Seewölfe - Piraten der Weltmeere 404. Burt Frederick
unsere Pflicht. Aber niemand kann uns vorwerfen, daß wir als Unterdrücker auftreten oder uns zu sonstigen Ungerechtigkeiten verleiten lassen. Wie gesagt, das besorgen andere an unserer Stelle.“
Cubera bewegte beschwichtigend die Hände auf und ab.
„Der Ruf einer Nation wird meist von ihren negativen Erscheinungsformen geprägt. So verhält es sich zumindest hier, in den Breiten, die der große Columbus entdeckt hat. Halten wir uns doch einmal nur die Tatsachen vor Augen.“ Cuberas Stimme wurde beschwörend, und er straffte seine Haltung. „Wie ist man mit den Karibik-Indianern umgesprungen? Man hat sie entweder ausgerottet oder in die spanischen Minen verschleppt. Wenn man nun andererseits berücksichtigt, was über diesen sogenannten Seewolf berichtet wird – ja, dann muß dieser Mann eine ausgesprochene Führernatur sein. Ihm ist es durchaus zuzutrauen, daß er die Eingeborenen auf seine Seite gezogen hat.“
„In der Tat!“ rief der Kapitän der Karavelle. „Das erscheint mir einleuchtend. Denken wir daran, auf welche Weise diese doch ziemlich kleine Insel verwandelt wurde. Erstens die perfekte Tarnung, der wir alle auf den Leim gegangen sind. Wenn wir von den Geschützstellungen auch nur etwas geahnt hätten, wären wir niemals so nahe an das Felsenufer herangesegelt. Zweitens die verborgenen Fallen in den Buchten! Drittens die Sprengladungen, von denen die ‚San Gabriel‘ zerrissen wurde!“
„Richtig“, sagte Capitán Cubera und nickte. „Auf dieser verfluchten Insel müssen geschickte Festungsbaumeister am Werk gewesen sein. Damit aber nicht genug. Die Indianer haben Pulverpfeile verschossen, und sie haben Wurfgranaten in Form von explodierenden Flaschen eingesetzt. Das deutet zweifelsfrei auf ihre Verbindung zu den englischen Piraten hin. Denn genau diese Waffen haben die Kerle auch bei den Seegefechten verwendet.“
„Alles in allem wenig erfreulich“, sagte der Kapitän, der ihm gegenübersaß.
„Ich weiß“, entgegnete Cubera. Er schob die Ellenbogen auf den Tisch und faltete die Hände. „Deshalb komme ich auf meine einleitenden Worte zurück. Wir dürfen nicht klein beigeben. Wir müssen kämpfen, denn wir haben es hier mit einem Gegner zu tun, der der spanischen Krone ernst zu nehmende Schwierigkeiten bereiten kann. Wenn sich die englischen Piraten weiter mit den Indianern verbünden und in diesem östlichen Bereich der Karibik festsetzen, dann entsteht dadurch eine ständige Gefahr für Spanien.“ Er lehnte sich wieder zurück. „Meine Order lautet also: Schnellstmögliche Behebung der Gefechtsschäden und anschließend erneuter Angriff auf die Pirateninsel. Wir haben drei Tage Zeit, unsere taktische Planung dafür zu entwickeln.“
Die Männer nickten zustimmend.
„Gibt es noch Fragen?“ Cubera blickte in die Runde.
Es blieb still. Die Kapitäne und Offiziere kannten ihren Verbandsführer. Er hatte an vielen Gefechten und Schlachten teilgenommen und dabei gewiß mehr Erfahrung gesammelt als alle Teilnehmer dieser morgendlichen Lagebesprechung zusammen. Don Garcia Cubera, das wußten sie, war alles andere als ein Eisenfresser, der über Leichen ging und Menschenleben opferte, ohne mit der Wimper zu zucken.
Aber Cubera war zäh. Er gab so schnell nicht auf.
Eben dies wußten sie auch. Man stand nicht auf verlorenem Posten, wenn man sich seinen Anordnungen beugte. Cubera entzog sich niemals der Verantwortung, die er als Führerpersönlichkeit übernommen hatte. Er war nicht der Mann, der andere vorschickte, damit sie für ihn die Kastanien aus dem Feuer holten.
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