Seewölfe - Piraten der Weltmeere 208. Kelly Kevin

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 208 - Kelly Kevin


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Lächeln spielte um seine Lippen, als er an die Stunden dachte, die sie gewonnen hatten.

      Der große Strom hatte viele und schnelle Wege. Und für die Mon hatte das Delta keine Geheimnisse. Es war nicht schwer, den unregelmäßigen Verlauf der Küste abzuschneiden und sogar ein Schiff zu überholen. Ein wenig Glück, dachte der junge Krieger. Wenn die Geister es gut meinten, würde das Volk der Mon schon bald seine Gegner schlagen.

      Schweigend sah Kyan zu, wie seine Gefährten das winzige Boot mit Mast und Segel bestückten.

      Es würde schnell sein, schnell wie der Strom, wenn er zürnte. Kyans Blick glitt zu dem funkelnden Sternenhimmel hinauf, um sich ein letztes Mal zu orientieren. Rasch kletterte er ins Boot und kauerte sich auf die Ducht. Mit ein paar Riemenschlägen trieb er das Fahrzeug ins offene Wasser, dann trimmte er das kleine Segel.

      Hart am Wind ließ er sich nach Westen tragen – dorthin, wo er im spitzen Winkel den Kurs der „Isabella“ kreuzen mußte.

      Die Küste versank hinter ihm. Reglos wie eine Statue saß der junge Mann auf der Ducht. Seine Augen suchten die Kimm ab und wanderten von Zeit zu Zeit nach Osten, wo die Sterne verblaßten und der Himmel bereits einen leichten Grauschimmer zeigte.

      Die ersten Sonnenstrahlen verwandelten den dünnen Morgendunst in einen spinnwebfeinen goldenen Schleier, als Kyan Ki die Mastspitzen erspähte.

      Seine Schultern strafften sich, die dunklen Augen leuchteten triumphierend. Seine Faust schloß sich um das kurze Handbeil, das er mitgenommen hatte. Mit drei, vier wuchtigen Schlägen kappte er den Mast und ließ ihn samt Segel über Bord gehen. Den Stumpf bearbeitete er mit dem Beilschaft, bis es aussah, als sei der Mast von selbst gebrochen. Mit den Fingern zerrte Kyan den Holzkeil aus dem kleinen Leck, das sorgfältig in die Beplankung getrieben worden war. Gurgelnd sickerte Wasser ins Boot. Gerade so viel, daß es genügte, mit einer zerbeulten Muck zu lenzen, um das Boot nicht absacken zu lassen.

      Als letztes griff Kyan Ki nach dem kurzen Dolch.

      Sein Gesicht blieb unbewegt, als er mit der Spitze die eigene Schulter berührte und sich eine lange Schnittwunde beibrachte. Blut rann über seine Brust. In kurzer Zeit würde es trocknen und ihm zusammen mit seiner zerfetzten Kleidung und dem wirren Haar das Aussehen eines Mannes geben, der knapp einem Kampf entronnen war.

      Kyan Ki warf Beil und Dolch über Bord und begann, das eindringende Wasser aus dem Boot zu schöpfen.

      Der Wind war fast eingeschlafen.

      Hasard stand auf dem Achterkastell, beobachtete die Segel, die sich nur träge blähten, und fluchte in sich hinein. Die Mangrovenküste war ein grüner Strich Steuerbord querab. Der Seewolf hatte das Gefühl, den fauligen Pesthauch des Dschungels zu spüren, doch das war natürlich Einbildung. Mochte der Wind auch seinen Namen nicht verdienen, er säuselte immer noch auflandig.

      Gary Andrews Zustand war unverändert.

      Zwei weitere Männer hatte es ebenfalls erwischt: Bob Grey und Will Thorne, den weißhaarigen Segelmacher. Ein paar andere liefen mit wütenden, verbiesterten Gesichtern herum. Das mochte daran liegen, daß sie sich Sorgen bereiteten, konnte aber genausogut von dem Kampf herrühren, den sie gegen die ersten Anzeichen von Schwäche und Krankheit führten.

      Der Kutscher und Bill entfalteten eifrige Tätigkeit, doch vorerst sah es nicht so aus, als ließe sich das Fieber eindämmen.

      Diesmal nutzte auch das Pulver aus der Rinde des Baums nichts, den die Spanier einem sprachlichen Mißverständnis zufolge „China-Baum“ nannten, obwohl er in Peru beheimatet war. Vermutlich hatten die lange Lagerung oder die feuchte Hitze den Vorräten des Kutschers zu sehr zugesetzt. Jedenfalls zeigte sich nur eine geringfügige Wirkung, und das Gesicht des hageren, etwas schmalbrüstigen Feldschers verriet, daß er der Resignation nahe war.

