Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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und er fischte auch mit der großen Kelle im Kessel erfolglos herum. Anschließend deckte er den Topf zu und ließ die Suppe weiterkochen.

      Durch das angelehnte Schott drangen die Geräusche der Männer, die sich auf der kleinen Kuhl der Galeone aufhielten.

      Natürlich sprachen sie von Ramsgate und zermarterten sich das Gehirn, was ihm wohl zugestoßen sein mochte.

      Auch den Kutscher beschäftigte diese merkwürdige Geschichte besonders intensiv. Ramsgate war bei den Arwenacks ein beliebter und geschätzter Mann, und so dachten sie in erster Linie an ihn und dann erst an ihre neue „Isabella“.

      Solange Ramsgate nicht da war, lief nichts. Die Pläne für den Neubau waren ebenfalls verschwunden, und der Schiffszimmermann Ferris Tukker konnte sie verständlicherweise nicht auswendig im Schädel haben, mochte er auch noch so ein erstklassiger Mann sein.

      Etwas später schleppte der Kutscher den Kessel an Deck und verteilte das Eßgeschirr. Es gab dicke Linsensuppe mit Schinkenstücken darin.

      Jeder packte sich die Kumme randvoll und gab – je nach Geschmack – mehr oder weniger Essig dazu.

      Die meisten hatten nach einer Kumme genug, nur Paddy Rogers und der Profos nicht. Paddy war ohnehin leicht verfressen, der Profos nicht minder.

      Bei der zweiten Kumme passierte das Mißgeschick, und es passierte ausgerechnet dem Profos. Rogers hätte es vielleicht gar nicht einmal gemerkt, denn der stopfte mit halbgeschlossenen Augen die Linsen pausenlos in sich hinein.

      Carberry dagegen aß mit sichtlichem Wohlbehagen, den Blick immer auf die Kumme gerichtet.

      Er fischte den faustgroßen Brokken Schinken heraus und wollte hineinbeißen, als sein Blick plötzlich starr wurde. Sekundenlang sah es aus, als leide er unter heftigen Zahnschmerzen.

      Auf dem Schinkenstück hockte eine Kakerlake, kein Zweifel. Ein wenig zermatscht und unkenntlich schon, aber mit Sicherheit eins dieser triefäugigen, boshaft blickenden Biester, vor denen sich alle so ekelten, ganz besonders aber der Profos.

      Das Ding ähnelte jetzt allerdings auch einer großen zerdrückten Spinne mit ganz kurzen Beinen.

      Den Profos würgte es. Sein Gesicht lief grünlich an, und aus seinem Brustkasten drang ein Gluckern, das sich so anhörte, als wollten die Linsen mit aller Gewalt wieder nach oben.

      Der Kutscher sah es und wurde bleich. Diese Peinlichkeit ließ ihm fast das Herz in die Hosen rutschen, und als er dann Carberrys Gesicht sah, da wußte er, wo die Glocken hingen. Verdammt, er konnte nichts dafür, aber wie sollte er das dem aufgebraßten Profos beibringen! Dessen Ekel hatte jetzt den obersten Grenzwert erreicht, und seinem Gesicht sah der Kutscher unzweifelhaft an, daß es jetzt – bei aller Freundschaft – eine Tracht Prügel setzen würde, denn in dieser Beziehung war mit dem Profos absolut nicht zu spaßen.

      Was tun?

      Der Kutscher verzweifelte fast vor diesem Blick, obwohl Ed noch kein einziges Wort gesagt hatte. Ja, er begann sogar leicht zu zittern, denn jetzt schien die Welt unterzugehen.

      Wenn der Profos diesen wilden Blick drauf hatte, dann versteckte sogar des Satans Großmutter ihr haariges Gesicht vor Scheu und Angst in der Schürze.

      „Du Mistbock, du verdammter!“ brüllte Ed den Kutscher an, und dabei rollte er sogar mit den Augen vor Wut. „Zum Teufel, du wagst es, mir eine Kakerlake ins Essen zu panschen, du Kombüsenwanze!“

      Er hob das matschige Ding mit spitzen Fingern hoch und schleuderte es nach dem Kutscher, der immer bleicher wurde.

      Die anderen lauschten entsetzt dem wilden Zornausbruch Carberrys, der immer wilder wurde. Sie verstanden ihn ja nur zu gut, aber sie verstanden auch den Kutscher, denn dem war kein Fehler unterlaufen, den hatte einfach das Mißgeschick heimtückisch überrollt, und dafür konnte er nichts.

      „Das ist …“, setzte der Kutscher an.

