Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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hing.

      Glück zu, das ist die Rettung, dachte er. Er packte den Zapfen mit aller Kraft und klammerte sich daran fest. Der Zapfen wackelte ein bißchen, dann knirschte es in großer Höhe, und Old O’Flynn hielt ein tonnenschweres Ding in den Armen, dessen Gewicht naturgemäß seine Kräfte überstieg.

      Der Zapfen donnerte auf den Boden, stand da für einen Augenblick und fiel dann um wie ein gefällter Baum. Was Old O’Flynn dann an Geräuschen zu hören kriegte, vergaß er sein ganzes Leben lang nicht.

      Zuerst war da ein Singen in der Luft, dann ein urweltliches Knirschen, als würde die Welt aus den Angeln gehoben. Danach splitterte es, und durch den fürchterlichen Krach schienen auch die anderen Schläfer aufgeschreckt zu sein, denn jetzt brüllten, tobten, keiften und schrien sie alle wüst durcheinander.

      Die Riesen unter ihnen brüllten mit Donnerstimme ihre Empörung hinaus, daß es ein Frechling wage, sie zu stören. Die Trolle und Gnomen schimpften mit schrillen Stimmen, die Wichtelmänner und Zwerge keiften wild, die Hexe kreischte, und der Kerl in der roten Robe, dem der Zaubergarten gehörte, gebärdete sich am tollsten. Er stieß Flüche aus, die in seinem Mund explodierten wie Fässer voller Schießpulver.

      Dann war da nur noch ein Krachen und Bersten, ein fürchterliches Splittern, als würde eine ganze Armada in Klump geschossen.

      Old O’Flynn hatte die Unterwelt aufgescheucht und die Weltesche aus den Angeln gehoben.

      Das war einfach zuviel für seine strapazierten Nerven. Das hielt kein Mensch aus, mochte er auch noch so hart im Nehmen sein.

      Über dem Schreck, dieses Chaos verursacht zu haben, fiel er wieder in Ohnmacht. Diesmal verlor er vor Angst die Besinnung, denn was er angerichtet hatte, war einfach zu schrecklich.

      Um ihn herum splitterte und barst es, als sich der Stalaktit in einem Trümmerregen auflöste und brockenweise davonflog.

      In Wirklichkeit war es nur ein kleiner Stalaktit, nicht mal so groß wie Old O’Flynn selbst. Und sein Fall hob auch nicht die Welt aus den Angeln. Es war nur das Echo in der gewaltigen Tropfsteinhöhle, das alles verstärkte, verzerrte und viel schlimmer klingen ließ, als es war.

      Aber das wußte Old O’Flynn nicht. Für ihn war die ganze Unterwelt schlagartig zusammengebrochen.

       7.

      Old Donegal hatte überhaupt kein Zeitgefühl mehr, als er das zweitemal erwachte. Er wußte nur, daß es einer der lausigsten Tage in seinem Leben war, der kein Ende zu nehmen schien.

      Er hatte sich bereits entsagungsvoll von der Welt abgenabelt, doch jetzt war er wieder da.

      Allerdings war er jetzt auch etwas nüchterner geworden und sah das alles in einem etwas anderen Licht. Zurückzuführen war das hauptsächlich auf die Erfahrungstatsache, daß ihn weder die Männchen mit den Kalbsköpfen gefressen noch der orgelspielende Riese erschlagen hatte.

      In der riesigen Höhle war auch wieder Ruhe eingekehrt, bis auf das leise, monotone Plätschern.

      Aber deswegen war ihm das noch lange nicht geheuer. Immerhin befand er sich in einer anderen Welt, wie sie – seiner Meinung nach – noch nie ein Mensch vor ihm gesehen hatte, Äußerste Vorsicht war also immer noch angebracht.

      Einigermaßen gefaßt, überlegte er, daß es langsam Zeit wurde, von hier zu verschwinden. Er konnte nicht ewig hier hocken bleiben und warten, bis etwas geschah. Folglich mußte er selbst die Initiative ergreifen, und zwar so bald wie möglich.

      Mit wachen Sinnen lauschte er in die Dunkelheit. Dann riskierte er, sich leise zu räuspern. Er lauerte darauf, daß sich jetzt auch jemand räuspern oder irgendwie bemerkbar machen würde. Da das nicht der Fall war, wurde er etwas mutiger. Das begann meist damit, daß er seine Selbstgespräche wiederaufnahm, die mitunter in recht kuriosen Sätzen gipfelten.

      „Da fallen mir doch glatt die Schindeln vom Dach“, brummte er, während er mit der rechten Hand nach den Trümmern seines Holzbeines suchte. Flint, Stahl und Zunder hatte er vorsorglich wieder in die Taschen gestopft. Jetzt holte er das Zeug heraus.

