Seewölfe - Piraten der Weltmeere 278. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 278 - Roy Palmer


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folgte ihm, dann erschienen Friedkins Kopf und Oberkörper über dem Heck. Callaghan wollte sich gerade auf den einen Söldner stürzen, der ihm den Rücken zuwandte, da geschah etwas ebenso Unerwartetes wie Erstaunliches.

      Ein Pfiff ertönte. Norman Stephens, das Mädchen, die beiden Vermummten und die Söldner fuhren geistesgegenwärtig herum – und vom Deck des Bootes wuchsen Gestalten hoch, die sich eben noch auf die Planken gekauert hatten. Die eine von ihnen – Dan O’Flynn – hatte den Pfiff ausgestoßen.

      Callaghan stieß einen Fluch aus. Die Überraschung war geplatzt, alles war ein abgekartetes Spiel, ein Trick, um ihn und seine Leute hereinzulegen. Aber das begriff er zu spät. Friedkin war nun auch an Bord, Kilkenny ebenfalls, Malone kletterte eben über die Bordwand, ein Zurück gab es nicht mehr.

      Henrietta Burke warf mit einem einzigen Ruck ihres Kopfes und Körpers die Haube, das Kopftuch und den bodenlangen Umhang ab, den sie trug – und jetzt stellte sich heraus, daß sie gar nicht Henrietta Burke war, nicht einmal ein anderes Mädchen, das ihren Platz eingenommen hatte. Sie entpuppte sich als jener Kerl mit der Eisenhakenprothese, der Callaghan schon im Gefangenen-Außenlager angegriffen hatte: Matt Davies.

      Auch die „Dienerschaft“ entledigte sich ihrer Vermummung. Hasard, der „Bucklige“, richtete sich zu seiner vollen Größe auf, Big Old Shane, der dicht neben ihm stand, riß sofort mit wölfischem Grinsen seinen schweren Schiffshauer hoch. Norman Stephens zückte seinen Degen, die Söldner hatten ebenfalls ihre Waffen in den Händen, und mit Dan O’Flynn erhoben sich Batuti und Gary Andrews aus ihren Verstecken.

      „Ihr Hurensöhne!“ brüllte Callaghan und stürzte sich mit seinem Säbel auf den Söldner, der ihm am nächsten stand.

      Dan O’Flynn stellte ihm jedoch ein Bein, und Batuti hieb mit beiden Fäusten zu. Er traf Callaghans Halspartie, Callaghan brach auf den Planken zusammen und rollte zur Reling.

      „Verrat!“ schrie Cohen und riß seinen Säbel und sein Messer gleichzeitig hoch.

      „Werft sie über Bord!“ rief Norman Stephens. Im nächsten Augenblick stand er neben Hasard und Shane und drängte die Angreifer bis zum Heck zurück.

      Am Ufer peitschten die ersten Schüsse auf. Jim, Arnoldo und die anderen im Dickicht hatten begriffen, was gespielt wurde, und versuchten, ihren Kumpanen so gut wie möglich Beistand zu leisten. Sie zielten auf die Pferde und die Gestalten der Söldner, die jetzt überall am Ufer auftauchten und sich anschickten, das Gebüsch zu stürmen.

      Henrietta Burke, die Zwillinge und Arwenack, der Schimpanse, hielten sich vorläufig im Hintergrund, wie Hasard und Stephens ihnen befohlen hatten. Gleich nach dem Zusammentreffen der Stephens-Truppe mit den Seewölfen war der Plan nach Hasards Vorschlägen geschmiedet und in die Tat umgesetzt worden.

      So hatten sich Hasard, Shane und Matt Davies verkleidet und Henriettas Platz auf dem Flußboot eingenommen, damit sie bei dem bevorstehenden Überfall der Rebellen auf keinen Fall gefährdet wurde. Der größte Teil der Söldner, die sich vorher noch an Bord des Bootes befunden hatten, hatte sich ebenfalls an Land begeben, denn Callaghan und seine Leute sollten glauben, daß man ihnen an Bord keinen großen Widerstand entgegensetzen konnte.

      Der Plan hatte funktioniert, die Rebellen waren in die Falle gegangen. Auf dem Boot herrschte wildes Gebrüll, an Land wurde wie verrückt geschossen, plötzlich war der Teufel los.

      Henrietta Burke, die von den Zwillingen Philip und Hasard beschützt wurde, konnte von ihrem Uferversteck aus nicht allzuviel von dem Kampfgeschehen verfolgen, aber als sie einmal den Hals reckte und auf den Fluß hinausspähte, sah sie, wie die Seewölfe auf dem Boot um sich hieben. Da mußte sie unwillkürlich lächeln und dachte: Hasard, was bist du doch für ein Teufelskerl!

