Seewölfe - Piraten der Weltmeere 393. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 393 - Roy Palmer


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Bord los. Lekbir war nicht der einzige, der sich gegen ihn aufgelehnt hatte. Schon als die Schebecke in den südlichen Roßbreiten bekalmt worden war, hatten sich zwei andere Kerle aufsässig gezeigt. Mubarak hatte sie rücksichtslos erdolcht und anschließend über Bord werfen lassen.

      Ein anderer Kerl war krank geworden und gestorben. Die Angst vor einer Ansteckung ging noch immer um, obwohl keiner genau wußte, woran der Kumpan gelitten hatte. Die Ungewißheit ließ sie unruhig werden. Und jetzt noch ein Schwachsinniger – alle Anzeichen schienen auf Pech hinzudeuten. Böse Omen schwebten über der Schebecke, Allahs Schwert konnte sie jeden Augenblick treffen.

      Doch am Nachmittag dieses Tages änderte sich die Lage schlagartig.

      „Boot voraus!“ meldete einer der Ausgucks. „Eine Jolle mit acht Riemen!“

      Die Mienen der Kerle hellten sich auf.

      „Wo ein Boot ist, kann auch das Land nicht fern sein“, sagte Selim.

      „Oder ein Schiff“, sagte Mubarak, dann legte er den Kopf in den Nacken. „Wie viele Männer befinden sich an Bord?“

      „Sieben“, erwiderte der Ausguck.

      „Weiße?“

      „Giaurs!“ Der Ausguck spähte immer noch durch seinen Kieker, ohne ihn abzusetzen.

      „Was tun sie?“

      „Sie angeln.“

      „Sind Sie Schiffbrüchige?“

      „So sehen sie nicht aus“, antwortete der Ausguck. „Ihre Kleidung ist in Ordnung, ihre Gesichter sind nicht verzweifelt. Sie haben Frieden im Herzen.“

      „Sehr gut“, sagte Mubarak. „Aus all dem schließe ich, daß die Küste nicht weit sein kann. Die Hunde müssen Spanier sein, wahrscheinlich befindet sich einer ihrer Häfen in der Nähe. Oder ein Fort.“

      „Das man ausplündern und niederbrennen kann“, sagte Selim. Sein hageres Gesicht war verzerrt.

      „Kurs auf die Jolle!“ befahl Mubarak. „Wir kapern sie und schneiden den Giaurs die Kehlen durch. Nur einen von ihnen lassen wir am Leben. Er muß uns verraten, wo sein Schiff ist.“

      2.

      Nicht Spanier saßen auf den Duchten der achtriemigen Jolle, sondern fünf reinblütige Engländer, ein Holländer und ein Schwede. Sie hießen Dan O’Flynn, Sam Roskill, Piet Straaten, Stenmark, Jeff Bowie, Jack Finnegan und Paddy Rogers.

      Ihr Schiff war die „Isabella IX.“, die zur Zeit in der großen Bucht von Great Abaco ankerte, weil es einige Zwischenfälle und Verzögerungen gegeben hatte – zum Beispiel mit Don Juan de Alcazar oder mit der „Golondrina“, deren Schiffsführung und den siebzig Mixteken. Anderenfalls wäre die „Isabella“ nach der Geleitzugschlacht, die vor den Bahamas getobt hatte, längst zur Schlangen-Insel zurückgekehrt.

      Wäre Mubarak davon etwas bekannt gewesen, dann hätte er mit größter Wahrscheinlichkeit seine Taktik geändert. Er hätte sich versteckt und die Jolle nicht angegriffen. Er hätte auf die „Isabella“ gewartet und wäre ihr als Fühlungshalter bis zur Schlangen-Insel und nach Coral Island gefolgt. Denn dort lagerte bereits alles, was er sich von seinem Abstecher in die Karibik erhoffte: Gold, Silber, Diamanten und Perlen in unvorstellbaren Mengen.

      Doch Mubarak war ahnungslos. Er näherte sich diesem ersten Vorboten der Neuen Welt, von dem er annahm, daß es sich um eine Jolle der Spanier handele. Schließlich gab es nicht nur dunkelhaarige, sondern auch blonde Spanier, das war erwiesen.

      Dan war der Bootsführer. Mit seiner kleinen Crew war er auf „Proviantbeschaffung“. Sie angelten, um die immer knapper werdenden Vorräte der „Isabella“ zu strecken. Schließlich hatten sie mit den Mixteken siebzig Esser mehr an Bord, die versorgt werden mußten, zumal sie an Bord der „Golondrina“ unter menschenunwürdigen Bedingungen eingepfercht gewesen waren und kaum etwas zu essen erhalten hatten. Sie waren bis auf die Knochen abgemagert, vor allem die Kinder und die Frauen mußten wieder aufgepäppelt werden.

