Seewölfe - Piraten der Weltmeere 252. Fred McMason
Stunde später kehrten sie zurück an Bord und erstatteten dem Seewolf Bericht.
„Gut, dann nehmen wir die Steuerbordseite“, entschied Hasard. „Bob und Bill bleiben an Bord, du und Batuti werdet etwas essen und trinken, dann rudert oder segelt ihr voraus. Zwei Mann müßten für das kleine Boot vollauf genügen.“
„Völlig“, sagte Shane. „Wir helfen aber noch mit, den Anker zu hieven, dann rudern wir. Gib gut acht, Sir, der Wind bläst verdammt unregelmäßig und tückisch. Mehr als ein Yard Wasser werden wir nicht unter dem Kiel haben, und wenn die Lady giert, dann stecken wir bis an die Ohren im Schlamm.“
„Davor graust mir auch“, sagte Hasard, „und dagegen ist auch der beste Rudergänger machtlos. Hoffen wir, daß wir auch weiterhin Glück haben.“
„Wenn man es braucht, ist es meist sehr weit fort“, brummte Big Old Shane leise. „Oder so schlüpfrig, daß man es nicht festhalten kann.“
Immer noch hing die Hitze über dem Schiff. Die Planken strahlten sie wieder zurück, und den Arwenacks dampften die Körper. Die Gesichter der meisten waren unwillig, denn der leichte Wind brachte keine Abkühlung, er verschlimmerte alles nur, weil er ausgesprochen heiß herüberwehte.
Sie hievten den Anker auf und setzten die Segel. Nur sehr zögernd und fast unwillig glitt die „Isabella“ in den Nebenarm und hielt sich in der Mitte.
Für diese besonders schwierige Strecke hatte sich Pete Ballie sogleich gemeldet, denn er hatte von allen zweifellos das beste Gespür für das Ruder, und er war es auch, der die meisten Stunden am Ruder hinter sich hatte.
Hasard nahm ihn noch einmal ins Gebet.
„Wir rutschen mitunter direkt über den Dreck, Pete. Es wird eine höllische Plackerei werden, und mehr als einmal wird unser altes Mädchen ausbrechen. Wenn du also zum Hasenfüttern an Land segelst, kann ich dir keine Schuld geben. Natürlich soll das kein Freibrief sein“, schloß Hasard lächelnd.
„Ich weiß, Sir, und ich kann auch nichts versprechen, aber ich werde mein Bestes tun.“
Eine Fahrt begann, die ihnen allen Sorgen bereitete, und an die sie auch noch einige Zeit denken sollten. Die Unkereien und düsteren Prophezeiungen erfüllten sich schon am Nachmittag. Das war zu der Zeit, als Pete Ballie der Schweiß buchstäblich in Bächen vom Körper rann und ihm die Augen verklebte. Noch nie in seinem ganzen Leben habe er so geschwitzt, versicherte er.
Er mußte aufpassen wie ein Höllenhund, denn sie rutschten strekkenweise tatsächlich nur noch eine Handbreite über den Schlick, wenn die „Isabella“ zur Seite drehte. Mal lief sie nach Backbord, mal blieb sie gehorsam Mitte Fahrwasser, dann wieder streckte sie ihren Bug überraschend schnell nach Steuerbord, und so hatte Pete alle Hände voll zu tun.
Hasard junior übergoß ihn von Zeit zu Zeit mit klarem, frischem Nilwasser und verschaffte ihm so etwas Abkühlung, für die Pete Ballie außerordentlich dankbar war.
Weit voraus segelte das Beiboot und lotete Tiefe, aber bisher hatte Shane noch kein Zeichen gegeben, daß die Wassertiefe abnahm.
Carberry stand dicht neben Pete, um notfalls rasch eingreifen und das Ruder hart legen zu können, wenn die Galeone drehte. Dann wurden zwei Mann gebraucht, einer schaffte das nicht, es mußte alles rasend schnell gehen.
„Scheißfluß“, brummte der Profos ungnädig. „Anfangs war es ja ganz schön, aber jetzt wirds immer mistiger, wenn man hier durch einen so lausigen Schlauch segeln muß.“
Seinem Gesicht war die Verbiesterung deutlich anzusehen, denn er hatte das mächtige Rammkinn vorgeschoben, die Arme in die Hüften gestemmt und die Augen schmal gekniffen.
Pete gab keine Antwort, er konzentrierte sich voll auf das schmale Fahrwasser. An Backbord, im Papyrusdickicht der Insel, brüllten wieder die Krokodile.
Pete hörte auch das nicht mehr, er hörte nur, daß Dan O’Flynn fragte, ob er ihn ablösen solle, aber er schüttelte nur stumm den Kopf und starrte voraus, an den Segeln vorbei, um wenigstens etwas sehen zu können.
