Seewölfe - Piraten der Weltmeere 371. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 371 - Burt Frederick


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entwickeln? So etwas trübt nur den klaren Blick und verleitet zu Fehlern. Killigrew hat der spanischen Krone unermeßlichen Schaden zugefügt. Das ist für mich ein ausreichender Grund, ihn zur Strecke zu bringen. Im übrigen hätte mir die Begegnung mit ihm an Bord der ‚Santa Clara‘ wenig genutzt. Unter den gegebenen Umständen hätte ich wohl kaum eine Chance gehabt, ihn festzunehmen.“

      Wieder diese entwaffnende Offenheit. Arne begann, ein gewisses Maß an Achtung vor diesem Mann zu empfinden. Es schien zu Don Juan de Alcazars ehernen Grundsätzen zu gehören, nichts zu beschönigen. Auch dann nicht, wenn er sich dadurch selbst in ein ungünstiges Licht rückte.

      Von Manteuffel zog die Schultern hoch.

      „Allmählich ahne ich den Grund für Don Gabriels Anwesenheit.“ Er blickte den Mann mit dem Knebelbart an, und im selben Moment durchfuhr ihn ein bestürzender Gedanke: Wenn sich der Kapitän jetzt daran erinnerte, daß er ihm die Einzelheiten über die Perlenladung und den Kurs der „Santa Clara“ im Vollrausch verraten hatte? Würde er mit Don Juan darüber gesprochen haben?

      Falls es so sein sollte, fehlte dem Agenten der Krone aber immer noch das letzte Glied in der Kette der Mußmaßungen. Denn niemand konnte von der Nachrichtenübermittlung per Brieftaube auch nur das geringste ahnen. Aber Arne brauchte Gewißheit. Er beschloß, den trinkfreudigen Kapitän auf die Probe zu stellen. „Übrigens können wir es meinetwegen gern bei der Gewohnheit belassen, Don Gabriel. Nennen Sie mich getrost weiter ‚Alfredo‘, wie Sie es beim Bankett des Gouverneurs taten.“

      Tintillan lief rot an und erntete einen erstaunten Seitenblick de Alcazars.

      „Habe ich das getan?“ entgegnete Don Gabriel verlegen. „Dann muß ich nachträglich um Verzeihung bitten. Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern. Es muß wohl daran gelegen haben, daß – daß die Zeit schon ziemlich fortgeschritten war.“

      Arne atmete innerlich auf, ohne es sich anmerken zu lassen. Tintillans Gedächtnis schien tatsächlich vom Alkohol umnebelt gewesen zu sein. Keine Gefahr also, daß er sich an unliebsame Gesprächsdetails erinnerte.

      „Scherze nehme ich niemandem übel“, sagte Arne. Er winkte ab und lehnte sich zurück. „Hauptsache ist doch, daß Sie wohlbehalten nach Havanna zurückgekehrt sind. Wenn ich die Ungereimtheiten richtig verstanden habe, müssen Sie sich in großer Gefahr befunden haben.“

      Don Gabriel war sichtlich froh, daß von Manteuffel das Thema wechselte. Entsprechend bereitwillig folgte der Wortschwall des Kapitäns.

      „Diese Teufelskerle haben uns im Nordausgang der Florida-Straße erwischt, vor Groß-Bahama. Erst haben sie uns mit ihrer portugiesischen Flagge überrumpelt, und dann ging alles so schnell, daß wir kaum noch zur Besinnung gelangten. Jedenfalls haben die Piraten meine Crew und mich bei Jupiter an Land gesetzt. Mit einigen Mühen ist es uns gelungen, Jupiter zu erreichen. Dort haben wir uns eine Schaluppe verschafft, mit der wir nach Havanna segeln konnten. Gestern sind wir hier eingetroffen.“

      Während Tintillan sprach, hatte de Alcazar die linke Augenbraue hochgezogen. Und der Blick, mit dem er den Kapitän von der Seite her maß, zeigte unverhohlenes Mißfallen. Warum er sich so verhielt, vermochte Arne indessen noch nicht festzustellen.

      „Wenn ich versuche, mir die Lage an Bord der ‚Santa Clara‘ vorzustellen“, sagte er nachdenklich, „dann überrascht mich eines: Dieser angeblich so gefährliche englische Pirat scheint ein sehr höflicher Mensch zu sein. Nach dem Kapern einer spanischen Handels-Galeone hätten andere an seiner Stelle wahrscheinlich die gesamte Besatzung massakriert, statt dafür zu sorgen, daß sie wohlbehalten die Küste erreicht.“

      Bei diesen Worten begann das Gesicht Tintillans zu strahlen.

