Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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aber doch eine der Nebenhöhlen, die eine Überraschung besonderer Art für sie bereithielt. Diese Entdeckung sollte eine Bemerkung widerlegen, die Jean Ribault während ihres Erkundungsganges traf.

      „Ich glaube, hier ist vor uns noch kein anderer Mensch gewesen“, sagte er. „Wir sind die ersten, die diesen Irrgarten betreten.“

      Don Juan stimmte ihm zu. „Ja, da bin ich ebenfalls sicher. Ich werde unsere Expedition später schriftlich festhalten. Was wir hier sehen, erscheint mir zu wichtig. Vielleicht werde ich auch eine Zeichnung von dem Höhlensystem anfertigen.“

      Der Lichtschein von Ribaults Laterne streifte eine der kleineren Höhlen linker Hand. Der Franzose warf einen flüchtigen Blick in das Innere, aber plötzlich stutzte er. Er blieb stehen.

      Auch die anderen verharrten.

      „Was ist los?“ fragte Old O’Flynn von hinten. „Stimmt was nicht?“

      „Da liegt was“, sagte Ribault.

      „Hölle“, sagte Renke Eggens. „Das sind ja – Knochen.“

      „Ein Gerippe mit Totenkopf“, präzisierte der Franzose. „Das Skelett eines Menschen.“

      „Heiliger Strohsack und Nepomuk!“ stieß Old Donegal hervor. „Los, laßt uns schnell wieder von hier verschwinden! Ich hab’s ja gewußt, es geht nicht mit rechten Dingen zu!“

      Jean Ribault schien nicht auf ihn zu hören. Er bückte sich ein wenig und drang in die Nebenhöhle ein. Der rötlichgelbe Schein seiner Laterne huschte zuckend über die Steinwände und die Decke der Grotte und bildete einen Lichtflecken auf dem Boden, in dessen Zentrum der „Knochenmann“ lag.

      Old O’Flynn sah das Skelett jetzt ebenfalls in aller Deutlichkeit. Fast stieß er ein Stöhnen aus, bezwang sich aber noch rechtzeitig. Heftig gruselte es ihn, und sein Kopf ruckte hin und her. Wo nisteten sie, die Dämonen der Finsternis? Hatten sie ihre Klauen schon nach ihm ausgestreckt? Lauerten sie nicht darauf, ihrer aller Blut zu saufen?

      Am liebsten hätte der Alte die Flucht ergriffen. Wäre er in der vorletzten Nacht auf diese Höhle gestoßen, hätte er sicherlich vollends durchgedreht. Warum, bei allen guten Geistern, drehten sie nicht einfach wieder um und verzogen sich aus dieser Höhle des Teufels? Mußten sie unbedingt das Grauen und die Mächte der Dunkelheit herausfordern?

      Jean Ribault war in diesem Punkt ein bedeutend härteres Kaliber als der alte O’Flynn. Vor Knochenmännern lief er noch lange nicht weg. Interessiert stand er in der Höhle und leuchtete sie voll aus.

      So entdeckte er neben dem Gerippe einige Kleinigkeiten, die seine Aufmerksamkeit und sein Interesse erregten.

      „Seht euch das mal an“, sagte er zu seinen Freunden. „Ist das nicht erstaunlich?“

      Don Juan de Alcazar schlüpfte zu ihm in die Höhle.

      „Tatsächlich“, entgegnete er. „Das sind steinerne Pfeilspitzen, knöcherne Angelhaken, Steinmesser und etwas Muschelschmuck.“

      „So was“, sagte O’Brien. „Da liegt ja wohl die Vermutung nahe, daß diese kleineren Höhlenkammern Totenkammern sind, oder?“

      „Untersuchen wir doch mal die anderen Nebenhöhlen“, schlug Jean Ribault vor. „Dann sehen wir ja, ob es noch mehr Skelette gibt.“

      „Seid ihr wahnsinnig?“ fragte Old O’Flynn erschaudernd. „Das kann doch nicht euer Ernst sein! Was kümmern euch die Knochenmänner?“

      „Das Labyrinth könnte ein Indianergrab sein“, erwiderte Don Juan. „Oder eine Kultstätte.“

      „Das ist mir völlig egal“, sagte der Alte aufgebracht. „Von mir aus kann’s auch eine Kirche sein. Egal. Knochenmänner bringen Unglück. Nehmt euch in acht! Ihr braucht gar nicht so dämlich zu grinsen.“

      Renke lachte leise. „Ich grinse nicht dämlich, ich wundere mich nur, daß du so abergläubisch bist, Donegal.“

