Seewölfe - Piraten der Weltmeere 528. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 528 - Burt Frederick


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mich hört es sich eher nach einer westlichen Richtung an. Aber wie auch immer: Da sind Neunzehn-Pfünder und Fünfundzwanzig-Pfünder im Einsatz. Und die anderen? Was hältst du von denen?“

      „Nicht sehr viel – nach allem, was wir erlebt haben“, erwiderte Ben Brighton grinsend. „Ich bin nicht versessen darauf, schon wieder mit chinesischen Küstenstrolchen aneinanderzugeraten.“

      „Die Entfernung ist noch sehr groß“, sagte der Seewolf.

      Dan O’Flynn, der vorn beim Steuerbordniedergang des Achterdecks stand, wandte sich um.

      „Übernehme Ausguck im Großmars, Sir.“

      Hasard nickte.

      „Mister Morgan!“ rief er und legte den Kopf in den Nacken.

      Luke drehte sich im Großmars um.

      „Sir?“

      „Mister O’Flynn übernimmt deinen Ausguck. Du kannst abentern!“

      „Aye, aye, Sir.“

      Dan bedankte sich mit einem Handzeichen bei Hasard und enterte in den Steuerbordwanten auf. Er begegnete Luke, und sie hieben sich gegenseitig auf die Schultern, daß die Wanten in Schwingungen gerieten.

      Luke empfand nicht die Spur von Neid. Jeder an Bord der „Santa Barbara“ wußte, daß Dan O’Flynn noch immer die schärfsten Augen von allen hatte. Es gab niemanden in den Reihen der Arwenacks, der über eine bessere Sehkraft verfügte als er.

      Doch an diesem Morgen hatte auch er zunächst keinen Erfolg.

      „Das reinste Vergnügen so was“, murmelte Carberry mit grollendem Unterton. „Ist doch richtig gemütlich, durch so eine graue Suppe zu schleichen.“

      „Und dann noch mit Musik“, sagte Ferris Tucker. „Muß ein richtiger Künstler sein, der da auf die Pauke haut.“

      Die Männer auf der Kuhl lachten leise, doch ein Gespräch unterblieb. Was ihnen Unbehagen bereitete, war das Gefühl, in eine Sache hineinzugeraten, von der man nicht wußte, was einem bevorstand.

      Einen sichtbaren und greifbaren Gegner vor sich zu haben, bescherte den Arwenacks keine düstere Stimmung. Im Gegenteil. In die Hölle zu segeln und dem Gehörnten in den Schwanz zu kneifen, war schon immer ein besonderes Vergnügen für sie gewesen.

      Das hier jedoch gefiel ihnen nicht. In den zurückliegenden Wochen hatten sie schon zuviel Verdruß erlebt. Die Chinamänner waren für die verrücktesten Überraschungen gut.

      Philip und Hasard, die Söhne des Seewolfs, leisteten Old Donegal Daniel O’Flynn auf der Back Gesellschaft. Bisweilen tat es ihnen leid, zu sehen, wie er von den anderen immer dann geschnitten wurde, wenn die Gefahr bestand, daß er mit seinen Schauermärchen loslegte. Immerhin war er ihr Grand-Dad, und wenn man sich in seine Erzählungen richtig vertiefte, konnte man auch einigen Gefallen daran finden. Ein Zeitvertreib war es zumindest.

      Und den konnte man bei dem vermutlich noch stundenlangen Dahinschleichen gut gebrauchen. Sicherlich auch deshalb, weil einem der anhaltende Geschützdonner an den Nerven zerrte.

      Plymmie, die finnische Wolfshündin, lag vor der Taurolle, auf der die Zwillinge hockten. Obwohl sie lang ausgestreckt zu Füßen der Jungen lag, drückte die Haltung der Hündin doch gespannte Aufmerksamkeit aus. Den Kopf platt auf die Planken gelegt, zwischen den Vorderpfoten, hatte sie diese typische Sprungbereitschaft.

      Philip und Hasard kannten das nur zu gut, zumal man auch nicht übersehen konnte, daß Plymmies Nackenhaare etwas gesträubt waren. Das unverkennbare Anzeichen für eine unklare Situation. In diesem Fall, das wußten die Jungen, sicherlich nichts besonderes, da auch das menschliche Wahrnehmungsvermögen ausreichte, um zu begreifen, daß sich etwas zusammenbraute, von dem man in keiner Weise wußte, was es sein würde.

      Doch Plymmie hatte die Arwenacks mit ihrem untrüglichen Instinkt schon so manches Mal gewarnt, wenn noch nicht das winzigste Anzeichen von Gefahr zu erkennen gewesen war.