      „Oh, Sie haben recht, Señor de Manteuffel!“ rief er, und es klang geradezu begeistert. „Dieser Pirat Killigrew hat mich in der Tat wie ein Kavalier behandelt. Die Engländer würden ihn einen ‚Gentleman‘ nennen, glaube ich. Ja, das ist er im wahrsten Sinne des Wortes. Beim Angriff auf unser Schiff hatte ich das Schlimmste befürchtet. Aber dann wurde ich angenehm überrascht. Es war beinahe eine Ehre, diesem Mann den Degen zu überreichen.“

      „Geraten Sie nur weiter ins Schwärmen, Don Gabriel“, sagte de Alcazar gereizt. „Sind Sie sich darüber im klaren, daß Sie von einem berüchtigten Piraten sprechen? Von dem zur Zeit vermutlich schlimmsten Feind der spanischen Krone?“

      Arne begriff jetzt, was in Don Juan vor sich ging. Und es erfüllte ihn mit geheimem Vergnügen, daß die Worte Tintillans dem Agenten völlig gegen den Strich gingen. Diese „Schwärmerei“ paßte nicht zu dem Feindbild, das er sich zurechtgelegt hatte. Wenn er auch keinen persönlichen Haß auf den Mann empfand, den er jagen sollte, so brauchte er doch die Gewißheit, daß er es mit einem Piraten im landläufigen Sinne zu tun hatte. Und ein solcher Pirat mordete und brandschatzte, sorgte aber nicht dafür, daß seine Gefangenen wohlbehalten an Land gebracht wurden.

      „Ich weiß durchaus, von was ich rede“, sagte Don Gabriel aufbegehrend. „Die Piraten haben mein Schiff geentert und in ihre Gewalt gebracht. Das ändert aber nichts daran, daß sie sich verdammt anständig benommen haben. Diese Aussage werde ich jederzeit wiederholen und auch beschwören. Recht muß Recht bleiben.“

      Don Juan de Alcazar preßte unwillig die Lippen aufeinander. Die Furchen seiner Stirn ließen vermuten, daß er zumindest irritiert war. Wenn er keinen zweiten Versuch unternahm, Tintillan vom Gegenteil zu überzeugen, dann mußte dies zumindest bedeuten, daß er ein wenig über den Seewolf nachzudenken begann. Mit einer ruckartigen Kopfbewegung wandte er sich Arne zu.

      „Das ganze Gerede lenkt nur vom Kern der Sache ab, Señor de Manteuffel. Die Aussage von Capitán Tintillan bestätigt klipp und klar, daß es aufgrund der Ähnlichkeit zwischen Ihnen und Killigrew einen Zusammenhang geben muß.“

      Arne lachte leise.

      „Ich weiß, daß das Ihr Lieblingsthema ist, Don Juan. Aber Sie können darauf herumreiten solange Sie wollen, es wird Ihnen doch nichts einbringen.“ Das Lächeln schwand aus seinem Gesicht, und sein Tonfall wurde eisig. „Ich wiederhole mich nicht gern, aber ich habe es Ihnen bereits erklärt: Ich bin Deutscher. Meine Familie und ich haben keinerlei Beziehungen zu England. Nicht einmal unser Handelshaus pflegt Kontakte mit England. Jagen Sie meinetwegen Ihrer fixen Idee nach. Aber verschonen Sie mich damit. Ich habe nämlich keine Lust, ständig mit ihrem Señor Killigrew verglichen zu werden. Im übrigen bitte ich um Verständnis, daß meine Zeit knapp bemessen ist. Ich muß mich nämlich um mein Schiff kümmern, das heute noch auslaufen soll.“ Er erhob sich aus seinem Sessel, und Don Juan hätte schon ein Einfaltspinsel sein müssen, um diesen Wink mit dem Zaunpfahl nicht zu verstehen.

      „Nun, ich werde Ihre wertvolle Zeit nicht über Gebühr beanspruchen“, antwortete de Alcazar sarkastisch. „Aber ich bin nicht sicher, ob wir uns nicht doch noch einmal über dieses Thema unterhalten werden.“ Er stand auf, und Tintillan folgte seinem Beispiel.

      Don Juan de Alcazar verabschiedete sich mit einem knappen Nicken. Und Arne von Manteuffel bemühte sich nicht, die entstandene frostige Atmosphäre durch einen höflicheren Abschiedsgruß zu mildern.

      Durch den rückwärtigen Hauseingang erschien Jussuf auf der Bildfläche, kaum daß die beiden Spanier gegangen waren. Mit besorgter Miene eilte er durch das Halbdunkel des Korridors auf von Manteuffel zu.

      „Ich habe gewartet, bis die Luft rein ist“, sagte der Türke. Er zwirbelte seinen Schnauzbart und spähte forschend in die Gesichtszüge des hochgewachsenen Deutschen, mit dem er sich in gewohnter Weise auf Spanisch unterhielt. Ihnen beiden brachte das den Vorteil, sich auch sprachlich der Umgebung in Havanna anzupassen. „Wollte durch mein Auftauchen nicht noch mehr Verdruß bringen.“

      Arne klopfte dem stämmigen Mann mit den wie poliert aussehenden schwarzen Augen auf die Schulter.

      „Woher willst du wissen, daß es Verdruß gegeben hat?“

      „Nun, die Stimmen klangen nicht gerade freundlich. Und da habe ich gedacht, vielleicht stellen diese Señores nur noch mehr unangenehme Fragen, wenn sie mich sehen.“

      „Schon


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