Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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      Ein zweiter Versuch verlief ähnlich. Wieder gab es einen klingenden Ton, hohl und geisterhaft. Es war wie eine Stimme, die anfangen wollte zu singen, doch sie erstarb gleich wieder.

      „Geschieht euch Kerlen recht“, sagte Old Donegal, „warum habt ihr auch so in Sodom gehaust! Jetzt seid ihr steinalt und könnt trotzdem nichts mehr anfangen.“

      Mit dem Zeigefinger betupfte er seine Zunge, dann rieb er ihn an der Säule und führte ihn wieder zurück.

      Jetzt war für ihn alles klar. Einwandfrei waren das Salzsäulen, zumindest diese hier. Eklig salzig schmeckte der Stein. Muß schon ein paar tausend Jahre alt sein, der Bursche, überlegte er. Na, da konnte Pater David aber Studien treiben. Die ganze Welt würde diese Entdeckung umwerfen. Vielleicht mußte er später sogar zum Papst, um einen Augenzeugenbericht vorzulegen.

      Wie benommen rutschte er weiter, den Span hochhaltend und sich nach allen Seiten umblickend.

      Hin und wieder fuhr er heftig zusammen, wenn Gestalten in den Wänden erschienen, versteinerte Figuren mit traurigen, gramvollen oder wütenden Gesichtern. Eine war dabei, die ähnelte fast verblüffend ein bißchen dem guten Mac Pellew. Ein richtiger Trauerkloß war das, der alles Leid der Welt gepachtet hatte. Er schaute so grämlich drein, daß Old O’Flynn schon versucht war, ihm tröstend zuzureden.

      Aber das ist vielleicht Frevel, dachte er, denn der Herr hat diese Rabauken ja nicht umsonst zur Räson gebracht. Die mußten allerlei auf dem Kerbholz haben.

      Solche und ähnliche Gedanken bewegten ihn, als er auf den Knien weiterrutschte, mal heftig erschrak, hin und wieder aber vor Staunen nicht mehr den Mund zubrachte.

      Als er an einem alten Zausel vorbeikam, der ihn aus der Wand grimmig anstarrte, verhielt Old O’Flynn. Der Kerl sah richtig gemein aus. Seine Augen hatten sich verschoben, und er glotzte böse. Sogar seine Faust war noch in der Wand verkrallt. Er sah aus, als wollte er nach Old O’Flynn schnappen.

      „Ha, du nicht mehr, du Hurenbock! Hättest du ein anständiges Leben geführt, aber so …“

      Die Leute von Sodom müssen ein recht sündiges Völkchen gewesen sein, überlegte er. Die hatten von Moral und so überhaupt nichts gehalten. Deshalb war auch der Zorn des Herrn durchaus verständlich.

      Vor ihm tauchte eine weitere Grotte auf, eine riesige Höhle, in der es prachtvoll schimmerte. Von einem großen Tropfen rann pausenlos das Wasser zu Boden und versickerte in einer Spalte.

      Er verspürte wieder Durst, hielt die Hand darunter und sammelte ein paar Wassertropfen. Er trank sie gierig, spie sie dann aber in hohem Bogen aus. Krächzend und hustend schüttelte er sich.

      Teufel, Teufel auch, das Zeug schmeckte wie Galle mit Salz, so ekelhaft, daß es ihn würgte.

      Er rutschte weiter an riesigen farbigen Wülsten vorbei, bewegte sich durch einen Vorhang aus schillernden langen Steinen und fand sich eingeklemmt zwischen mächtigen Säulen, riesigen Bärten, fackelähnlichen Gebilden und langen Zapfen, die aus dem Nichts nach unten wuchsen.

      Wenn er schnaufte, dann hörte er es gleich darauf aus allen Ecken und Winkeln der großen Grotte fürchterlich zurückschnaufen. Dann schienen die erstarrten Gestalten zu leben und sich zu bewegen.

      Aber auch daran gewöhnte er sich nach und nach. Nur einmal erschrak er noch heftig, als ihn eine Ansammlung dicker Köpfe anstarrte, Ferkelgesichter, Kalbsköpfe, Fischgesichter oder ein gebückt dastehender Greis, dem Wurzelmuck wie aus dem Gesicht geschnitten.

      Verdammt, es begann wieder recht unheimlich zu werden. Hier mußte es doch aber irgendwo einen Ausgang geben. Oder wenn es den nicht gab, dann mußte er eben jene Rutsche suchen, durch die er hinabgesaust war.

      „Haha, verdammte Rutsche“, sagte er leise. Das schien bei ihm schon eine Veranlagung zu sein, auf solche Dinge zu stoßen. Das war jetzt das zweite Mal, daß er eine „Rutsche“ entdeckte. Nach der ersten hatte er auf der Schlangen-Insel seine Kneipe benannt. Jetzt war er wieder durch eine Rutsche gesaust. Er fand solche Höhlen schon fast mit traumwandlerischer Sicherheit. Wie ein Spürhund, der extra darauf abgerichtet ist.

