Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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      Das Knistern rührte aus dem Gestein her, und die Funken hatten sich von dem Eichenholz seiner Fackel gelöst. Erleichtert setzte er seinen einsamen Weg fort. Aus zusammengekniffenen Augen spähte er scharf nach vorn in die Dunkelheit. Ihm war so, als steige der Boden jetzt leicht an. Oder irrte er sich?

      Bevor seine Fackel ausging, hockte er sich auf den Boden und begann fluchend damit, neue lange Späne mit dem Messer zu schnitzen. Noch gab das Holzbein einiges her, aber einmal würde damit Schluß sein.

      Er ahnte, daß dann auch für ihn Schluß war, denn dann gab es keinerlei Orientierung mehr.

      Als er einige Späne abgehobelt hatte, entzündete er den nächsten Span, klemmte sich den Rest unter den Arm und leuchtete weiter sein Umfeld ab.

      Zurück oder voraus? fragte er sich verzweifelt. Wo befand sich die Rutsche, der Einstieg oder Ausgang? Er hatte das Gefühl, als bewege er sich ewig im Kreis und finde nie ein Ende.

      Er mußte seinen zurückgelegten Weg markieren, sonst lief er hoffnungslos in die Irre.

      Markieren, dachte er bitter – womit? Mit den Splittern von seinem Holzbein? Die brauchte er notwendiger denn je. Steine zum Sammeln gab es hier auch nicht, hier lagen keine herum.

      Hm, die hohlklingenden Zapfen, die von der Decke hingen. Das wäre eine Möglichkeit. Er würde nur die kleinen nehmen, die wie Eiszapfen aussahen. Damit konnte er eine Strecke markieren. Sie würden auch nicht so ein fürchterliches Getöse verursachen, wenn er sie abschlug.

      Er setzte seinen Gedanken sogleich in die Tat um. Mit dem Rest des Holzbeines holte er kraftvoll aus und schlug es an einen Zapfen, der über ihm baumelte.

      Es war, als würden zarte Glocken geschlagen. Ein hellklingender Ton war zu hören, aber dann folgte das dicke Ende. Als der Zapfen herunterpolterte, begann es zu dröhnen und zu splittern. Eine Kakophonie von grellen Tönen pflanzte sich durch die Höhle fort.

      Old O’Flynn war von diesen „Weltuntergangsgeräuschen“ nicht gerade entzückt. Er hatte immer das Gefühl, als würden nach dem Radau sämtliche versteinerten Geister erwachen und Jagd auf ihn veranstalten, weil er ständig ihre jahrtausendealte Ruhe störte.

      Eine Welle noch war das klingende Echo zu hören, dann verlor es sich in dem Labyrinth.

      Dieser zersplitterte Zapfen aber hatte ihm eine Menge Steinchen beschert, die alle schön glitzerten. Die Bruchstellen schimmerten weißlich. So legte er sie sorgfältig hinter sich aus und vergewisserte sich auch, daß er sie auf Anhieb wiederfand.

      Na, das Problem war zumindest gelöst. Jetzt konnte er weitersuchen, bis er einen Ausgang entdeckte. Er war jetzt wieder voller Zuversicht und Selbstvertrauen.

      Er schätzte, daß er wohl mindestens eine halbe Stunde auf allen „dreien“ gekrochen war und ständig neue Gärten und Landschaften entdeckt hatte. Aber er sah den Kerl in der roten Robe nicht wieder und fand auch den riesigen Zapfen nicht mehr, der bei seiner Umklammerung von der Decke gestürzt war.

      Hieß das, er bewegte sich immer tiefer in diese Höhle ohne Ende hinein? Entfernte er sich von der „Rutsche“? Oder näherte er sich ihr?

      Dieser Gedanke stimmte ihn wieder verdrießlich, und so hielt er inne, um in Ruhe zu überlegen. Er fand keine Lösung.

      Voller Wut knallte er wieder einen Zapfen ab, der in kleine Teile zersplitterte. Ein paar fielen ihm ins Genick, und ausgerechnet der größte Brocken landete ziemlich unangenehm auf seinem Schädel.

      „Verdammt, was hab’ ich denn verbrochen, daß mir dauernd was auf die Rübe fällt?“ zeterte er los. „Die ist sowieso schon matschig geworden von den vielen Treffern.“

      Vor sich hin schimpfend, legte er wieder die weißlichen Trümmer aus. Das alles strengte doch sehr an. Da mußte er die Fackel halten, da mußte er Zapfen abschlagen und sorgfältig auslegen, dann Späne schnitzen und schließlich höllisch aufpassen. Dazu hüpfte er meist einbeinig herum oder kroch auf dem Boden. Schweißtreibend war das, eine höllische Sache, die übermenschliche Anstrengung erforderte.

