Seewölfe - Piraten der Weltmeere 558. Fred McMason
gab es doch irgendwo einen Durchlaß, der sie wieder ins Mittelmeer führte, wie es die Karten nur unzulänglich beschrieben, die sie auf einer der Seychelleninseln gefunden hatten?
Bisher hatte ihnen das niemand sagen können. Auch der Händler hatte nur freundlich gegrinst und beide Hände gehoben. Er wußte nicht einmal, wie groß das Meer war. Und ob es eine Verbindung zu einem anderen Meer gab, interessierte ihn persönlich überhaupt nicht, denn er hatte auch nicht vor, dieses Chernoye More zu verlassen.
Man war eben im Schwarzen Meer – basta, Feierabend. Was sollte man sich da große Sorgen machen? Hauptsache, es war genügend Wasser da, und daran herrschte wahrhaftig kein Mangel.
Der russische Händler hatte ihre Sorgen und ihre Neugier nicht begreifen können, für ihn war das unwichtig und belanglos.
„Laß das eine Fäßchen an Deck, Gary“, sagte Hasard zu Gary Andrews, der es gerade nach unten stauen wollte. „Wir werden einen Schluck probieren und dabei überlegen, wie es weitergeht.“
Gary ließ das Fäßchen mit dem Wodka stehen und öffnete es. Der Kutscher brachte ein paar Mucks an Deck, die er an die Männer verteilte. Mac schenkte ein.
Dann probierten sie und schnalzten mit den Zungen, Sie hatten schon einmal die Bekanntschaft mit Wodka geschlossen. Aber dieser hier war schärfer und besser.
„Ein wirklich feines Wässerchen“, sagte der Profos anerkennend. „Davon verstehe ich was. Ganz hervorragend. Das muß ich gleich noch einmal versuchen, war auch sowieso nicht viel drin in der Muck.“
„Da war genauso viel drin wie in den anderen“, widersprach Mac Pellew. „Aber du mußt ja gleich immer alles auf einmal saufen.“
Er goß dem Profos noch einmal nach, der mit Kennermiene an dem Wässerchen schnupperte.
„Darauf, daß wir einen Ausgang aus diesem Meer finden“, sagte Hasard, als er die Muck hob. „Im Augenblick sieht es noch nicht danach aus. Cheers!“
„Was nicht ist, kann noch werden“, tröstete der Profos. „Wir werden schon eine Furt finden.“
„Mit einer bloßen Furt ist uns nicht gedient, Ed. Wenn wir eine Furt finden, wie du das ausdrückst, dann war dieser ganze lausige Törn einschließlich aller Strapazen und der Verluste des Schiffes für die Katz. Dann geht es wieder über Land weiter.“
„Ich weiß, Sir, aber ich habe noch Hoffnung. Immerhin wissen wir, daß wir uns im Schwarzen Meer befinden.“
Hasard lachte stoßartig auf und trank die Muck leer. Dann drückte er sie Mac in die Hand.
„Schwarzes Meer ist gut, das sagt allerdings nicht mehr aus, als daß dieses Meer von der Farbe her schwarzgrau ist. Aber welchen Kurs segeln wir jetzt? Mit dieser Frage beschäftige ich mich seit den letzten Tagen.“
Dan O’Flynn lauschte den Worten seines Kapitäns. Dann grinste er und sah in die Runde.
„Ganz einfach. Nach Süden brauchen wir nicht zu segeln, da kommen wir ja gerade her. Der Nordkurs scheidet ebenfalls aus, denn direkt im Norden liegt Land, wie deutlich zu sehen ist. Bliebe also der Westen oder Nordwesten.“
„Oder der Südwesten“, bemerkte Ben Brighton trocken. „Den haben wir zum Glück auch noch zur Auswahl.“
„Den Karten nach müßten wir nordwärts segeln“, warf Jung Hasard ein. „Aber das geht eben nicht mehr.“
„Die Karten von den Seychellen kannst du vergessen“, meinte Dan, „die haben ihre Schuldigkeit getan und uns ans große Meer geführt. Weitere Informationen enthalten sie leider nicht, und Kartenmaterial konnten wir hier auch nicht auftreiben, weil es so was in der Umgebung nicht gibt.“
Hasard rieb sich das Kinn und lächelte. Aber es war ein eher verlegenes Lächeln, das die ganze vertrackte Lage zeigte.