      Sir John, der Papagei hockte in den Toppen und krähte ausdauernd „Alle Mann an Deck!“ – vielleicht, weil er sich in seinem Vogelhirn zurechtlegte, daß er dadurch die gedrückte Stimmung an Bord etwas heben könne.

      Es war vergebliche Mühe. Ed Carberry raffte sich nicht einmal dazu auf, den Vogel wie üblich als „Blindhuhn“ oder „Nebelkrähe“ zu beschimpfen.

      Donegal Daniel O’Flynn senior, dieser Kerl aus Granit und Eisen, stützte sich auf seine Krücken und scharrte unruhig mit dem Holzbein.

      „Willst du ein Loch in die Planken bohren, du dämlicher Rochen?“ raunzte ihn Carberry an.

      „Du Großmaul solltest lieber mal am Mast kratzen, damit wir mehr Wind kriegen“, entgegnete Old O’Flynn. „Ich sage euch, das geht nicht mit rechten Dingen zu. Oder kann mir vielleicht jemand verraten, wo wir uns das verdammte Fieber geholt haben, he? Das haben uns die Dschungelgeister herübergeschickt, jawohl!“

      „Selber Dschungelgeist“, sagte O’Flynn junior respektlos.

      „Mißratener Bengel! Willst du deinem alten Vater vielleicht erzählen …“

      „Wir waren oft genug an Land, um dieses Fieber irgendwo einzufangen, Donegal“, sagte der Seewolf. „Also hör auf mit deiner Geisterseherei, verstanden?“

      „Und wenn du es nicht verstanden hast, nagele ich dir dein Holzbein gleich an der Galion fest“, fügte Big Old Shane hinzu. „Da kannst du dann schmoren, bis du nicht nur die Dschungelgeister, sondern auch noch sämtliche Engelchen im Himmel singen hörst.“

      Old Donegal warf dem graubärtigen Riesen einen erbitterten Blick zu. Der furchte drohend die buschigen Brauen. Schwarzmalereien gingen dem ehemaligen Schmied und Waffenmeister der Feste Arwenack nämlich mächtig gegen den Strich. Das hatte schon in Cornwall angefangen, wo die Leute die Köpfe voller keltischer Mythen hatten und hinter jedem Findling der Geist eines Druiden hervorlugte. Diese Abneigung gegen abergläubischen Unsinn hatte er damals auch dem jungen Hasard eingeprägt, um den er sich kümmerte, weil der alte Sir John Killigrew ein biestiges Ekel war, der den Namen Vater auch nicht verdient hätte, wenn er tatsächlich Hasards Erzeuger gewesen wäre.

      Big Old Shane wollte seiner Drohung noch ein paar weitere Freundlichkeiten hinzufügen, wurde aber davon abgehalten.

      „Treibendes Boot genau voraus!“ meldete Luke Morgan aus dem Großmars.

      Der Seewolf schnappte sich das Spektiv. Mit dem Kieker brauchte er nur wenige Sekunden, um die treibende Nußschale im leichten Wellengang zu entdecken. Deutlich sah er den einzelnen Riemen, der im Wasser nachschleifte, den zerfetzten Maststumpf – und die halbnackte Gestalt, die über der Ducht zusammengebrochen war.

      Ein Schiffbrüchiger!

      Keine Frage, daß sie ihn auffischen würden.

      Die „Isabella“ luvte etwas an, um das Boot in Lee zu haben. Unendlich langsam trug der schwache Wind sie darauf zu. Gespannt starrten die Männer zu der Nußschale, die jetzt Steuerbord voraus trieb. Für eine Weile wurden ihre Sorgen in den Hintergrund gedrängt.

      Minuten später konnten sie den Unbekannten schon mit bloßem Auge erkennen.

      Sein Oberkörper war blutverschmiert. Einmal bewegte er sich matt, doch es schien klar, daß er nicht dazu in der Lage war, aus eigener Kraft an der Jakobsleiter aufzuentern.

      Hasard ließ ein Beiboot abfieren.

      Nach ein paar weiteren Minuten trieben Ed Carberry, Ferris Tucker und der schwarze Herkules Batuti die Jolle mit kräftigen Riemenschlägen auf das fremde Boot zu und gingen längsseits.

      Der Profos runzelte die Stirn, als er das eindringende Wasser glucksen hörte und die zerbeulte Muck sah, die den Fingern des Unbekannten entglitten war. Offenbar hatte er bis zum Umfallen gelenzt, um sein lekkes Fahrzeug vor dem Sinken zu bewahren. Die Seewölfe waren buchstäblich in letzter Minute erschienen.

      Edwin Carberry langte nur mal eben mit seiner mächtigen Pranke hinüber und hievte die schlaffe Gestalt mühelos in die Jolle.

      Das Boot konnten sie getrost absaufen lassen, das war so oder so nicht mehr zu gebrauchen. Der Unbekannte stöhnte leise, als er auf


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