Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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vorn weggenommen und achtern wieder angesetzt. Es herrschte ständig Bewegung.

      Jean Ribault achtete darauf, daß nirgends eine „Schwachstelle“ auftrat. Wo ein Holz fehlte, gab er sofort den Befehl, es anzusetzen.

      Die „Golden Hen“ glitt mit ihrem Vorschiff auf das Ufer. Jean Ribault löste Ramsgate ab, und der Schiffsbaumeister überwachte die Arbeiten mit den Pallhölzern.

      „Hauruck!“ riefen die Männer wieder, und die Karavelle rutschte noch ein Stück näher auf den Sand.

      Insgesamt war es Kraftarbeit, aber mittels der mehrfach geschorenen Taljen verminderte sich der Kraftaufwand doch so, daß sie mit genügend Ausdauer in einem einzigen Arbeitsgang das Schiff aufs Ufer ziehen konnten. Unter Ramsgates Anweisungen gelang das Manöver perfekt – die „Golden Hen“ befand sich mit ihrem Vorsteven bereits auf dem Trockenen.

      Die Karavelle brauchte auch nur etwa bis zur Hälfte ihrer Rumpflänge auf den Strand gezogen zu werden. Das genügte, um das neue Ruder achtern am Steven einhängen zu können. Mulligan begab sich ans Werk. Das neue Ruder war fertig. Er brauchte die Trümmerreste des alten nur abzunehmen. Dann brachte er neue Ruderösen am Achtersteven an und erneuerte auch die Fingerlinge, die nicht mehr brauchbar waren.

      Beim Einhängen des Ruders standen ihm Tom Coogan und Jonny hilfreich zur Seite. So klappte auch diese Arbeit reibungslos – die „Hen“ hatte ihr nagelneues, solides Ruder.

      „So“, sagte Old O’Flynn. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Jetzt könnt ihr zur nächsten Hai-Ramming auslaufen, Leute.“ Er sah Jean Ribault an und grinste.

      Jean Ribault grinste nicht mit. „Findest du das witzig?“

      „Ach, es ist mir nur so eingefallen.“

      „Du mußt wohl immer schwarzmalen, wie?“ fragte Jean Ribault. „Aber kümmre dich lieber um deine Angelegenheiten. Paß auf, daß du nicht aus Versehen wieder in dein Geisterloch fällst, wenn du über die Insel tigerst.“

      Old O’Flynn schwieg mit verkniffenem Gesicht. Es brachte nichts ein, den Franzosen herauszufordern. Der war viel zu schlagfertig. Außerdem: Welchen Sinn hatte es? Viel wichtiger war, daß er so schnell wie möglich wieder mit Mary ins reine kam. Mißstimmungen konnten Schwangerschaften negativ beeinflussen, hatte ihm mal jemand erzählt. Wer? Der Kutscher – oder? Verdammt und zugenäht, warum war der Kutscher jetzt nicht hier?

      Die Männer nahmen die Gelegenheit wahr: Die eine Arbeit konnte mit einer anderen sinnvoll verbunden werden. Nachdem das Ruder eingehängt war, fingen sie an, auch gleich den Muschelbewuchs am Unterwasserrumpf zu beseitigen. Im übrigen untersuchte Ramsgate den Rumpf eingehend und entdeckte ein paar Stellen, die frisch kalfatert und geteert werden mußten.

      Da auch die Männer der „Wappen von Kolberg“ und der „Pommern“ mithalfen, ging die Arbeit zügig voran. Die einen kratzten die Muscheln und Algen von der Karavelle ab, die anderen stopften mit Kalfateisen geteertes Werg in die Ritzen des Rumpfes.

      Als das erledigt war, strich Mulligan mit einem dicken Pinsel Teer auf die Flächen. Damit war die „Golden Hen“ wieder einwandfrei in Schuß. Der Teer brauchte nur noch zu trocknen, dann konnte sie wieder ins Wasser der Bucht befördert werden.

      Noch am Nachmittag dieses Tages wurden die Taljen umgeschoren und dieses Mal vom Heck hinüber zum steileren Südstrand der Bucht verfahren. Am Abend, im Einsetzen der Dunkelheit, war es dann soweit: Alle Männer packten wieder mit an und zogen die „Golden Hen“ übers Heck ins Wasser.

      Dieses Mal ging es leichter. Unter kräftigem „Hauruck“ wurde gezerrt und geruckst, und die Männer mit den Pallhölzern hinderten das Schiff wieder am Krängen. Es knirschte, als die „Hen“ vom Sand des Ufers ins seichte Wasser glitt. Bald darauf schwamm sie frei.

