Seewölfe Paket 29. Roy Palmer

Seewölfe Paket 29 - Roy Palmer


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      „Was ist denn mit dem los?“ fragte er.

      Dem Kutscher war längst ein Seifensieder aufgegangen: statt mit ihm sorgsam die Proviantlast zu überprüfen, hatte sich dieser verdammte Bastard heimlich hinter seinem Rücken die Hucke mit dem Schnaps vollgesoffen.

      „Typischer Fall von total bezecht“, sagte er erbittert und klatschte die rechte Faust in die linke Handfläche. „Ich hätte es wissen müssen, verdammt! Während ich mich hier umgeschaut habe, hat er sich diesen Fusel in die Gurgel gegossen – muckweise, versteht sich! Dieser Pfeifenarsch!“ Der Kutscher knurrte wie Plymmie, die Bordhündin, wenn sie was witterte, das Gefahr bedeutete. Das schmale Kutscherlein war mächtig in Braß.

      Und der Profos? Der feixte bis zu den Ohren. Der kannte seinen Mac Pellew. Wenn Mac an Schnaps rankam, dann gab er nicht eher Ruhe, bis der Pegel auf Niedrigwasser stand.

      „Da gibt’s überhaupt nichts zu grinsen!“ fauchte der Kutscher. „Außerdem bin ich dafür, daß dieses Teufelszeug außenbords gekippt wird!“

      Der Profos zuckte zusammen.

      „Bist du verrückt?“ fuhr er den Kutscher an. „Das ist mutwillige Vernichtung wichtiger Nahrungsstoffe!“

      Der Kutscher schnappte nach Luft. Fast verschlug’s ihm die Sprache. Dann legte er seinerseits los: „Vernichtung wichtiger Nahrungsstoffe? Du spinnst wohl? Dieser Sprit ist das reinste Rattengift! Die Wirkung siehst du ja bei diesem Blödmann!“ Er deutete zu Mac. „Dem hat diese Russenpisse die Augen verdreht! Geschielt hat er! Darum ist er gegen den Pfosten geknallt!“

      Der Profos – selbst ein Meister im Erfinden nicht ganz stubenreiner Ausdrücke – zeigte sich plötzlich entrüstet, aber das war natürlich Heuchelei.

      „Ts-ts!“ äußerte er. „Sagtest du eben ‚Russenpisse‘, Mister Kutscher? Ich muß doch sehr bitten und dich zur Ordnung rufen. Außerdem nanntest du Mac einen ‚Pfeifenarsch‘. Beide Ausdrücke sind unziemlich, äh, unflätig und gehören sich nicht …“

      „Steig mir doch in die Tasche!“ unterbrach der erboste Kutscher die Predigt Carberrys.

      „Wenn ich das tue“, höhnte der Profos, „dann brichst du zusammen, Kutscherlein. Deine Tasche ist für mich auch nicht groß genug, in die paßt allenfalls ’ne Maus, aber als eine solche bin ich wohl kaum zu bezeichnen. Sag mal, was verdrehst du dauernd die Augen? Fängst du auch an zu schielen?“ Der Profos drohte mit dem Finger. „Hast du dich ebenfalls an dem Schnaps gelabt, mein Guter? Na, wie finde ich denn das? Da verdrücken sich unsere beiden Kombüsenheringe in die Proviantlast und hängen ihre Schnorchel an die Zapfhähne von Schnapsfässern! Das muß man sich mal vorstellen! Von Solidarität keine Spur. Den Kameraden den Schnaps wegsaufen – das schmeckt mir vielleicht!“

      „Sag doch gleich, daß du scharf auf den Fusel bist!“ fauchte der Kutscher.

      „Ich?“ Der Profos dehnte das Wörtchen und spielte den Scheinheiligen. „Aber das ist wirklich eine gute Idee, Kutscherlein. Als Profos habe ich die verdammte Pflicht, für die ganze Mannschaft nachzuprüfen, ob der Schnaps gesundheitsgefährdend ist. Da hast du völlig recht, mit Rattengift ist nicht zu spaßen.“

      Und schon marschierte der Profos mit der Muck zu einem Faß und zapfte ab – mit einem andächtigen Gesicht und einem versteckten Grinsen in den grauen Augen. Und natürlich drehte er den Zapfhahn erst ab, als die Muck voll war, wie der Kutscher ergrimmt feststellte.

      „Geht’s nicht noch voller?“ sagte er aufgebracht.

      „Leider nicht“, erwiderte der Profos unverfroren. „Und ich stimme dir zu, daß man zum Probieren eigentlich ein größeres Gefäß braucht, nicht so ’ne Nußschale wie diese Muck, in die kaum was reingeht.“

      Und damit kippte er den Inhalt der Muck hinter die Binde, nachdem er vorher kurz geschnüffelt hatte.