      „Halt dein Maul!“ schrie Ed. „Was das ist, sehe ich selber! Und das ist, verdammt und kalfatert, eine matschige Kakerlake. Du hast am Herd gepennt, statt aufzupassen, du mickriger Seewurm. Aber diesmal frißt du das Ding, verlaß dich drauf!“

      „Ich habe …“, rief der Kutscher verzweifelt, der jetzt sah, daß es verdammt ernst wurde. Ed ließ ihn gar nicht erst aussprechen.

      Erst hatte er die Kakerlake als Wurfgeschoß verwendet, jetzt folgte der Schinken, auf dem das Ding gesessen hatte, und als der ebenfalls sein Ziel verfehlte, stürzte der Profos wutentbrannt auf den Kutscher zu, um ihn am Schlafittchen zu packen.

      Er war so erbost, wie ihn die Arwenacks seit langem nicht mehr erlebt hatten, und er ließ auch nicht mit sich reden.

      Mit einem blitzschnellen Griff hatte er den Kutscher am Hals.

      „Das passiert nicht noch einmal!“ röhrte er. „Das wird dir eine verdammte Lehre sein. Deck gefälligst deinen lausigen Topf beim Kochen zu, du Stint. Diese Kakerlake …“

      Der Kutscher glaubte schon die mächtige Faust zu spüren, die ihn erbarmungslos durch die Planken bis ins Kielschwein donnern würde, da kam ihm die heldenhafte rettende Idee, geboren in einem Anflug verzweifelter Angst. Er wuchs über sich selbst hinaus, und bevor Ed zuschlagen und seine Wut ablassen konnte, begann der Kutscher schallend zu lachen.

      Das wiederum verblüffte Ed dermaßen, daß er die Faust sinken ließ.

      „Du lachst noch, du geteerte Kanalratte?“ fragte er ungläubig. „Du hast mir eine Kakerlake …“

      „Eine Kakerlake?“ wiederholte der Kutscher eiskalt und völlig ruhig. „Daß ich nicht lache, Mister Carberry. Du solltest deine Augen lieber ein wenig genauer aufsperren.“

      Seine Stimme hatte einen überlegenen Tonfall angenommen, als wüßte er es wieder einmal besser.

      „Verflucht, das ist eine Kakerlake!“ schrie Ed. „Eine verdammte tiefäugige irische Kakerlake.“

      „Was du da eben so verachtungsvoll von dir geschleudert hast“, sagte der Kutscher hoheitsvoll und überlegen, „das sah zwar so ähnlich aus, Mister Carberry. Es beweist mir lediglich, daß du wieder einmal keine Ahnung hast und auch auf der ‚Mercure‘ nicht ein einziges Mal in die Kombüse geblickt hast, sonst würdest du es nämlich wissen.“

      „Was würde ich wissen?“ fauchte Ed. „Rede dich nur nicht heraus!“

      „Dieses zerquetschte Etwas“, sagte der Kutscher ruhig, „hat nichts, aber absolut nichts mit einer Kakerlake zu tun. Ich muß doch sehr bitten, Mister Carberry, mir nicht solche Dinge zu unterstellen. Das war nämlich eine orientalische Gewürzspinne.“

      „Eine – waaas?“ fragte Ed.

      „Eine orientalische Gewürzspinne“, wiederholte der Kutscher geduldig. „Lateinisch Spinnus orientalis gewürzikus“, log er eiskalt. Und diese Sprache der Gelehrten, die natürlich vorn und hinten nicht stimmte, ließ den Profos etwas neugierig blicken, und die bedrohliche Faust verschwand. Sie schlug den Kutscher jedenfalls nicht in Grund und Boden.

      Ed sah nicht das hinterhältige Grinsen in den Gesichtern der anderen, denen des Kutschers Verteidigungsrede jetzt diabolischen Spaß bereitete. Der nahm den Profos wieder mal auf seine eigene Art gehörig auseinander. Aber sie alle hatten Verständnis dafür, und so grinsten sie mehr oder minder verstohlen.

      Selbst der Seewolf konnte nicht ernst bleiben. Der Kutscher ist schon ein geriebenes Schlitzohr, dachte er.

      Doch Carberrys Mißtrauen war noch lange nicht aus der Welt, und auch seine Wut war noch nicht verraucht. Jetzt wollte er es genau wissen, und jeder war gespannt, wie sich der Kutscher aus der Affäre ziehen würde.

      „Was heißt hier Spinnus Dingsbums?“ forschte er. „Und wozu soll das überhaupt gut sein? Diesmal entwischst du mir nicht so leicht, Kutscher.“

      „Damit werden im Orient die Speisen gewürzt, Ed. Bei Linsen werden orientalische Gewürzspinnen immer verwendet – wie heute. Sie geben der Suppe den würzigen und prächtigen


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