Dann passierte das, was die Arwenacks die ganze Zeit über befürchteten. Das Tantchen wurde sauer und benahm sich höchst ungebührlich.
Der Teufel schien sie zu reiten. Eben noch lag sie haargenau und ruhig auf Kurs. Im nächsten Augenblick brach sie wild nach Backbord aus und wollte in die Schilfinsel rennen.
„Paß auf!“ brüllte Hasard und sprang hinzu. Auch der Profos war augenblicklich zur Stelle. Das Ruder flog herum, von harten Fäusten kraftvoll gedreht, und das Ruderblatt schob sich träge wie eine Seekuh durchs Wasser.
Die „Isabella“ drehte weiter nach Backbord, und sie drehte auch dann noch, als das Ruder sich nicht mehr bewegen ließ.
„Verdammt und zugenäht!“ schrie der Profos. „Diese verwanzte Wanderhure nehme ich eigenhändig auseinander, vom Mast bis zum Kielschwein, und selbst die Seele reiße ich ihr raus.“
Er wußte zwar nicht genau, wo die „Isabella“ ihre Seele hatte, aber Carberry konnte sich nur durch Fluchen am besten abreagieren, und als das Tantchen ungehorsam weiterdrehte, kriegte Edwin Carberry fast einen Tobsuchtsanfall, denn gleich saßen sie auf dem Schlick. Er hörte es in Gedanken schon laut schmatzen und spürte den unvermeidlichen Ruck.
„Wahrhaftig“, stöhnte er erleichtert, „sie gehorcht wieder.“ Und zufrieden sah er, wie die Galeone den Bug nach Steuerbord wandte.
Aber sie heckte nur eine neue Teufelei aus, als wolle sie den Seewölfen eins auswischen. Vielleicht gefiel ihr auch der Fluß nicht, und sie wollte lieber in der offenen See rennen, als sich hier, gepeinigt von Staub und Hitze, den Strom hinaufzuquälen.
Hasard sah schon, wie sie gleich reagieren würde, und der Profos glaubte sogar, ihr hämisches Kichern zu hören. Er stellte sich mit dem Rükken vor das Ruder und packte nicht erst die Holme, er griff gleich in die Ruderspeichen und drehte sie, von seiner Position aus gesehen, hart nach Steuerbord, so daß die „Isabella“ wieder nach Backbord hinüber mußte.
Doch sie rannte weiter, und als das Ruder hart in den Anschlag lief, gierte sie immer noch wild zur anderen Seite und näherte sich dem linken Nilufer.
„Mistvieh, elendes!“ brüllte Ed. Sein Gesicht war verkniffen, und er wirkte ratlos, denn jetzt konnten sie nichts mehr tun, absolut nichts mehr. Da half kein Anker mehr, und es hätte auch nicht geholfen, wenn sie die Segel mit einem Schlag aufgegeit hätten.
Das Ruderblatt stand querab und zeigte in seiner ganzen Länge nach Backbord, das Ruder selbst war ebenfalls bis zum Anschlag nach Backbord gedreht, und die „Isabella“ drehte weiter nach Steuerbord.
„Verdammt“, sagte Dan O’Flynn und ließ die Arme sinken. „Und jeder lausige Flellache hat uns versprochen, Allah möge immer über uns wachen. Und was tut er?“
„Die haben bestimmt gemeint, Allah möge über uns lachen“, sagte Ed grimmig, und das war für lange Zeit der letzte freundliche Satz von ihm, denn von da ab fluchte er nur noch zum Gotterbarmen.
Smoky hatte von der Back aus das sich anbahnende Unheil längst bemerkt und den Männern zugerufen, sie sollten sich mit Stangen und Schiffshaken bewaffnen.
Das hatten sie auch getan, und jetzt stießen Gary Andrews, Stenmark, Bob Grey, Matt Davies, Blacky und die anderen die Haken in den Grund, mit dem Erfolg, daß sie in dem angeschwemmten Schlamm keinen festen Grund fanden und beinahe über Bord gegangen wären.
Vorn und achtern erklang lautes Fluchen. Hasard preßte die Lippen zusammen und schlug mit der Faust auf den Handlauf der Schmuckbalustrade, eine Geste, die seine ganze Hilflosigkeit ausdrückte.
Da gab es einen leichten Ruck, dem gleich darauf ein zweiter, härterer Ruck folgte.
Die Galeone saß fest, und der Profos warf dem Seewolf einen Blick zu, der etwa soviel bedeutete wie: Hättest du auf mich gehört, dann wären wir längst wieder auf dem Rückweg, und das alles wäre uns erspart geblieben.
Old