Seewölfe - Piraten der Weltmeere 400. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 400 - Roy Palmer


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Schock nicht unähnlich. Sie versuchte, dagegen anzukämpfen und aus eigener Kraft wieder zu sich selbst zu gelangen, doch das Gefühl lastete wie ein Gewicht auf ihr. Noch wehrte sich ihr Inneres, vollends zu begreifen, was geschehen war.

      Caligula indessen war stocknüchtern, trotz der Beinwunde. Seine Wut wuchs, er konnte sie kaum noch bezwingen. Wüste Pläne schossen ihm durch den Kopf.

      Totaler Schiffbruch, dachte er, und das nur, weil sich dieses starrsinnige Weib in den Kopf gesetzt hatte, dabeizusein und ihre Rache auszukosten, wenn die englischen Hunde und ihre Genossen von den Spaniern vernichtet wurden. Zum Teufel! Das haben wir davon: Der Kahn ist abgesoffen.

      Siedend heiß durchfuhr es ihn: An Bord des Zweimasters befanden sich die Schatztruhe sowie die Beute an Silberbarren – und, nicht zu vergessen, die Geldschatulle des rechtmäßigen Besitzers, den sie in Cabanas praktisch um sein gesamtes Eigentum geprellt hatten.

      Satan, dachte Caligula, jetzt ist alles dahin, und wir sehen von dem Schatz und dem Silber nichts wieder. Aus der Traum. Ein Verlust auf der ganzen Linie.

      „Queen“, sagte er. „Wir haben alles verloren, was wir hatten. Nicht mal eine brauchbare Feuerwaffe haben wir, ist dir das klar?“

      Sie antwortete nicht. Sie lag nur da und starrte in den Nachthimmel.

      „Was hast du jetzt vor?“ fragte er mit leiser, gefährlich klingender Stimme.

      Wieder erwiderte sie nichts. Sein Gemütszustand wurde immer gereizter. Er war drauf und dran, sich auf sie zu stürzen. Ich hasse dich, dachte er, warum verreckst du nicht?

      „Wir können versuchen, die Schätze durch Tauchen zu bergen“, murmelte Caligula mehr im Selbstgespräch. „Aber die Haie könnten uns daran hindern. Wir sind wirklich am Ende, es gibt keinen Ausweg mehr. Andererseits – die Klunker würden uns auf dieser verdammten Insel auch nicht mehr viel nutzen. Überhaupt nichts.“

      „Wir brauchen was zu beißen“, sagte einer der unversehrten Kerle. „Und Trinkwasser. Das ist wichtiger.“

      „Von Perlen, Gold, Edelsteinen und Schmuck wird man hier nicht satt“, brummte sein Nebenmann. „Und ein neues Schiff können wir mit dem Zeug auch nicht herbeizaubern. Was soll’s also, beim Henker?“

      Caligula setzte sich auf, öffnete sein nasses Hemd und zerrte es sich vom Leib.

      „Ja“, murmelte er. „Was soll’s? Welchen Sinn hat es noch, alles, was wir tun? Oh, was für Narren wir doch sind.“

      „Was unternehmen wir?“ fragte der dritte unverletzte Pirat. „Wir können hier nicht rumhängen und Trübsal blasen.“

      „Was du nicht sagst.“ Caligula riß sein Hemd in Fetzen und begann, sich den Oberschenkel zu verbinden, was wieder nicht ohne gräßliches Fluchen abging.

      „Warte“, sagte einer der drei. „Ich helfe dir.“

      „Nein!“ fuhr Caligula ihn an. „Hau ab! Verschwinde! Kümmert euch lieber um die beiden anderen!“ Er zerrte an dem nassen Stoff und knotete die Fetzen zusammen, was ihm wieder mörderische Schmerzen bereitete. Aber er erreichte dadurch, daß das Bluten aufhörte. Gleichzeitig wirkte das Seewasser, das wie Feuer in der Blessur brannte, säubernd und möglicherweise auch heilend, wie er sich einzureden versuchte.

      „He!“ rief er den drei Kerlen zu. „Beeilt euch! Wie sehen die Wunden aus? Sind sie schlimm?“

      „Soweit ich erkennen kann, sind keine Knochen verletzt“, erwiderte einer der Kerle, ein Kreole, den die Queen von der Galeone aus Nombre de Dios übernommen hatte. Er unterzog die beiden Verletzten, die wieder fluchten und stöhnten, einer kurzen Untersuchung. „Sie haben Fleischwunden.“

      „Ich in der Brust“, sagte der eine Kerl.

