.“
Hasard junior gab sich einen innerlichen Ruck. „Fangen wir gleich an?“
„Ihr unterstützt mich also?“ fragte der Kutscher.
„Natürlich“, erwiderten die Zwillinge wie aus einem Mund.
„Ich brauche Mac nicht zu rufen?“
„Der wird an Deck gebraucht, schätze ich, Sir“, entgegnete Philip junior.
Um die „Santa Barbara“ herum war es inzwischen laut geworden. Die Guffas glitten an Backbord und an Steuerbord längsseits. Haken und Leinen flogen hoch, Pfeile surrten durch die Luft. Die Piraten grölten wie die Besessenen.
Ebel Schachnam feuerte seine Kerle an. „Gebt es diesen Giaurs! Schneidet ihnen die Kehlen durch! Macht sie nieder! Keiner darf entwischen!“
Schon enterten die Kerle wie die Affen. Ein wüster Kampf entbrannte – ein Handgemenge am Schanzkleid. Die Flußräuber sprangen auf den Handlauf, zückten ihre Messer und fuchtelten wild damit herum. Mehrere Kerle richteten sich auf, spannten die Sehnen ihrer Bögen und zielten mit den Pfeilen auf die Mannen der „Santa Barbara“.
Aber jetzt gerieten die Arwenacks richtig in Fahrt. Erstens wegen Ben – zweitens wegen der Dreistigkeit, mit der diese Guffapiraten es wagten, die spanische Lady einfach zu entern. Der Gegenschlag begann – geführt von Edwin Carberry.
Er rammte einem der Kerle die Faust unters Kinn. Der Kerl stieg hoch, flog schräg außenbords und landete mit einem Aufschrei im Wasser.
Dann räumte der Profos den nächsten Schnapphahn unter Zuhilfenahme seines Säbels ab. Heulend folgte der Pirat dem ersten Kumpan ins Wasser. Wieder klatschte es. Wellen entstanden. Die Guffas schaukelten.
Batuti schoß von den Hauptwanten aus einen Pfeil auf einen der anderen Schützen ab. Der Kerl kippte rückwärts in die Fluten. Batutis Pfeil steckte in seiner Brust.
Ebel Schachnam erkannte die Wende, die der Kampf nahm. Er sprang auf die Planken der Galeone und trachtete danach, das Achterdeck zu stürmen. Wenn er den Kapitän als Geisel nahm, mußten die anderen Giaurhunde sich ergeben! Dies war sein einfacher Plan.
Der Plan wurde von Higgy vereitelt, der dem Bärtigen einfach ein Bein stellte. Ebel knallte auf die Planke – im nächsten Augenblick hackte ihm Jeff Bowie seinen scharfgespitzten Eisenhaken in den Hintern.
Der Bärtige brüllte auf und schoß wie der Blitz über die Planken. Er knallte mit dem Kopf gegen die Querwand des Achterkastells und blieb liegen. Somit war sein Einsatz beendet.
Die Männer des Seewolfs kämpften wie die Berserker. Kerl für Kerl schickten sie dorthin zurück, woher er gekommen war – in den Fluß. Dort tummelten sich inzwischen einige, die das Gefecht überlebt hatten, neben den treibenden Leichen ihrer Spießgesellen.
Ferris Tucker hatte erwogen, eine oder zwei Höllenflaschen mit ins Spiel zu bringen. Aber vorerst schien das nicht erforderlich zu sein. Ob Carberry und Blacky, Batuti oder Shane, Don Juan, Roger Brighton oder Pete Ballie – alle schlugen sich mit Bravour und warfen die Guffaräuber zurück.
Hasard befaßte sich indessen mit zwei Piraten, die das Heck der „Santa Barbara“ erklettert hatten. Sie dachten, den Giaurs in den Rücken fallen zu können. Weit gefehlt – der Seewolf erwartete sie mit blitzendem Degen.
Dem einen Kerl fegte Hasard das Messer aus der Faust, dem anderen den Bogen. Dann packte er sie und knallte ihre Schädel zusammen. Sie gaben gurgelnde Laute von sich und flogen rücklings ins Kielwasser.
Hasard warf einen Blick nach unten. Aber es gab keine Angreifer mehr, die sich am Ruderblatt hochzogen. Vielmehr zappelten jede Menge Kerle im Wasser, und einige Piraten versuchten von den Guffas aus, sie an Bord der Ruderboote zu zerren.
Der Seewolf enterte auf die Kuhl ab und drehte sich zu Ebel Schachnam um. Daß der Kerl seinem Gebaren nach der Anführer sein mußte, war ihm nicht entgangen.
„Was machen wir mit dem?“ rief Carberry. „Hängen wir ihn auf?“
Hasard ließ Gnade vor Recht ergehen. Er schleppte den Bärtigen zum Schanzkleid, legte ihn darauf und verpaßte ihm einen Stoß. Der Kerl sauste ab in den Fluß.
Aus und vorbei – der Angriff war zurückgeschlagen. Die Mannen verfolgten, wie die Piraten mit ihren Guffas zum Ufer zurückkehrten. Mit ihren Paddeln gelangten sie nur langsam voran. Und ihre Zahl war