      Unermüdlich arbeitete er sich weiter voran, immer wieder einen Span entzündend, sobald der eine erloschen war. Sehr lange wird das Holzbein nicht mehr halten, dachte er besorgt. Ehe das Holz verbraucht war, mußte er einen Ausgang gefunden haben. Ging ihm erst das Licht aus, dann fand er sich in diesem Irrgarten überhaupt nicht mehr zurecht.

      Ständig hatte er das Gefühl, sich in einer riesigen Kathedrale zu befinden, einem gewaltigen gewölbten Dom, der ein einziges Labyrinth voller Schrecknisse war.

      Einmal blieb er hocken und starrte auf eine Wand, aus der riesige Bärte quollen, Brüstungen, Säulen und Wülste. Zwischen zwei Wänden verengte sich der Gang und wurde zu einem schmalen Steig. Aber gleich darauf erweiterte er sich wieder. Hinter ihm verschwanden dicke Säulen in der Dunkelheit, vor ihm flackerte es gespenstisch.

      Hatte er diesen Weg schon einmal zurückgelegt? Er überlegte krampfhaft, dann schüttelte er den Kopf. Schwer zu sagen zwischen all diesen aufwuchtenden Säulen oder herabhängenden Tropfen.

      Kopfschüttelnd stieß er weiter vor.

      Mary wird staunen, wenn sie hört, was ich alles erlebt habe, dachte er. Dann zuckte er zusammen, denn seine „Drillinge“ fielen ihm ein. Die armen, bedauernswerten Kleinen! Wenn ihr Vater hier aus dieser verdammten Höhle nicht mehr herausfand, dann mußte er elend verhungern oder verdursten.

      So ein Witz – da es hier doch Wasser gab! Aber das war wie auf dem Meer, wo man inmitten riesiger Wassermassen auch hilflos verdursten konnte.

      Wieder landete er in einem Irrgarten voller Monster, die, aus ihrem jahrtausendealten Schlaf geschreckt, ihn neugierig anstarrten. Lange gekrümmte Giftzähne glaubte er zu erkennen, monströse Gebilde mit abscheulichen Köpfen, die Rachen aufgerissen, aus denen gierig der Geifer tropfte.

      Bewegungslos starrte er sie eine Weile an, dann suchte er weiter.

      Hm, er war durch eine Art Rutsche gesaust, auf der es ziemlich schnell bergab gegangen war. Er entsann sich noch seiner Rutschpartie. Demzufolge müßte er auf dem gleichen Weg auch wieder zurückkehren können. Also mußte er aufwärts, empor. Aber hier ließ sich nicht mal richtig feststellen, ob der Boden anstieg oder sich senkte. Mal schien es bergan zu gehen, dann wieder unmerklich tiefer in den Berg hinein, oder was immer diese Kathedrale auch war.

      „Verdammt noch mal“, brummte er heiser, „hier soll sich einer zurechtfinden.“

      Wo war denn der Hexenmeister, den er anfangs gesehen hatte, und wo die abscheulichen Kalbsköpfe oder der orgelspielende Riese?

      Er hielt die Fackel hoch über seinen Kopf und sah sich sehr genau nach allen Seiten um. Er hätte fast resigniert, denn er stellte fest, daß er sich in diesem Geisterbau wohl doch hoffnungslos verirrt hatte.

      Bei jedem Stück, das er weiterrutschte, veränderte sich auch seine Umgebung. Selbst die Farben veränderten sich ständig und wechselten von Blau zu Grün oder Gold zu Rot. Hin und wieder war auch ein silbriger Schein in den Wänden zu sehen.

      Wenn Old O’Flynn sich etwas vorgenommen hatte, dann zog er das auch bis zur letzten Konsequenz durch. Die O’Flynns waren für ihre unglaubliche Zähigkeit und Ausdauer bekannt.

       8.

      Er rutschte weiter, immer noch etwas Angst im Herzen, weil er mit der Umgebung absolut nicht vertraut war. Seine Fackel erhellte immer nur ein winziges Stück, einen Ausschnitt. Er sah von dieser riesigen Höhle meist nur einen Teil der unglaublich verzogenen und verschachtelten Wände und verzog jedesmal das Gesicht, wenn ihn übergangslos eine Höllenfratze anblickte oder glühende Augen aus der Finsternis belauerten.

      Er hatte ohnehin immer das Gefühl, auch von unsichtbaren Augen bewacht zu werden, die jeden seiner Schritte sorgfältig registrierten.

      Als es einmal dicht neben seinem Ohr knisterte


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