      Sein Durst wurde stärker, und auch den Hunger spürte er als unangenehmen Begleiter. Das ließ ihn grantig und fuchtig werden, und weil er immer noch keinen Ausgang fand, wurde er langsam wild.

      Als ihn unvermittelt wieder ein Männchen mit einem Wasserkopf und einer langen Triefnase angrinste, nahm er voller Wut sein Holzbein und drosch ihm was auf die lange Nase.

      Der Riechkolben des häßlichen Männchens flog davon, und weil es immer noch hämisch grinste, zog ihm Old O’Flynn auch noch eins über den dicken Wasserkopf.

      Das Männchen gab ein knirschendes Geräusch von sich. Sein Schädel zersplitterte und zersprang, und Old O’Flynn glaubte, ein leises Jaulen zu hören. Ob das vielleicht auch ein versteinerter Kerl aus der sündigen Stadt Sodom war? Na egal, er hätte ihn ja auch nicht erschrecken und vor allem nicht so dämlich angrinsen sollen. Das hatte er jetzt davon.

      Einmal entdeckte er eine Formation, die aus grellroten Stalagmiten bestand. Sie standen dicht an dicht wie die Orgelpfeifen aufgereiht und strebten nach oben. Als er den Kopf in den Nacken legte und die Fackel höher hob, sah er, daß eine Unmasse grüner Zapfen von der Decke den roten entgegenwuchsen. Zwei hatten sich schon so weit genähert, daß kaum noch ein Finger zwischen sie paßte. Drei oder vier andere waren bereits zusammengewachsen.

      Er bestaunte sie ausgiebig und sah auch weiter unten einen muldenförmigen Trog, in den ständig von der Decke Wasser tropfte.

      Da grinste er zum ersten Male seit langer Zeit wieder.

      „Dann muß hier auch der Hexenmeister stehen“, folgerte er, „und das ist die Badewanne, in der ich gelegen habe. Dem heiligen Elmo sei Dank! Er hat mich wieder zurückgeführt.“

      Aber da war keine Rutsche, wie er entsetzt feststellte. Zwar stand da ein ähnlicher Kerl wie der in der roten Robe, aber doch war alles ganz anders. Verzweifelt sah er sich nach einem Ausgang um, untersuchte die Wände, klopfte überall herum, leuchtete – nichts!

      Das war ein harter Schlag unter die Gürtellinie. Er nahm auch sofort erbittert fluchend seinen voreiligen Dank an St. Elmo zurück und bezeichnete ihn schimpfend als den größten Affenarsch aller Meere, und er solle sich, verflucht und zugenäht, nie wieder auf der „Empress“ blicken lassen, wenn er keine Prügel beziehen wolle.

      So war Old O’Flynns Stimmung heute: himmelhoch jauchzend, dann wieder zu Tode betrübt und verbiestert.

      Dieser Sankt Elmo scheint ohnehin eine heimtückischer Geselle zu sein, überlegte Old O’Flynn etwas abstrus. Erst ließ der Kerl sich nicht blicken, wenn man dringend seiner Hilfe bedurfte, und wenn er dann doch erschien, versteckte er die „Rutsche“ und ließ sie unsichtbar werden, damit er nicht mehr hinausfand.

      Beim nächsten Gewitter würde er wieder auf der Gaffelrute hocken und sein blaues Wunder erleben. Mit der Muskete würde er diesen Bastard abknallen, jawohl!

      Jetzt hatte er schon zentnerweise Markierungen ausgelegt und war trotzdem nicht weiter oder schlauer als zuvor. Die Höhle schien tatsächlich keinen Anfang und kein Ende zu haben.

      Dennoch stapfte er wütend weiter und fluchte in Gedanken allen Heiligen die Knochen ab. Nichtsnutziges Pack war das, das sich teure Kerzen stiften ließ und dafür keinen Finger rührte.

      „Schmarotzer, Parasiten!“ wetterte er laut.

      Immer weiter ging es, mitunter recht mühsam, dann wieder über eine ziemlich glatte Fläche. Die Höhle nahm und nahm kein Ende, es war zum Verzweifeln.

      Jetzt mußte mindestens nach seiner Schätzung eine weitere Stunde vergangen sein, eine qualvolle Stunde voller Angst und Schrecken.

      Die Angst trieb ihn dennoch immer weiter, denn wenn er nicht bald einen Ausgang fand, war er verloren. Es wußte ja auch niemand, wohin er gegangen war. Hals über Kopf war er losmarschiert und hatte die Jolle am Strand einfach liegenlassen. Das ging ihm jetzt durch den Kopf, und er bereute, daß er so voreilig gehandelt hatte.

      Zu


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