Seewölfe - Piraten der Weltmeere 189. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 189 - Roy Palmer


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Draufgängers und Schnapphahns verschwamm und ging im Nichts unter, und daran konnte auch seine aufrechte Haltung nichts ändern, die er bis jetzt bewahrt hatte.

      Donato faßte einen Entschluß.

      Immer noch sah er zu Sabicas, und ihre Blicke trafen sich plötzlich. Täuschte er sich – oder zuckte der Andalusier wirklich zusammen?

      „Fallen Anker!“ schrie Sabicas.

      Der Kalabrier fuhr zu den neun Männern auf der Kuhl herum und wiederholte den Befehl.

      Dann rauschte der Buganker der „El Cisne“ an seiner Trosse aus, und wenig später fierten die Piraten unter Flüchen das Beiboot ab. In Lee enterten sie auf die Duchten der Jolle ab, legten ab, pullten an und entfernten sich durch die aufgewühlten Fluten von ihrem Schiff.

      Die „El Cisne“ schwoite an ihrer Ankertrosse, aber sie konnte jetzt nicht mehr gegen die Felsenmauern schlagen. Der Stockanker hatte sich fest genug in den Grund der Bucht gegraben, und die Trosse ließ nicht genügend Spiel. Vorläufig war die Galeone der Freibeuter ausreichend gesichert.

      Die Felsenbucht lag im Westen der Insel. An ihrer östlichen Seite öffnete sich wie der Einlaß zu einem geheimnisvollen Gewölbe eine Grotte, deren schartige Decke auch bei auflaufendem Wasser hoch genug lag, um eine Jolle passieren zu lassen.

      Sabicas, der sich auf der achteren Ducht des Bootes niedergelassen hatte, bediente die Ruderpinne und steuerte geschickt mitten in die Grotte hinein.

      Dunkelheit umfing die schweigend pullenden Männer. Laut hallte das Rauschen des Wassers von den Gesteinswänden wider. Eine Welle hob das Boot hoch und drohte es unter die Decke zu schmettern. Instinktiv zogen die Insassen die Köpfe ein. Aber dann erwies sich die Geste doch als übertriebene Vorsichtsmaßnahme. Die Woge schlug nicht hoch genug, um sie samt ihrem Gefährt an dem rauhen Vulkangestein zerdrücken zu können.

      Immer tiefer schob sich die Jolle in den Wasserstollen – und der Sturm tobte mit voller Kraft über Ngau hinweg.

      2.

      Das Ruderhaus erzitterte unter den Hieben des Sturmes. In seinem Inneren mußte man unweigerlich zu der Überzeugung gelangen, daß die nächste Sturmbö es mühelos vom Quarterdeck losrupfte und kopfüber in die Fluten beförderte. Es knackte und knirschte, und das Dach des Häuschens schien wie dünnes chinesisches Reispapier auf und ab zu flattern.

      Der Seewolf stand neben seinem Rudergänger Pete Ballie und rief ihm zu: „Hart Steuerbord, Pete!“

      „Hart Steuerbord, Sir!“ Das Ruderrad begann sich unter Petes schwieligen Fäusten zu drehen.

      Hasard beugte sich aus dem Ruderhaus, klammerte sich am Türrahmen fest und schrie Ben Brighton, der ihm am nächsten stand, zu: „Ben, wir halsen und gehen Kurs Norden!“

      „Kurs Norden – aye, Sir!“

      Ben hielt sich an der Balustrade zwischen Quarterdeck und Kuhl fest und gab die Order weiter. Von unten drangen ein paar undefinierbare Rufe zu Hasard, Ben und Pete herauf, aber danach war Carberrys Stimme klar im Heulen des Wetters zu vernehmen.

      „Schiften, ihr Kanaillen, und herum mit der Lady, anluven und auf neuen Kurs, dalli, dalli, oder ich mach euch Feuer unter dem Arsch! Donegal, du Stint, nimm deine verfluchte Krücke weg, sonst stolpere ich noch darüber. Beim Donner, Jeff – he, Jeff Bowie! Muß ich dir ein paar Silberbarren in die Taschen stopfen, damit du nicht über Bord gehst? Hölle, Mann, ich spring dir nicht nach, wenn es dich erwischt, merk dir das, du gehörnte Makrele! Hölle und Teufel, Donegal, haust du endlich ab? Was hast du hier auf der Kuhl verloren?“

      Der alte O’Flynn antwortete zwar, aber seine Worte gingen in dem Getöse des nächsten Brechers unter, der über die „Isabella“ wegflutete.