      „Bei mir sind’s der linke Arm und die Schulter!“ stieß der andere hervor. „Hölle, wie das brennt und zieht!“

      „Stellt euch nicht wie Memmen an!“ fuhr Caligula sie an. „Noch seid ihr nicht tot, und ihr werdet daran auch nicht krepieren! So schnell stirbt man nicht! He, du!“ Er wandte sich an den Kreolen. „Du besorgst Seewasser! Schöpf es meinetwegen mit den Händen, wenn es nicht anders geht! Wascht die Blessuren aus und verbindet sie mit ein paar Fetzen, wie ich es getan habe!“

      „Ja“, sagte der Kreole, dann begaben seine beiden Kumpane und er sich ans Werk.

      Wenig später scheuchte Caligula die drei wieder auf, als sie sich auf dem Strand niederlassen wollten. „Weiter! Keine Müdigkeit vorschützen! Haut ab zu den Palmen und versucht, ein paar Kokosnüsse zu finden, verdammt noch mal! Ihr seht doch, daß ich mich mit dem kaputten Bein nicht bewegen kann! Muß man euch alles sagen?“

      „Nein“, erwiderte der Kreole. „Wir sind schon unterwegs. Sollen wir auch nach einer Quelle Ausschau halten?“

      Caligula fragte sich, ob die Bemerkung ironisch oder ernst gemeint war. Er beschloß, darüber keine weiteren Überlegungen anzustellen. Es lohnte sich nicht.

      „Im Dunkeln werdet ihr kaum Erfolg haben“, erwiderte er. „Im Dschungel tretet ihr höchstens in ein Schlangennest.“

      Sie entfernten sich, und er warf einen Blick zu den beiden Verletzten. Der eine war ohnmächtig, der andere lag auf der Seite und hielt ihm dem Rücken zugewandt.

      Caligula drehte den Kopf in die entgegengesetzte Richtung und musterte wieder die Queen. Sie blickte nach wie vor starr in den Himmel, schien völlig teilnahmslos zu sein und nahm von dem, was um sie herum vorging, keinerlei Notiz.

      Wie ihn das aufregte! Er kroch zu ihr und stieß sie mit dem Ellenbogen an.

      „Was ist los mit dir?“ zischte er.

      Sie zuckte zusammen und krümmte sich. „Laß mich in Ruhe!“

      „Nein! Ich verlange eine Erklärung!“

      „Eine Erklärung? Für was?“

      „Für diesen ganzen Dreck“, erwiderte er. „Ich habe die Nase gestrichen voll. Ich will wissen, wo es jetzt langgeht. Wie stellst du dir die Zukunft vor – ohne Schiff?“

      „Verzieh dich“, sagte sie mit kaum noch verständlicher Stimme. „Verschwinde! Tauch nach dem Kahn, tu, was du willst. Aber laß mich in Frieden.“

      Wieder stieg die Wut in ihm hoch. Noch einmal stieß er sie mit dem Ellenbogen an, diesmal härter.

      „So kannst du mit mir nicht sprechen“, sagte er. „So nicht.“

      Jäh fuhr sie hoch und schmetterte ihm ihre Faust mitten ins Gesicht. „Laß mich zufrieden! Weg! Bastard! Pack dich!“ Plötzlich hatte sie ihr Messer in der Hand und stach auf ihn ein.

      Caligula hatte sich – wegen des verletzten Beines – neben sie gesetzt. Jetzt konnte er sich gerade noch zur Seite werfen. Die Queen stieß einen Schrei aus und fiel mit dem Messer über ihn her. Sie war wie eine entfesselte Furie, sie tobte und fluchte und hackte wie verrückt auf ihn ein.

      Caligula hatte nur noch eine Chance. Seine rechte Hand griff in den Sand, riß eine Ladung davon hoch und schleuderte ihn ihr ins Gesicht. Sie war wie geblendet, hustete und spuckte. Er trat ihr mit dem Fuß gegen die Schulter. Sie kippte zurück und stach mit dem Messer ins Leere.

      Sein eigenes Gesicht schmerzte. Über der Nasenwurzel, wo sie ihn getroffen hatte, schien eine Beule zu schwellen. Mit einem wüsten Fluch warf er sich auf sie und versetzte ihr einen Fausthieb. Sie zappelte, kreischte und trat nach ihm, aber es gelang ihm, ihr das Messer abzunehmen. Er drückte ihr das Knie des gesunden Beines ins Kreuz und schlug noch einmal zu.

      Diesmal verlor sie das Bewußtsein. Ihr Körper erschlaffte, sie rührte sich nicht mehr. Caligula hielt das Messer in der Hand. Er war wie rasend und senkte die Klinge. Für einen Moment war er drauf und dran, ihr die Kehle durchzuschneiden, dann aber hielt er inne und richtete sich schwer atmend auf.

      Vielleicht war es der unmittelbare Kontakt zu ihrem Körper, der ihn an die Stunden der Leidenschaft erinnerte,


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