      „Du kennst mich wohl noch nicht richtig, was?“ zischte der Alte. „Aber ich will dir etwas verraten, du Klugscheißer. Was du Aberglauben nennst, ist bei mir Klugheit und Verstand. Ich habe ein bißchen mehr Instinkt als ihr alle zusammen, und ich habe schon manche Katastrophe verhindert, wenn ich eins meiner Gesichter gehabt habe. Stimmt’s, oder habe ich recht?“

      „Beides“, erwiderte Jean Ribault. Er verließ die Nebenhöhle und forschte die anderen Seitenkammern ab. Doch hier gab es keine Skelette, auch keine Grabbeigaben oder wie immer man die Fundsachen nennen wollte, die bei dem Gerippe lagen.

      „Alles leer“, sagte Jean Ribault nach Abschluß seiner Suche. „Also gibt es nur den einen Toten.“

      „Oder das, was von ihm übriggeblieben ist“, sagte Old O’Flynn. „Ein elendes Gerippe. Wie wäre es, wenn wir uns wieder weiterbewegen würden? Wollt ihr ewig hier rumstehen und den Knochenkerl anstarren?“

      „Vielleicht erging es ihm, wie es fast unserem Donegal ergangen wäre“, sagte Don Juan.

      „Der?“ stieß Old O’Flynn hervor und deutete auf das Skelett. „Was soll das jetzt wieder heißen?“

      „Daß du aus dem Irrgarten nicht mehr herausgefunden hast“, erwiderte O’Brien nüchtern. „Ist denn das so schwer zu begreifen? Mit anderen Worten, du hättest hier verrecken können. Und dann wäre von dir auch nur ein Skelett übriggeblieben, dem allerdings ein Bein gefehlt hätte.“

      „Euch bereitet es wohl Spaß, mich zu verspotten“, sagte der Alte wütend. „Aber ich habe jetzt die Schnauze voll.“

      „Das muß vor vielen hundert Jahren gewesen sein“, meinte Jean Ribault. „Der arme Teufel verirrte sich hier und starb vor Hunger und Durst. Den primitiven Pfeilspitzen und den Angelhaken nach zu urteilen, stammt der Mann aus Urzeiten.“

      „Du und ich, wir waren noch nicht geboren, als der Kerl ins Gras biß“, sagte Old O’Flynn hämisch. „Also, warum sollen wir uns aufregen? Lebendig wird er sowieso nicht mehr.“

      „Manchmal hast du eine umwerfende Logik“, sagte Jean Ribault zu dem Alten.

      Dann schritten sie weiter – tiefer in das Labyrinth, obwohl es Old O’Flynn immer mulmiger zumute wurde.

      Der Grund, warum Jean Ribault so großen Wert darauf legte, das Höhlensystem in seiner gesamten Länge zu untersuchen, war seinen Männern bewußt – selbst Old O’Flynn, der beim weiteren Voranschreiten damit fortfuhr, die Fadenrolle abzuspulen. Es ging darum, ob das Labyrinth noch einen anderen Zugang hatte – oder vielleicht auch nur ein winziges Loch, das die Luftzufuhr sicherte.

      So waren Ribault, Renke Eggens, O’Brien, Don Juan und Old O’Flynn noch gut anderthalb Stunden in der unterirdischen „Geisterhöhle“ unterwegs. Jean Ribault gab sich erst zufrieden, als sie eine Stelle erreichten, an der es offensichtlich nicht mehr weiterging.

      Er leuchtete mit seiner Laterne auch wieder die Seitenhöhlen ab. Aber auch von ihnen aus führte kein Verbindungsstollen weiter, der möglicherweise wieder in einen der imposanten Tropfsteinsäle mündete, in denen sich das Licht an den bizarren Säulen brach.

      Jean Ribault drehte sich zu seinen Kameraden um. „So, das wäre es dann wohl. Kann hier einer von euch ein Ausstiegsloch erkennen?“

      Don Juan hatte auch die ganze Umgebung abgeleuchtet.

      „Nicht die Spur“, entgegnete er. „Es scheint nur den einen Eingang zum Labyrinth zu geben.“

      „Eine echte Falle“, brummte Old Donegal mit finsterer Miene. „Wer sich hier einmal verläuft, der verreckt auch.“

      „Für uns sind die Höhlen aber auf jeden Fall von Vorteil“, sagte Ribault. „Wir haben hier unzählige Möglichkeiten, unsere Schatzbeute zu lagern.“

      „Für mich ist der Fall klar“, sagte Renke Eggens. „Ich finde das Labyrinth gut. Geeignet für unsere Zwecke. Trotz des Knochenmannes.“

      „Wer schert


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