Seewölfe Paket 24. Roy Palmer
Wo soll er sich denn hier herumtreiben? Kann ja verstehen, wenn es hier eine Pinte gäbe, aber so …“
„Von seiner Pinte hat er schon den ganzen Tag gefaselt. Er denkt an nichts anderes mehr, seit er hier ist. Aber auf sein bloßes Wunschdenken hin wird niemand eine Kneipe gebaut haben, in der er jetzt hockt.“
„Trotzdem ist das, besorgniserregend“, sagte Jean Ribault. „Er kann gestolpert, hingefallen sein oder sich sonstwie verletzt haben. Vielleicht ist er völlig hilflos.“
„Hilflos – Donegal Daniel O’Flynn?“ fragte Mary spöttisch. „Den habe ich noch nie hilflos gesehen. Der sitzt herum und ärgert sich. Aber jetzt wird erst gegessen“, entschied sie resolut. „Deshalb lasse ich mir den Appetit nicht verderben, nur weil Mister O’Flynn im Schmollwinkel hockt. Danach werde ich den alten Querkopf suchen.“
Mary wandte sich den beiden anderen Frauen zu, während der Franzose sehr nachdenklich ins flackernde Feuer sah. Er drehte sich zu Martin um und stieß ihn leicht an.
„Warum sitzt Mister O’Flynn denn im Schmollwinkel?“ fragte er. „Was hat es da gegeben? Hat Donegal wieder gesponnen?“
Martin vergewisserte sich erst, daß Mary auch nichts hörte. Zur Sicherheit senkte er seine Stimme noch zu einem Flüstern.
„Die beiden hatten heute vormittag einen Mordskrach, Jean. Ich habe nicht so genau mitgekriegt, um was es ging, aber sie hatten sich ganz schön am Wickel. Nach dem Krach war Donegal mordsmäßig in Fahrt, du kennst ihn ja. Wenn er sauer ist, kann man mit ihm nicht mehr vernünftig reden.“
„Und dann?“
„Er schnappte sich die Jolle und haute ab zum Land. Da verschwand er wie ein angestochener Büffel im Buschwerk.“
Jean Ribault verbiß sich das Grinsen. Na, das war mal wieder was mit den O’Flynns. Ehekrach, Radau und Rabatz, was? Kein Wunder, daß der Alte dann fluchtartig und verbiestert das Weite gesucht hatte.
„Wir werden ihn zusammen suchen“, sagte Jean Ribault zu Mary, wobei er erneut sein Grinsen unterdrückte. Er zwinkerte Mary zu und lächelte galant und harmlos. „Hat es ein kleines Mißverständnis zwischen euch gegeben?“ fragte er dann sanft.
Auch alle anderen spitzten die Ohren und sahen Mary erwartungsvoll an. Scheint sich etwas Pikantes anzubahnen, dachte Renke Eggens, der sich eins grinste.
Mary stand da, sah die Männer an, hatte die Fäuste in die Seiten gestemmt und das energische Kinn trotzig gereckt. Ihr langes rotes Haar flatterte wie eine Fahne aus Kupfer im Wind. Sie war ein Prachtweib, vollbusig und kernig, um das jeder den alten Zumsel O’Flynn lebhaft beneidete.
„Ja, wir hatten ein Mißverständnis“, sagte sie offen und ehrlich und mit kratziger Rauchstimme. „Ich habe meinem lieben Mister O’Flynn nämlich mitgeteilt, daß er Vaterfreuden entgegensähe. Und diese Mitteilung muß ihm wohl den Verstand geraubt haben.“
Ribault hatte gerade einen riesigen Schluck Wein genommen. Jetzt zuckte er so heftig zusammen, daß er den Wein in einer gewaltigen Gischtwolke ausstieß. Er blies wie ein Wal und erstickte fast. Dann schüttelte ihn ein krampfartiger Husten.
Renke Eggens fiel die Languste aus der Hand und landete im Sand. Und damit sie nicht so trocken dalag, stieß er auch noch seinen Bierhumpen vor Überraschung um.
Die anderen waren von dieser Mitteilung total überrascht und hockten da wie die steinernen Männchen in der Tropfsteinhöhle.
Sieh mal an, Old Donegal hat was auf Kiel gelegt, dachten die meisten. Stumm starrten sie Mary an, die immer noch wie eine Siegesgöttin dastand.
„Das – das ist doch kein Grund, einfach abzuhauen“, sagte Jean Ribault fassungslos. „Er hätte sich doch freuen müssen.“
„Er hat sich auch sehr gefreut“, sagte Mary spöttisch, „vor Freude kriegte er sich selbst nicht mehr ein. Als ich ihm das sagte, faselte er nur von seiner Pinte, alles andere interessierte ihn nicht. Und darauf hatte dieser sture Holzkopf die Stirn, einfach seine Vaterschaft anzuzweifeln. Das war dann wirklich die Höhe“, sagte Mary empört.