      „Ah, da ist es ja“, brabbelte er. „So, jetzt geht’s wieder hinaus aus diesem Medusengarten. Mir langt es. War ja mal fein, das alles gesehen zu haben.“

      Er fuhr verstört hoch, als ein Wassertropfen eiskalt auf seiner Nase landete.

      Diesmal klang sein Räuspern schon etwas zaghafter. Aber es war nur ein Wassertropfen, wie er feststellte.

      Endlich erwischte er auch die Überreste seines Holzbeines. Auch das Messer hatte er noch.

      Er hockte sich etwas bequemer hin und säbelte in der Finsternis weitere lange Späne ab. Dabei überlegte er immer wieder, wie spät es wohl sein mochte. Wie lange war er besinnungslos gewesen?

      Waren inzwischen schon Tage vergangen oder erst ein paar Stunden?

      Seinem Hunger und Durst nach zu urteilen, mußte doch schon etliche Zeit verstrichen sein. Am Vormittag hatte er die Bratpfanne auf den Schädel gekriegt, und dann war er losgestiefelt. In den Zaubergarten war er höchstens eine halbe Stunde später gefallen.

      Da half alles nichts, er fand sich in der Zeit einfach nicht zurecht. Ein bißchen müde war er von den vielen Anstrengungen, und Durst hatte er auch. Doch darin sah er kein Problem. Hier war es feucht und plätscherte es auch ständig, infolgedessen würde es sicher irgendwo eine kleine Quelle oder ein Rinnsal geben.

      Seine Zuversicht stieg wieder, denn noch immer unternahm niemand Anstalten, ihn zu fressen, zu erwürgen oder zu erschlagen. Vielleicht schliefen die Riesen hier unten wirklich, oder sie waren im Laufe der Zeit zu Stein erstarrt.

      Das gab es ja, beruhigte er sich. Pater David hatte da mal ein Beispiel erzählt, und das stammte schließlich aus dem Alten Testament.

      Da war Lot, der Neffe Abrahams, der den Untergang von Sodom überlebt hatte und mit seinem Weib auszog. Hm, der Herr hatte ihnen ausdrücklich verboten, sich nach Sodom umzuwenden. Aber neugierig, wie Lots bessere Ehehälfte nun mal war, konnte sie ihre Neugier nicht mehr bezähmen und drehte sich um.

      „Peng“, sagte Old O’Flynn nachdenklich, „und schon war sie zur Salzsäule erstarrt. So schnell ging das. Ei, orgelspielender Riesenhirsch! Ob das hier vielleicht genauso ist? Ha, da hätte ich ja die Entdeckung des Jahrtausends gemacht.“

      Er wurde richtig rappelig und fuchtig, als er den Faden weiterspann.

      Salzsäulen, was? Erstarrte Riesen, Zwerge, Gnomen. Gab es ja früher alles mal, und er sah sie ja selbst vor sich. Ob das hier vielleicht gar die Stadt Sodom selbst war, über die es Feuer und Schwefel geregnet hatte?

      Natürlich war sie im Laufe der Zeit ein bißchen abgesackt, aber diese wundersamen Gestalten gaben ihm doch zu denken. Er beschloß, das alles sehr ausführlich mal Pater David zu erzählen oder zu zeigen. Der Bibelmann mochte dann selbst entscheiden, ob es sich um die besagte Stadt handelte.

      Sehr aufgeregt über seinen archäologischen Funde, entzündete er jetzt mit Eifer den nächsten Span, hielt ihn hoch und äugte mißtrauisch in alle Richtungen.

      Da hockte immer noch der Riese an der Orgel. Und die steinernen bärtigen Gesellen standen im Hintergrund und warteten geduldig darauf, daß er endlich anfing zu orgeln. Aber dann mußten Feuer und Schwefel über die Bande gekommen sein, und sie waren erstarrt. Klar, daß sie dann nicht mehr singen konnten.

      Da drüben an der Wand stand auch so ein Kerl, der ein so verderbtes Gesicht wie ein Rübenschwein hatte. Das schien früher mal ein ganz spezieller Rabauke gewesen zu sein, und so hatte der Herr ihn in seinem Zorn zur Säule erstarren lassen.

      Old O’Flynn rutschte auf den Knien weiter, vergaß aber nicht, die Überreste seines Holzbeines sorgfältig aufzulesen und mitzunehmen. Ganz kribblig war er jetzt über seine Entdeckung.

      Da hingen unglaublich mächtige Säulen von der Decke, die er immer noch nicht sah.

      Er


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