      Die Männer johlten und pfiffen. Besonders Jean Ribault und seine Männer waren erleichtert. Sie waren um eine Sorge befreit.

      Die Pallhölzer wurden geborgen, ebenso die Taljen und die Leinen.

      „Der Rest wird morgen erledigt!“ verkündete Ribault dann mit lauter Stimme. „Jetzt gibt es erst mal eine Extraration Rum!“

      Nachdem der Anker der „Golden Hen“ geworfen war, ließ Ribault ein ganzes Fäßchen Rum an Land schaffen. Zwei Männer der „Pommern“-Crew entfachten ein Feuer, und wenig später hockten sie alle im Kreis zusammen, und es wurde tüchtig gefeiert.

      Old O’Flynn brachte seiner Mary, die noch an Bord der „Empress“ geblieben war, eine Muck Rum. Mary hockte bei Gotlinde und Gunnhild. Klein David war fest eingeschlafen, aber Thyra und Thurgil waren unruhig. Thyra weinte, Thurgil strampelte mit den Beinchen und gab seufzende Laute von sich.

      Um alle beide konnte sich Gotlinde nicht gleichzeitig kümmern. Mary nahm ihr Thyra ab und wiegte sie auf dem Schoß. Gotlinde summte ihrem Söhnchen ein Lied in ihrer Muttersprache vor, und bald nickte der Kleine ein. Aber auch Thyra verstummte jetzt.

      Thyra schlief ein, als der alte O’Flynn mit der Muck Rum an Bord enterte. Er sah das Kind auf Marys Schoß und blieb stehen. Irgendwie war er gerührt – oder ergriffen. Wenn er an den Nachwuchs dachte, wurde ihm ganz schwummrig ums Herz.

      „Na, übst du schon, Mary?“ fragte er mit etwas kratziger Stimme.

      Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Still. Sie ist gerade erst eingeschlafen. Willst du sie wieder aufwecken?“

      „Ich?“ brummelte er. „Nee.“

      „Was willst du, Mister O’Flynn?“ zischte Mary.

      Er schlich auf die Frauen zu und hielt Mary die Muck hin. „Da, trink einen Schluck. Es ist ein guter Tropfen.“

      „Rum?“ ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Dir geht’s wohl nicht gut? Eine werdende Mutter darf keinen Schnaps trinken. Willst du mich vergiften? Und das Kind?“

      Old O’Flynn begriff die Welt nicht mehr. Was war los? War denn alles verdreht? Vor lauter Verwirrung hätte er die Muck am liebsten selbst geleert, bezwang sich aber im letzten Moment. Der Henker mochte wissen, wie Mary darauf reagierte.

      „Mary“, schaltete sich Gotlinde schlichtend ein. „Ich habe den Eindruck, Donegal will so etwas wie einen Versöhnungsschluck mit dir trinken.“

      „So?“ Wieder musterte Mary ihren „Alten“. „Ist das der Grund für dein blödes Grinsen, Mister O’Flynn?“

      „Es ist kein blödes Grinsen, sondern ein fröhliches Lächeln, Miß Snugglemouse.“

      „Und darf man wissen, warum du so fröhlich bist?“

      „Weil wir Nachwuchs erwarten.“

      „Ich dachte, das paßt dir nicht“, sagte sie herausfordernd.

      „Ach, Unsinn, ich war nur – äh – völlig durcheinander“, sagte er. „So was passiert schließlich nicht alle Tage. Aber es wird ein kerniges Bürschchen, das weiß ich schon jetzt. Oder Zwillinge.“

      „Wer sagt dir, daß es ein Junge wird?“ fragte Mary. „Was ist, wenn es ein Mädchen wird?“

      „Auch gut“, erwiderte er. „Wichtig ist nur, daß es Nachwuchs gibt, sonst sterben die O’Flynns eines Tages noch aus. Dan, dieser Lümmel, denkt ja nicht daran, also muß jemand anderes für die Erhaltung der Sippe sorgen.“

      „Aha.“

      „Mary Snugglemouse“, sagte Old O’Flynn. „Ich freue mich auf unsere Kinder. Ehrlich.“

      Sie gab Thyra an Gunnhild ab, stand auf und drückte ihrem „Alten“ einen lauten Kuß auf.

      „Na, dann ist ja alles klar“, sagte sie ein bißchen rauh, aber glücklich. „Und nun hör endlich auf, so schief dreinzuschauen. Trink endlich deinen Rum, sonst wird er schlecht.“

      Old O’Flynn strahlte.

      „Prost, Ladys“, sagte er, dann leerte er die Muck in einem Zug.


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