Seewölfe - Piraten der Weltmeere 442. Fred McMason
Das Vieh zog und zog, und ließ sich durch nichts aufhalten, um an den Rio de Tacna zu gelangen. Der Profos wurde mitgezogen, ob er wollte oder nicht.
Vielleicht will Diego aber auch nur noch einmal Wasser saufen, dachte Ed, obwohl das Biest gerade vor kurzer Zeit unglaubliche Mengen Wasser gesoffen hatte.
Noch einmal versuchte es Carberry mit roher Kraft und zerrte an dem eigensinnigen Maultier. Es half nichts, der Bock zog stur und unbeirrbar weiter zum Fluß hin.
Kurz vor dem Fluß sah der Profos einmal über die Schulter zurück. Natürlich lachten die Kerle wieder, auch der Pater Pancrazius, der dicke Mönch mit den rosigen Wangen, grinste bis zu den Ohren.
Der Profos lief knallrot an, teils aus Wut, teils aus Ärger, weil er dieses Vieh nicht bremsen konnte und das Maultier ihn damit der Lächerlichkeit preisgab. Er fluchte erbittert und beleidigte das Halbeselchen mit den unflätigsten Ausdrücken.
Dann war es endlich am Fluß und hielt an.
Ed atmete erleichtert auf. Wenn er dem Vieh jetzt gut zuredete, würde es vielleicht wieder gütigst umkehren. Aber in Diego steckte der Teufel, oder der alte O’Flynn hatte es wieder verhext, wie Smoky schon einmal behauptet hatte. Vielleicht hexte er wieder von der Schlangen-Insel aus, um den Profos ein bißchen zu ärgern.
Diego schwenkte fast elegant, aber sehr schnell, das Hinterteil vor, und wich gleichzeitig nach rechts aus.
Für den Profos erfolgte der Schlag unerwartet und viel zu schnell. Er konnte auch nicht mehr ausweichen. Diegos Hinterteil traf ihn mit der Wucht einer Ramme.
Carberry stieß vor Überraschung einen erstickten Schrei aus. Dann flog er mit ausgebreiteten Armen durch die Luft und landete im Wasser des Rio de Tacna.
Für die anderen Männer sah das so aus, als hüpfe ein riesiger Frosch ins Wasser.
Carberry landete mit einem lauten Aufklatschen im Fluß und ging unter. Er schluckte auch Wasser, tauchte prustend auf und stieß einen Fluch aus, der durch das ganze Tal hallte.
Was ihn dabei noch zusätzlich ärgerte, war das Benehmen des dreimal verdammten Maultieres. Das stand am Ufer, hob wieder die Lefzen, bleckte die Zähne und stieß ein schauriges Gemisch aus lautem Meckern, Lachen und Wiehern aus. Dazu nickte es boshaft mit dem Schädel.
Dann drehte es sich um und trabte seelenruhig zurück. Kurz darauf stand es wieder auf seinem alten Platz in der Reihe.
Die Männer des Potosi-Trupps lachten Tränen, die Padres krümmten sich vor Lachen, und die Indios hielten sich die Bäuche. Sie lachten am lautesten.
„Mann, ist das ein Bild“, sagte Stenmark unter Tränen. „Das vergesse ich so schnell nicht.“
„Er sah aus wie ein Riesenfrosch“, behauptete Gary Andrews, „der gerade zum Sprung ansetzt.“
Mel Ferrow, Fred Finley, Matt Davies und die anderen konnten sich immer noch nicht beruhigen.
Der Profos entstieg wie ein schnaubender Rachegott den Fluten des Rio de Tacna. Triefnaß, das Rammkinn wie einen Galeerensporn vorgeschoben und mit rollenden Augen kroch er ans Ufer. Er sah aus, als wolle er die ganze Welt ausrotten. Dazu klang ihm noch das laute Gelächter der Kerle entgegen, und er sah, wie Diego wieder die Lefzen hochzog und so dämlich grinste. So in Braß wie jetzt war der Profos schon lange nicht mehr gewesen.
„Dem zieh ich die Haut in Streifen von seinem Eselsarsch!“ brüllte er. Er walzte heran, der Profos, geladen bis zum Bersten, triefend wie ein narbiger Meergott, der jetzt seine Rache nahm. Das Halbeselchen hörte vor Schreck auf, „so dämlich zu grinsen“, und es nickte auch nicht mehr, als der Koloß stocksauer heranwalzte. Der kriegte es fertig und würde das Muli durchwalken.
Hasard trat zwei Schritte vor und blieb dicht vor Carberry stehen. Auf seinem Gesicht lag noch die Andeutung eines Lächelns. Die anderen grinsten immer noch ganz offen, besonders Matt Davies, der sich mit der Hakenprothese dauernd auf die Schenkel hieb.