„Ich gebe zu, daß ich nicht weiß, wie es weitergeht. Von den Küstenbewohnern in dieser Ecke haben wir keine Hilfe zu erwarten. Die kennen nur ihre Orte und die Umgebung. Die Fischer wissen auch nicht mehr. Sie fahren zwei, drei Meilen hinaus und sehen dort immer noch Wasser. Aber sie interessieren sich nur für die Fische und nicht dafür, wie es hinter dem Wasser aussieht. Fazit: Wir sind auf uns allein gestellt, und das einzige, was wir an nautischen Hilfsmitteln haben, ist ein Kompaß. Hat jemand Vorschläge zu unterbreiten?“
Don Juan konnte sich das Grinsen ebenfalls nicht verkneifen, als er sagte: „Wir müssen wie Anfänger dem Küstenverlauf folgen, bis wir einen Überblick haben.“
„Das kann Monate oder unter Umständen sogar Jahre dauern, bis wir diesen Punkt wieder erreicht haben“, sagte Hasard.
„Aber unterwegs könnten wir etwas entdecken, daß es nämlich doch eine Verbindung zu einem anderen Meer gibt. Kolumbus hat sich immerhin auch auf eine Reise begeben, deren Ausgang ungewiß war.“
Diesmal grinsten sie ausnahmslos alle, denn die Situation war irgendwie tragischkomisch. Sie hatten einfach die Orientierung verloren, und dennoch belustigte die meisten das.
„Irgendwie ist das trotzdem zum Heulen“, fand Mac Pellew, und er sah auch so aus, als würde er gleich losheulen. „Da schippert man nun um die ganze Welt, durchquert die größten Meere, und jetzt, in irgend so einem lausigen Ententeich, da finden wir uns nicht mehr zurecht. Ich könnte über mich selbst lachen.“
„Dann tu das doch“, riet der Profos. „Aber du kriegst ja vom Lachen bekanntlich immer Zahnschmerzen. Und ob das hier ein lausiger Ententeich ist, wird sich erst noch herausstellen.“
„Dann stimmen wir doch einfach über den Kurs ab, den wir segeln wollen“, schlug Hasard vor. „Unternehmen wir einen Vorstoß.“
Bei einer weiteren Muck Wodka wurde dann abgestimmt.
Nach der Devise: Nur nichts überstürzen! wurde in der Frühe des nächsten Morgens weitergesegelt.
Sie hatten sich darauf geeinigt, zunächst dem Küstenverlauf in nordwestlicher Richtung zu folgen, um einmal „nachzusehen“, wie weit es dort ginge. Bei dem Wörtchen „nachsehen“ hatte der Seewolf sich wiederum das Grinsen nicht verkneifen können.
Da der Kurs jetzt feststand, herrschte wieder Unbekümmertheit an Bord. Irgend etwas würde sich schon ergeben, wenn nicht, nun, dann ging man eben auf den anderen Kurs.
Das Frühstück, das Mac und der Kutscher dann bereiteten, hob die gute Stimmung noch weiter an, denn auf etwas Kräftiges am Morgen hatten die Arwenacks schon immer großen Wert gelegt.
Die beiden Köche hatten eine Soljanka bereitet, eine Suppe mit Geräuchertem, Schinken und Wurst. Dazu gab es Schwarzbrot mit Schmalz und zum Abschluß Kuchen. Natürlich fehlte auch das morgendliche Bier nicht, was den Profos zu der Bemerkung veranlaßte, im Schwarzen Meer ließe es sich ganz gut leben, und von ihm aus könnten sie noch recht lange weiter herumklüsen.
Mit dem Segeln gab es ebenfalls keine Probleme. Die Dubas hatte eine kleine Fock und zwei Schratsegel. Die Bedienung war denkbar einfach, ebenso wie die Handhabung der Ruderpinne, die jetzt wieder mal Pete Ballie in seinen mächtigen Pranken hielt.
Hasards Blick folgte dem Verlauf der Küste. Alle Augenblicke griff er zum Spektiv und warf einen langen Blick hindurch. Man sah es ihm an, daß ihm diese „Küstenklüserei“ langsam, aber sicher auf die Nerven ging und er ungeduldig wurde. Für den Seewolf war es ungewohnt, nicht zu wissen, wo er sich befand. Doch das erging den anderen ähnlich.
An der Küstenvegetation änderte sich kaum etwas. Die Strände waren dunkel und steinig. Hier und dort gab es mal einen hellen Fleck, eine kleine Landzunge aus hellem Sand mit Steinen. Weiter zum Landesinnern hin stiegen Berge an, die mitunter so hoch waren, daß ihre Grate sich im Nebel verloren.
Aber hier wuchsen auch kleine Palmen und Bäumchen, die grünlichgelbe Früchte trugen. Hin und wieder waren dichte Wälder zu sehen.
Es war immer noch warm, ein angenehmes Klima, obwohl der Jahreszeit nach jetzt bald der Herbst beginnen mußte.
Auch