Seewölfe - Piraten der Weltmeere 389. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 389 - Fred McMason


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Beobachter spielen konnte, war Gold wert. Er würde herausfinden, wohin dieser schwarze Satan segelte. War sein Versteck erst einmal bekannt, war alles andere ein Kinderspiel. Eine ganze Armada würde aufkreuzen und das Piratenversteck ausräuchern. Dem konnte auch Philip Hasard Killigrew nichts entgegensetzen.

      In dieser Nacht gingen Don Juan die Augen über, denn wie dort gekämpft wurde, war einfach unglaublich. Einerseits ärgerte er sich grün und blau, andererseits faszinierte ihn die Taktik, die Strategie und der unglaubliche Angriffsgeist dieser englischen Höllenhunde.

      Er haderte mit sich. Er konnte schließlich diese Kerle, die sein Land gehörig rupften, schlecht bewundern, oder? Auch wenn der Killigrew ihm das Leben gerettet hatte. Das ging dann doch wohl etwas zu weit.

      Schon einmal war er diesem Seewolf mit widerstreitenden Gefühlen gegenübergetreten und hatte sich anhören müssen, was der von der „sehr fragwürdigen“ spanischen Krone hielt. Er hatte ihm eine Art Spiegel vorgehalten und ihn mit Worten fast gedemütigt.

      „Näher dranbleiben!“ fuhr er den Bootsmann plötzlich an.

      Ramón Vigil, ein sechs Fuß großer Riese mit kantigem Gesicht, ausgeprägtem Kinn und blauen Augen, war Katalonier. Seinem Aussehen nach war der Bootsmann der Nachfahre eines Gotenstammes.

      Er zuckte leicht zusammen. Mit Don Juan war in dieser Nacht nicht gut Kirschen essen, der hatte eine recht miese Laune. Das hatte auch die übrige Mannschaft schon zu spüren gekriegt.

      „Näher heran“, forderte Don Juan mit harter Stimme. „Die Galeonen sind so weit auseinandergezogen, daß man sie nicht mehr unterscheiden kann. Wir dürfen aber diese englischen Piraten nicht aus den Augen verlieren, sonst war alles umsonst.“

      „Si, Don Juan“, sagte Ramón mit tiefer Stimme.

      Sie segelten etwas näher auf, aber so, daß sie selbst kaum gesehen werden konnten. Don Juan konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die Flammenzungen, die durch die Nacht stachen. Am Aufblitzen wußte er, daß es die Engländer waren.

      „Die schießen einen nach dem anderen zusammen“, sagte der Bootsmann knurrend.

      „Das sehe ich selbst.“

      Daraufhin zog Ramón Vigil es vor, zu schweigen. Don Juan mußte mit seiner schlechten Laune selbst fertig werden.

      Fünf Schiffe hat der Killigrew, überlegte Don Juan. Dazu kam noch die dreimastige schnelle Schaluppe. Das war zwar eine kleine, aber unglaublich schlagkräftige Flotte, die einen Geleitzug von dreißig Schiffen und fünf Kriegs-Galeonen knackte, sich in ihn verbiß und einen Brocken nach dem anderen heraussägte.

      Dieser Mann mußte zur Strecke gebracht werden, der war für die Spanier gefährlicher als alle Haie der Karibik zusammen.

      Das, was er alles aufbrachte, waren beileibe keine Nadelstiche gegen die spanische Krone, es waren ganz empfindsame Schläge, die an allen Ecken und Enden schmerzten.

      Eine Galeone brannte. Sie trieb in der See von den übrigen ab. Boote wurden ausgesetzt, die Männer verließen das Schiff. Wieder blitzte es auf, und der Donner rollte heran. Das könnte die „Isabella“ gewesen sein, dachte Don Juan. Er versuchte, durch das Spektiv zu blicken, doch das gab auch nicht viel mehr her bei den Flammenblitzen. Die Schiffe ließen sich dadurch nicht besser unterscheiden.

      Stunde um Stunde ging das so, und er mußte hilflos mit ansehen, wie seine Landsleute ausgenommen wurden, wie Gold, Silber und Edelsteine in den Laderäumen der englischen Piraten verschwanden.

      Dann hatten sie offenbar genug, weil sie jetzt selbst bis an die Halskrause beladen waren. Die spanischen Schatzschiffe waren nach allen Seiten auseinandergedriftet. Manche waren zum Wrack geschossen, ein paar hatten sich verholt, und der Rest war schwer angeschlagen.

      Fürwahr, eine blamable Niederlage!

      Er sah, wie sich die Schiffe formierten, erkannte sie aber nur als undeutliche Schatten, die in Kiellinie schwerfällig lossegelten.