      Sie konnte die Fairneß dieses Mannes nur bewundern. Es war nämlich Hasards Vorschlag gewesen, die Schußwaffen nur im äußersten Notfall einzusetzen, zumindest an Bord des Bootes. Wie leicht wäre es ihm und seinen Helfern gefallen, einfach auf die fünf Angreifer zu feuern! Aber so einfach machte er es sich nicht – lieber steckte er selbst ein paar Verwundungen ein. Callaghan, Cohen und die drei anderen konnten nicht schießen, sie hatten nur ihre Blankwaffen. Darum ließen die Seewölfe ihre Pistolen in den Gurten stecken.

      Auch Norman Stephens und seine beiden Söldner hielten sich daran. Und auch Stephens warf seinem neugewonnenen Freund Killigrew immer wieder Blicke zu und dachte: Mann, Hasard, an dir sollte sich Burke mal ein Beispiel nehmen. Es würde sich lohnen.

      Das aber hätte ein George Darren Burke nie getan. Er war nur auf seinen persönlichen Vorteil aus, und um seine Ziele zu erreichen, bediente er sich jedes Mittels, egal, welcher Art dies war.

      Von dem Kampf, der am Corrib River tobte, vernahm Burke jedoch nichts, denn der Lärm drang nicht ganz bis nach Galway und zu seinem Familiensitz, wo er bequem in seinem Lieblingssessel saß und auf neue Nachrichten wartete.

      Aber jemand anders wurde auf das Krachen der Schüsse und das Schreien der Männer aufmerksam: Kathryn Stephens, Sally Middlebar, Jade, Eileen und Tara.

      2.

      Kathryn, die ganz vorn ritt, zügelte als erste ihr Pferd.

      „Habt ihr das gehört?“ stieß sie hervor.

      Sally brachte ihr Tier neben der Freundin zum Stehen. „Natürlich. Furchtbar klingt das. Mein Gott, was geht da nur vor?“

      „Das können nur die Rebellen sein“, sagte Tara. Ihre Stimme bebte ein wenig, obwohl sie sich darum bemühte, sich ihre plötzlich aufkeimende Furcht nicht anmerken zu lassen.

      Kathryn hob den Kopf und lauschte angestrengt. „Weit entfernt von uns sind sie nicht. Allmächtiger, war das eben nicht die Stimme von Norman?“

      „Das ist unmöglich herauszuhören“, sagte Sally.

      „Das sagst du nur, um mich zu beruhigen!“ stieß Kathryn hervor. „Norman ist in Gefahr! Die Rebellen haben ihn und seine Truppe angegriffen!“

      „Dann sehen wir doch nach, was los ist“, drängte Eileen. „Auf was warten wir noch?“

      Angst hatten sie nun alle fünf, doch die Sorge um ihre Männer trieb Kathryn und Sally voran, und Eileen, Jade und Tara folgten den Freundinnen, ohne zu zögern. Sie hatten sich geschworen, sich gegenseitig zu unterstützen, und dabei blieb es auch. Sie wären keine hartnäckigen, temperamentvollen Irinnen gewesen, wenn sie schon bei der ersten Schwierigkeit, die auftauchte, aufgesteckt hätten und umgekehrt wären.

      Im Galopp jagten sie durch den Wald von Connacht, die Köpfe tief über die Mähnen der Pferde gebeugt. Der Fluß rückte näher, das Schießen und Schreien wurden zusehends lauter.

      Kathryn, die sich wie vorher an die Spitze des Pulks gesetzt hatte, wollte noch ein Stück dahinrasen, dann das Tier zügeln, es irgendwo verbergen und den Rest der Strecke zu Fuß zurücklegen, doch ihre Pläne wurden durch einen Zwischenfall durchkreuzt, mit dem weder sie noch ihre Begleiterinnen gerechnet hatten.

      Plötzlich strauchelte ihr Pferd über eine Baumwurzel. Es knickte in den Vorderläufen ein und überschlug sich auf dem Boden. Kathryn gelang es gerade noch rechtzeitig genug, sich aus dem Sattel zu werfen, sonst wäre sie unter dem Leib des Tieres begraben und zerquetscht worden. Sie rollte sich ab und landete in einem niedrigen Gesträuch.

      Das Pferd blieb mit einem Wehlaut, der beinah menschlich klang, liegen und rührte sich vorerst nicht mehr. Sally stoppte rechtzeitig ab, damit ihr Tier nicht über das verunglückte Pferd stolperte. Auch Eileen, Jade und Tara handelten geistesgegenwärtig und hielten ihre Tiere an.

      Kathryn wollte sich gerade wieder aufrappeln, da wurde sie von zwei starken Händen, die urplötzlich aus dem Dickicht hervorschossen, gepackt und zurück auf den Untergrund gezerrt.

      „Kathryn“, fragte Sally, „hast du dir weh getan?“

      Norman Stephens’ Frau antwortete nicht. Sie konnte es nicht, denn die eine Hand preßte sich ihr gegen den Mund, die andere hatte


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