      Die Nahrungsfrage war das vordringliche Problem. Das Fangergebnis am Vortag war erstaunlich gut gewesen, aber die Beute reichte immer noch nicht aus. Aus diesem Grund war Dan mit seiner Crew früh am Morgen ausgelaufen. Sorgfältig hatten sie den Angelplatz gewählt. Inzwischen war es ihnen gelungen, fünfzehn große, zehn- bis zwölfpfündige Zackenbarsche, Umber, Makrelen, Zahnfische und auch ein paar Heringe zu fangen.

      Die Jolle war gut beladen. Neben den Fischen lagen die Handfeuerwaffen und die Blankwaffen der Männer, außerdem zwei Flaschenbomben, die Ferris Tucker Dan vorsorglich mitgegeben hatte.

      „Man kann nie wissen, was passiert“, hatte der rothaarige Riese gesagt.

      Das stimmte – gerade auf Great Abaco hatte es für die Arwenacks immer wieder höchst unangenehme Überraschungen gegeben. Man mußte auf jeden Eventualfall vorbereitet sein. Das lehrte die Erfahrung.

      Immerhin: Der Kutscher hatte Hasard mittlerweile gemeldet, daß für den verletzten Don Juan de Alcazar keine Gefahr mehr bestünde. Don Juan hatte aus dem Kampf gegen Don Ignatio Churruca, dem Kapitän der inzwischen versenkten „Golondrina“, einen Schultersteckschuß davongetragen. Der Seewolf hatte ihm in der Notlage geholfen. Und der Kutscher hatte die Kugel aus der linken Schulter geholt. Das Operationsergebnis war positiv.

      So hatte Don Juan es sich nicht nehmen lassen, den Vorsitz der Gerichtsverhandlung gegen Don Ignatio, den Zweiten Offizier der „Golondrina“ und den Mörder Gomez Segura zu führen. Die Geschworenen hatten die drei Delinquenten zum Tod verurteilt, und sie waren unverzüglich gehenkt worden.

      Don Juan war stark und widerstandsfähig, aber das Fieber, die Schmerzen und die erlittenen Strapazen waren doch nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Er brauchte noch Ruhe und Schonung.

      Der Kutscher hatte sich wie immer sehr korrekt gezeigt. Man müsse noch zwei bis drei Tage abwarten und sehen, ob sich Komplikationen bei dem Patienten einstellten, hatte er zum Seewolf gesagt.

      Hasard willigte wieder einmal achselzuckend ein.

      „Es ist wohl meine Last, daß ich den Mann nicht loswerde“, sagte er. „Aber es ist auch grotesk, daß ausgerechnet ich ihm helfe – dem Mann, der mich an die spanische Krone ausliefern will. Nun gut. Wenn es also keine weiteren Komplikationen gibt, kann die ‚Isa‘ in spätestens drei Tagen ankerauf gehen und zurück zur Schlangen-Insel segeln. Richtig?“

      „Richtig, Sir“, erwiderte der Kutscher.

      „Es freut mich, daß meine Crew meine Entscheidungen billigt“, sagte Hasard grimmig. Dann zog er sich in seine Kapitänskammer zurück, die er jetzt wieder beziehen konnte.

      Don Juan war bereits am Vortag an Land gebracht worden. Er hatte das provisorische Krankenlager in der Kapitänskammer geräumt und eine der bereits fertiggestellten Hütten am Rand der Bucht bezogen. Hier kümmerte sich jetzt seine Crew um ihn.

      Ramón Vigil, der Bootsmann, richtete sich dabei genau nach den Anweisungen, die ihm der Kutscher und Pater David erteilten. Pater David war auch bei der Operation eine gute Unterstützung für den Kutscher und Mac Pellew gewesen, denn die Heilkunde war für ihn alles andere als ein Buch mit sieben Siegeln.

      So viele Vorräte wie möglich heranschaffen – das war zur Zeit die wichtigste Aufgabe, der die Männer der „Isabella“ folgten. Die kleine Jolle war an der Westseite der Insel unterwegs, um zu fischen, ebenso die reparierte Jolle der Don-Juan-Crew, die als Beiboot zu der versenkten Zweimastschaluppe gehört hatte.

      Dan O’Flynn hielt immer wieder Ausschau nach allen Seiten – und dank seiner scharfen Augen war er es, der das fremde Schiff als erster entdeckte.

      „Da kommt was von Osten“, sagte er und holte seine Angel ein. „Ein Dreimaster, wenn mich nicht alles täuscht.“

      Sofort lenkten auch die anderen ihre Blicke in die angegebene Richtung. Jack Finnegan griff unter eine Ducht und holte das Spektiv hervor. Er reichte es


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