      Alles schien diese Riesenflut von zischendem, schäumendem Wasser unter sich zu begraben, der von Old O’Flynn prophezeite Untergang schien gekommen zu sein, und als erstes mußte das Ruderhaus fortgerafft werden. Es krachte und donnerte, und das Wasser schoß Hasarad zwischen den Beinen hindurch. Es riß seine Füße weg, und er wäre fortgespült worden, wenn er sich nicht mit beiden Händen festgehalten hätte. Pete Ballie fluchte und hustete und schien Salzwasser geschluckt zu haben. Es knackte in den tiefsten Verbänden der „Isabella“, und jeden Augenblick schien es das Schiff in zwei oder drei Teile zu zerreißen.

      Aber das Ruderhaus hielt sich wacker in seinen Verankerungen, und auch die Planken und Verbände trotzten dem Sturm.

      Pete Ballie spuckte aus, stemmte sich mit aller Kraft gegen das Ruderrad und rief: „Ich halte Hartruder, Sir, aber, verdammt, wenn das Ruder bricht, sind wir verraten und verkauft!“

      „Das verdammte Ruder hat nicht zu brechen, Mister Ballie!“ schrie der Seewolf. „Schreib dir das hinter die Ohren!“

      „Aye, aye, Sir!“

      Von der Kuhl ertönte wieder das Organ des Profos’: „Donegal, verhol dich, du Rochen, oder ich werde ungemütlich. Du störst mich in der Ausübung meiner … Heda, ihr Satansbraten! Braßt an, braßt an, oder es haut euch die Sturmsegel um die Ohren!“

      Dann verfiel er in sein grauenvolles Spanisch: „O, ihr spanischen Himmelhunde, was seid ihr doch bloß für Gestalten! Packt die verdammte Schot an, ihr seekranken Heringe, und laßt sie nicht mehr los, oder ihr fliegt achtkantig von Bord! Donegal, du fliegst gleich hinterheeer …“

      Wieder rollte ein Brecher donnernd gegen die „Isabella“ an und ließ alle weiteren Worte Carberrys in seinem Lärmen untergehen. Diesmal rauschten die Fluten jedoch nicht von Backbord heran, sondern erreichten die Galeone mitten im Manöver von achtern. Sie stemmten ihr Heck hoch, hüllten das Achterkastell in einen Mantel von Gischt, drückten das ganze Schiff mit jähem Schub voran und verwandelten die Decks in einen einzigen glatten Abhang.

      Old O’Flynn glitt auf der Kuhl aus, hieb Carberry die Krücke gegen das Schienbein und wäre um ein Haar tatsächlich außenbords gegangen, wenn der Narbenmann sich nicht gedankenschnell nach ihm umgewandt hätte. Ein Griff seiner Pranke genügte, und der Alte hing zappelnd und fluchend in der Luft.

      Mit der anderen Hand hielt sich der Profos am Manntau fest. Es war ein richtiges Wunder, daß er noch stehen konnte, fast alle anderen hatte es umgerissen. Big Old Shane war mit Ferris Tucker ins Gehege geraten, und sie waren ein Stück übers Deck gerutscht und gegen die Gräting geprallt. Jetzt rappelten sie sich wieder auf und brüllten sich gegenseitig an.

      Carberry hingegen stand wie ein Baum, schüttelte Old O’Flynn wie einen beim Naschen ertappten Moses und schrie: „Donegal, du Filzlaus, ich hab dir doch gesagt, du sollst dich mit deiner verfluchten Krücke verkrümeln!“

      „Du läßt mich ja nicht vorbei!“

      „Du triefäugiger …“

      „Halt dich zurück, Profos“, brüllte der Alte.

      „Wohin willst du denn, du Gewitteraal?“

      „Ins Achterdeck natürlich – zu Hasard junior und Batuti!“

      Carberry ließ einen grunzenden Laut vernehmen, der im Heulen des Sturmes und im Donnern der See unterging. Dann beförderte er Old Donegal in Richtung auf das Achterdecksschott und entließ ihn mit einem saftigen Fluch und einem wütenden „Das hättest du ja auch gleich sagen können“.

      Die „Isabella“ ging auf neuen Kurs und krängte so schwerfällig wie ein todwundes Riesentier vom einen auf den anderen Bug. Mit Steuerbordhalsen segelte sie jetzt nordwärts – hart am Korallenatoll vorbei oder mit Wucht direkt auf die tückischen Bänke, die in der kochenden See weder zu sehen noch zu ahnen waren.

      Pete Ballie und sein Kapitän hielten das Ruderrad gemeinsam. Sie bissen beide die Zähne aufeinander, preßten die Lippen zusammen und sprachen kein Wort.

      Jetzt mußte sich zeigen, ob Hasards Manöver schnell genug erfolgt war.

      Aber kein Schaben und kein häßliches Krachen, kein Ruck, der durch


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