      Old O’Flynn lehnte an der Balustrade und spähte nach Steuerbord voraus. Unvermittelt räusperte er sich, und die Söhne des Seewolfs wußten, daß es jetzt soweit war.

      Es gab da etwas, an das der Nebel und der ferne Gefechtslärm das alte Rauhbein erinnerten.

      Immerhin hatte Old Donegal von allen Arwenacks den reichsten Erfahrungsschatz. Diese eine Tatsache leugnete auch niemand.

      „Fällt euch etwas auf?“ fragte er, ohne sich umzudrehen.

      Philip und Hasard wechselten einen Blick und grinsten. Manchmal hatte der Alte diese merkwürdige Art, auf die selbstverständlichsten Sachen hinzuweisen.

      „Klar“, antwortete Philip, „da wird irgendwo geschossen.“

      „Leider wissen wir nicht, wo“, fügte Hasard hinzu, „weil der verdammte Nebel uns die Sicht verwehrt.“

      „Richtig, sehr richtig“, sagte Old Donegal wie ein zufriedener Schulmeister. „Ich vermute, keiner an Bord ist bis jetzt darauf gestoßen, was an der Sache höchst merkwürdig ist.“

      Die Zwillinge runzelten die Stirn.

      „Keine Ahnung“, gestand Hasard junior schließlich.

      Der alte O’Flynn drehte sich für einen Moment zu ihnen um, und sein wettergegerbtes Gesicht war ein Meer verschmitzter Falten.

      „Dann denkt mal darüber nach, wie eine Geschützmannschaft oder ein Stückmeister in dieser Waschküche richtig visieren soll.“

      „Na, da wird eben auf gut Glück gefeuert“, sagte Philip leichthin.

      „Klar“, fügte sein Bruder hinzu. „Was denn sonst! Man prägt sich die ungefähre Position des Gegners ein und haut drauf, was es draufzuhauen gibt. Wenn er dann noch zurückfeuert, hat man ihn ja schon geortet.“

      Die Jungen redeten sich in Eifer.

      „Man kalkuliert seinen Kurs und seine Fahrt mit ein, sobald man mehrere Mündungsblitze gesehen hat“, sagte Philip mit heftigem Nicken. „Und dann berechnet man die Geschoßbahnen entsprechend. Ich wette, Mister Conroy weiß genau, wie so was klappt.“

      „Natürlich“, entgegnete Old Donegal. „Wenn ihr ihn fragt, spielt er den Oberschlauen. Er kann ja schlecht zugeben, daß so ein Nebelgefecht eben doch die reinste Glückssache ist.“

      „Laß die Katze aus dem Sack, Grand-Dad“, bat Hasard junior mit einem Seitenblick zu seinem Bruder. „Du hast doch irgend etwas auf Lager, was hier keiner an Bord begreifen kann.“

      Old Donegal drehte sich um und schob die Ellenbogen auf die Balustrade. Seiner Miene war anzusehen, daß er sich geschmeichelt fühlte.

      „Ja“, sagte er gedehnt, „es ist im Grunde ganz einfach. Man muß nur drauf kommen: Die Chinesen können bei Nebel sehen.“

      „Wie bitte?“ fragten die Zwillinge wie aus einem Mund. Die Verblüffung stand wie ein großes Zeichen in ihren Gesichtern.

      „Ihr habt euch nicht verhört.“ Old Donegal sonnte sich darin, Zuhörer zu haben, die er noch dazu aus der Fassung bringen konnte. „Natürlich haben nicht alle Chinamänner solche besonderen Fähigkeiten. Das ist ihnen auch nicht angeboren, falls ihr so was denkt. Nein, irgendwelche Gelehrten haben bei ihnen etwas erfunden. Vielleicht irgendeine besondere Brille. Eine, mit der man durch Nebel und Dunst und was es sonst so gibt, hindurchblicken kann.“

      „Unmöglich“, sagte Philip. „Wenn es das gäbe, könnten es die Brillenmacher bei uns auch.“

      „Ach, nein!“ Old Donegal neigte spöttisch den Kopf. „Warum, bitte sehr, müssen wir dann nach China segeln, um Brandsätze zu beschaffen? Wenn wir auch alles können, was sie können, dann hätten wir ja nur ihre Brandsätze nachzubauen brauchen. Fragt doch mal den werten Mister Conroy, warum er dazu nicht in der Lage ist!“

      Die Zwillinge setzten ratlose Mienen auf.

      „Seht ihr“,


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