„Allerdings“, gab Gotlinde zu. „So hat sich ja nicht einmal Thorfin benommen, als er das erfuhr. Der hat nicht mal seinen Helm abgesetzt, sondern sich nur daran gekratzt.“
„Das ist doch immer noch kein Grund, einfach zu verschwinden“, sagte der Franzose erstaunt. „Was hast du ihm denn erwidert, als er das bezweifelte?“
„Ich habe die Bratpfanne genommen“, erklärte Mary in schönster Offenheit, „und sie ihm über seinen verdammten Schädel gehauen. Daraufhin ist er voller Wut ausgerissen.“
Nur einen Lidschlag lang herrschte Totenstille. Dann wurde es am Strand lebendig und so laut, daß fast Old O’Flynn in seiner unterirdischen Grotte erwacht wäre.
Die Kerle brüllten los, daß sich die Palmen bogen. Ribault lachte so entsetzlich laut, daß er kaum noch Luft kriegte. Renke Eggens bog sich, und dann dröhnte ein Gelächter zum Abendhimmel, wie es über die Cherokee-Bucht noch nie gehallt war. Das Gelächter nahm kein Ende, denn jeder stellte sich lebhaft vor, wie Mary ihrem kauzigen Alten kurzerhand die Bratpfanne auf den Schädel gedonnert hatte.
Da war vielleicht was los!
„Vielleicht hockt er jetzt kummervoll auf einer Palme und pflegt seine Beule“, sagte Jean, der sich immer noch nicht beruhigen konnte. Bei dieser Vorstellung ging das Gelächter erneut los. Auch Gunnhild und Gotlinde amüsierten sich köstlich.
Mary kicherte, aber da war Jean Ribault schon heran, riß sie an sich, schwenkte sie einmal im Kreis und gab ihr einen herzhaften Kuß.
„Das ist die schönste Nachricht seit dem Untergang der Schlangen-Insel!“ brüllte er und schwenkte Mary noch einmal herum. „Wirklich, wir freuen uns alle mit dir, das ist auch eine gelungene Überraschung. Und Old Donegal ist ein muffliger Riesenhirsch, das sei hier auch gleich gesagt. Abe dem werde ich seine Flausen schon noch austreiben.“
Die Gratulanten überstürzten sich fast, drückten Mary die Hände und freuten sich aufrichtig. Auch die beiden Frauen fielen Mary voller Freude um den Hals.
Die geborene Snugglemouse wurde so rot wie ihr Haar und ganz verlegen. Sie spürte deutlich, daß ihr hier echte Freude und Zuneigung entgegenschlug, und das entschädigte sie doch etwas für die Muffeleien des alten O’Flynn, der kurzerhand abstritt, demnächst Vater zu werden, und selbst nicht daran glauben wollte.
„Ich danke euch“, sagte sie bewegt. „Aber jetzt sollten wir vielleicht doch nach dem neugebackenen Väterchen in spe suchen und ihm seine Grummeleien austreiben. Der Kerl muß ja auch schon halb verhungert und verdurstet sein.“
Womit sie allerdings recht hatte – aber auf eine andere Art.
10.
Etwas später waren die Langusten verspeist, und jetzt brannten alle darauf, „Väterchen“ O’Flynn zu suchen. Einige hatten sich schon ernsthaft vorgenommen, dem alten Zumsel gehörig die Leviten zu lesen, denn wo gab es denn so was, daß dieser Brummbär erst beleidigend wurde und dann auskniff, nur weil ihn wegen seiner Frechheiten mal eine Bratpfanne gestreift hatte. Geschah ihm recht, dachten sie schadenfroh, das hatte er nun davon. Sie alle standen wie ein Mann in dieser Hinsicht auf Marys Seite. Die beiden Frauen natürlich auch.
Gotlinde behauptete sogar, sie hätte ihrem nordischen Hirsch den Helm so platt geklopft, daß er ihn nie mehr vom Schädel gekriegt hätte.
Daraufhin brach noch einmal ein wildes Gelächter los, und die Kerle konnten sich kaum beruhigen.
„Weißt du genau die Stelle, wo dieser Büffel an Land gegangen ist?“ fragte Jean Ribault den Bootsmann der „Empress“. „Dann nehmen wir Fackeln mit und gehen seinen Spuren nach.“
„Ja, ich habe genau gesehen, wie er durch das Gestrüpp flitzte. Es wird nicht schwer sein, den Spuren zu folgen.“
Die