„Um den Abmarsch nicht noch länger zu verzögern“, sagte Hasard sanft, „schlage ich vor, daß du dir erst einmal trockene Klamotten anziehst. Du kannst dir die Plünnen ja schließlich nicht am Leib trocknen lassen. Vielleicht ist es auch ganz ratsam, wenn Dan das Maultier wieder übernimmt, der hat es ja gut im Griff.“
„Im Griff?“ schrie der Profos. „Gar nichts hat der im Griff! Das fasse ich als Degradierung auf, Sir, und es würde auch verdammt an meiner Ehre kratzen. Nein, nein, das Maultier behalte ich. Mein kleines Diegolein mag mich, das hat es schon oft bewiesen.“
„Ja, gerade jetzt eben“, sagte Hasard ironisch. „Da hat es dir vor lauter Liebe ein Bad verordnet. Also gut, du behältst dein Diegolein, wenn es dich so mag.“
Hasard steckte zurück, weil mit dem Profos über Tiere nicht zu reden war. Er kannte das ja von Sir John her. Wenn einer über das schimpfende und krakeelende Biest meckerte, dann reagierte der Profos meist sehr empfindsam.
„Danke, Sir.“
Matt Davies, der immer noch grinste, konnte es allerdings nicht lassen, und spielte auf den redseligen Papagei Sir John an.
„Sei nur froh, daß Maultiere keine Papageien sind. Dein Diegolein würde sonst auch noch den ganzen Tag quatschen.“
„Fängst du schrägkarierte Fockmastwanze jetzt auch noch an?“ knurrte Ed. „Dich häng ich ins …“
Der Profos verstummte, denn Diego reckte den Schädel hoch und stieß wieder dieses eigenartige Meckern aus, das an Gelächter erinnerte. Dann zuckten die Männer verstört zusammen, als eine donnernde Blähung erfolgte. Auch das war so eine Angewohnheit von dem Maultier Diego.
Diesmal grinste der Profos etwas von oben herab. Er wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und sagte trocken: „Diego hat nur über den blöden Witz von Mister Davies gelacht und gleichzeitig ausgedrückt, daß das der reinste Scheiß sei.“
„Aber ein Maultier von ganz besonderer Art ist das schon“, meinte Karl von Hutten. „Es paßt zum Profos wie die Faust aufs Auge.“
„Nun zieh dir endlich trockene Klamotten an“, sagte Hasard etwas ungeduldig. „Sonst stehen wir hier morgen noch herum. Im übrigen ist ein Kloster nicht der rechte Ort, um ellenlange Flüche abzuladen.“
Während der Profos mit Padre Pancrazius im Kloster verschwand, um seine Sachen zu wechseln, holte Aloysius eine Handskizze hervor und überflog sie noch einmal. Gestern hatte er sie angefertigt und gab noch einmal für die Männer Erklärungen ab.
„Wir werden schon sehr bald den Klimaumschwung spüren. Im Tiefland der Leanos herrscht bis in etwa tausend Yards Höhe noch ein volltropisches Klima. Deshalb nennt man diese Zone Tierra caliente, was soviel wie heißes Land bedeutet. In den Yungas dagegen herrscht bis etwa zweieinhalbtausend Yards Höhe noch subtropisches Klima. Diese Zone wird von den Dons Tierra templada genannt, ist also mäßig warm. Das nächste Hochland, das bis viertausend Yards reicht, ist die Tierra ria. Sie hat kühles Klima mit geringen Jahres-, aber sehr starken Tagesschwankungen. Wir stoßen bis weit über die Schneegrenze vor, in Regionen, die mehr als eisigkalt sind, das ist die frostige und eisige Zone der Tierra helada. Das ständig schneebedeckte Land noch darüber nennt man die Tierra nevada.“
Hasard hatte sehr aufmerksam zugehört und nickte jetzt.
„Zunächst ziehen wir also ostwärts am Rio de Tacna entlang. Dann steigen wir zum Tacora-Paß auf?“
„Sehr richtig. Da haben wir schon eine Höhe von über viertausend Yards erreicht. Den Pico Tacora lassen wir links, also nördlich, liegen und bewegen uns weiter zwischen dem Sajama-Berg und dem Lago de Chungara auf den Altiplano zu. Dann liegt vor uns die Puna – eine öde, baumlose Ebene zwischen West- und Ostkordillere. Man sagt, daß es dort früher mal zwei ausgedehnte Binnenmeere gegeben habe, von denen heute nur noch der Titicacasee und der Poopósee übriggeblieben sind.“
„Merkwürdige Namen“, sagte Stenmark. „Wenn das der Profos hört, dann grinst er wieder bis über beide Ohren.“
„Die