      „Jetzt bleiben wir ihnen auf den Fersen, Ramón“, sagte er. „Sorgen Sie dafür, daß wir die Kerle nicht aus den Augen verlieren. Können Sie erkennen, wie viele es sind?“

      „Leider nein, Don Juan. Dem Aufblitzen nach waren es fünf. Jetzt bilden sie eine langgezogene Linie. Die kleine Silhouette ist die dreimastige Karavelle.“

      Die Verfolgung wurde aufgenommen. Es ging immer weiter nach Süden, ganz wie der Schnapphahn Cariba das gegen seinen Willen ausgeplaudert hatte, denn dort, im Bereich der Caicos- oder Turks-Inseln, sollte sich der Schlupfwinkel der Piraten auf einer legendären Insel befinden. So hatte es Cariba jedenfalls ausgeplaudert, und jetzt schien sich das zu bewahrheiten.

      So langsam wechselte Don Juans Stimmung. Das Jagdfieber schlug ihn in Bann. Noch nie hatte es jemand geschafft, den Schlupfwinkel genau auf den Punkt zu beschreiben. Aber er würde jetzt feststellen, wo dieser Killigrew hauste.

      Zwischendurch dachte er öfter an ihn. Er sah sich fiebernd und verletzt im Boot liegen, verfolgt von Schnapphähnen, und Killigrew rettete ihm bedenkenlos das Leben.

      Diese Gedanken waren hier und jetzt völlig fehl am Platz. Er versuchte, sie mit aller Gewalt zu verdrängen. Und doch tauchte immer wieder das Bild des schwarzhaarigen Mannes auf, der ihn mit blitzenden blauen Augen ansah und spöttischüberlegen lächelte.

      Er übte sich darin, sich dieses Gesicht als abscheuliche Piratenfratze vorzustellen und den Mann dazu als blutrünstigen, gnadenlosen Schlagetot und Mörder.

      Doch dieses Bild zerbröselte immer wieder und fiel in sich zusammen. Sein Feindbild war schon ein paar Male ins Wanken geraten, jetzt schwankte es wieder ganz beträchtlich, immer dann, wenn er sich stark darauf konzentrierte.

      Zum Teufel mit dem Killigrew! Er würde seinen Auftrag künftig emotionslos erfüllen und den Mann der spanischen Krone überstellen.

      Als die erste Morgendämmerung über den Horizont kroch und alles grau in grau war, griff Don Juan fast genüßlich zum Spektiv und begann, die stur nach Süden ablaufenden Schiffe genauer aufs Korn zu nehmen.

      Er warf sogar dem Bootsmann einen freundlichen und ermunternden Blick zu. Ein Mann aus der achtköpfigen Mannschaft brachte ihm etwas zu essen und zu trinken.

      Aha, jetzt waren sie schon deutlicher zu erkennen. Achtern segelte ein düster wirkender Zweidecker, vor ihr lief ein riesiges schwarzes Schiff, ein gewaltiger Viermaster, dessen Segel schwarz waren, und auf denen ein gewaltiger Drache zu sehen war. Jedenfalls sah das ganz so aus.

      Dann stutzte er. Sein Gesicht wurde etwas länger, denn statt der erhofften fünf Schiffe segelten da nur vier, wenn man von der Schaluppe absah.

      Don Juan blieb die zart gebratene Fleischschnitte im Hals stecken, als er die betrübliche Erfahrung machen mußte, daß ausgerechnet die „Isabella“ in dem Verband fehlte. Er kannte das Schiff ganz genau seit dem Gefecht bei Lobos Cay.

      „Verdammt noch mal“, sagte er klar und deutlich. „Das sind ja nur noch vier Schiffe. Die ‚Isabella‘ des Killigrew fehlt.“

      Ausgerechnet der Mann mußte ihm wieder entwischen, hinter dem er mit aller Gewalt her war. Jetzt hatte er sich verdrückt. Aber warum nur? Er konnte doch nicht wissen, daß er, Don Juan, alles beobachtete?

      Das ging ja fast mit dem Teufel zu, und er wollte es einfach nicht glauben.

      Erneut nahm er den träge dahinsegelnden Verband aufs Korn. Die „Isabella“ war nicht mehr dabei. Das bestätigte auch der Bootsmann.

      „Sie hat sich irgendwann im Lauf der Nacht abgesetzt, Don Juan.“

      „Und welche Beweggründe mag Killigrew gehabt haben?“ fragte der hochgewachsene Spanier enttäuscht und verärgert.

      „Das entzieht sich leider meiner Kenntnis. Möglicherweise hat er uns als Fühlungshalter durchschaut.“

      „Zuzutrauen ist ihm alles“, sagte Don Juan ärgerlich. „Was jetzt? Sollen wir die Beschattung des Verbandes aufgeben und nach der ‚Isabella‘ suchen?


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