      „Uaaahh!“ sagte er und rieb sich mit der Linken den Bauch. Seine Augen glänzten. „Seidenweich! Und Medizin für den Magen. Ich spüre wohlige Wärme. Das ist kein Rattengift, Russen … äh, Russendingsda schon gar nicht.“ Und er peilte das nächste Faß an.

      Der Kutscher kriegte sich nicht mehr ein. Am liebsten hätte er einen Affentanz aufgeführt und wäre bis unter die Oberdecksplanken gehüpft.

      Na klar doch! Dieses Ungeheuer von Profos war um keinen Deut besser als sein Kumpan Mac Pellew, mit dem er schon Zechtouren unternommen hatte, die jeder Beschreibung spotteten. Der dünne, schlaksige Mac Pellew und der klotzige Edwin Carberry mit dem harten Rammkinn – das war vielleicht ein Gespann! Die hatten schon beim alten Francis Drake – Gott hab ihn selig! – die wüsteten Bolzen gedreht.

      Das alles schoß dem Kutscher in diesem Augenblick durch den Kopf, während er gleichzeitig fieberhaft überlegte, wie er den verrückten Profos davon abhalten sollte, den drei anderen Fässern zu Leibe zu rücken. Denn darauf lief’s hinaus. Und der Kutscher zweifelte nicht, daß er es dann mit einer zweiten Schnapsleiche zu tun haben würde.

      Vater unser – was für ein Zirkus!

      Indessen kehrte Mac Pellew ins Dasein zurück, und das war ein Segen, denn der Profos mußte seine weitere Zapftour verschieben. Im Moment hatte der angeschlagene Mac Vorrang.

      „Oh, oh, oh!“ jammerte Mac und betastete seine Stirn. Auf der war ihm ein Ding von Beule erblüht, das sich sehen lassen konnte. Eine Art Horn, das sich vorwölbte und einen Lilafarbton hatte.

      „Tut’s weh, Mackilein?“ erkundigte sich der Profos mitfühlenden Herzens.

      „Dämliche Frage“, knurrte der Kutscher.

      „Ich sterbe“, ließ sich Mac vernehmen. „Es ist aus. Das Ende naht …“

      „Quatsch!“ fuhr der Kutscher dazwischen. „An einer lausigen Beule ist noch keiner gestorben! Stell dich nicht so an, du Saufbold!“

      Mac zog den Kopf ein. „Nicht so laut! Das hält mein Kopf nicht aus – oh, oh, oh! Mein armer Kopf. Wehe-wehe!“

      „Vielleicht ist da was gebrochen“, sagte der Profos besorgt.

      „Bei dem Holzkopf bricht nichts“, erklärte der Kutscher ungerührt. „Der jammert nur, damit er sich vom Kombüsendienst drücken kann.“

      „Kutscher!“ sagte der Profos grollend. „Mir gefällt nicht, wie du über einen schwerverletzten Mann unserer Crew sprichst. Das geht mir zu weit.“

      „Schwerverletzt?“ schnappte der Kutscher. „Der hat Selbstverstümmelung betrieben! Erst hat er sich heimlich mit Schnaps vollgepumpt, und dann ist er mit seinem vernebelten Poller gegen den Pfosten gerannt! Das ist die gerechte Strafe fürs Saufen. Hätte er die Pfoten vom Zapfhahn gelassen, wäre das nicht passiert. Aber nein, ihr gebt ja beide keine Ruhe, sobald ihr den billigsten Fusel wittert. Genau das ist es! Aber hinterher jammern und stöhnen, das könnt ihr!“

      „Es ist deine Pflicht, dich um einen Verletzten zu kümmern!“ dröhnte der Profos.

      „Ich denke nicht daran!“ brüllte der Kutscher zurück, jetzt hochrot im Gesicht vor Wut – und das passierte selten bei ihm, denn er war im Grunde ein zurückhaltender Mensch, der Selbstdisziplin übte und kaum einmal die Fassung verlor.

      Was ihn so erboste, das war der jammernde Mac, der seine Beule selbst verschuldet hatte. Und zum anderen regte ihn der Profos auf, der genauso wie Mac scharf auf den Schnaps war und den Trunkenbold sogar noch in Schutz nahm.

      Nun konnte der Profos den schmalen Kutscher am steifen Arm verhungern lassen, will sagen, er war ihm an körperlicher Kraft haushoch überlegen. Aber Carberry war über den ungewohnten Ausbruch des Kutschers derart verblüfft, daß er sogar zurückwich und beschwichtigend beide Hände hob.

      „Mann, Mann“, sagte er hastig, „nur keine Panik. Kein Grund, sich aufzuregen. Soll ich dir einen Schnaps abzapfen?“

      Das war ja wohl das Allerletzte. Fast wäre der Kutscher schon wieder explodiert, doch da meldete sich Mac erneut. Wenn er


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