Seewölfe - Piraten der Weltmeere 400. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 400 - Roy Palmer


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die Karavelle versenkt haben konnte.

      Als Gegner mußte dieser Zweimaster allerdings eingestuft werden. „Zumal feststeht, daß durch ihn die Schaluppe versenkt und die Crew ermordet wurde“, sagte Cubera im Gespräch mit seinen Offizieren. Die Schaluppe der „San José“ – auch ihr Verlust war ein schwerer Schlag auf dieser Reise von Havanna zur Schlangen-Insel, die unter einem Unstern zu stehen schien.

      „Ja, Señor“, sagte der Zweite Offizier. „Aber ist es auch der Zweimaster gewesen, der unsere Ruderanlage und die der ‚Gaviota‘ zerschossen hat?“

      „Das ist nicht sicher“, entgegnete Cubera. „Aber ich nehme es an.“

      Er wußte nicht, wie sehr er sich irrte. Don Juan und Arne von Manteuffel waren die heimlichen „Attentäter“ gewesen. Sie folgten dem Verband mit der dreimastigen Schebecke und taten alles, was in ihrer Macht stand, um den Angriff auf die Schlangen-Insel zu verhindern.

      Cubera war sich darüber im klaren, daß der Zweimaster als Feind gestellt und versenkt werden mußte. Doch er mußte auch Prioritäten setzen. Das Unternehmen gegen die englischen Piraten war wichtiger, alles andere mußte vorerst beiseite geschoben werden.

      Er konnte jetzt nicht neun Kriegsschiffe darauf ansetzen, einen einzelnen, kleinen Zweimaster zu jagen, der im übrigen jederzeit in flachere Gewässer verschwinden konnte. Dennoch war er der Ansicht, daß das letzte Wort bezüglich des Zweimasters noch nicht gesprochen war.

      So rechnete er damit, daß dieses rätselhafte und gefährliche Schiff dem Verband auch weiterhin folgen würde. Vermutlich würde es einen neuen Angriff fahren, aller Wahrscheinlichkeit nach – wie Cubera sich leicht ausrechnen konnte – wieder im Schutz der Nacht.

      Aus diesem Grund hatte er auf allen Schiffen seines Verbandes die Kriegswachen aufziehen lassen, so daß sie jederzeit gefechtsbereit waren. Und alle hatten die strikte Order, verschärft Ausguck zu halten.

      Das war noch nicht alles. Cubera war von der bisherigen Marschformation, der Kiellinie, mit der der Verband sich voranbewegt hatte, abgegangen. Die Schiffe segelten nunmehr in Doppelkiellinie. Das bedeutete: Je vier Schiffe bildeten eine Kiellinie und segelten mit der anderen Vierergruppe auf Parallelkurs, wobei das Flaggschiff „San José“ zwischen den beiden Gruppen vorn die Spitze bildete.

      Auf diese Weise blieb der Verband enger zusammen als bisher. Er hatte gewissermaßen „Tuchfühlung“, die Verständigung von Schiff zu Schiff würde im Gefahrenfall reibungslos funktionieren. Im Fall eines Angriffs konnte das Geschwader auch seine Abwehr besser konzentrieren. Ein weiteres wichtiges Detail: Auch die Innenflanken dieser Formation waren geschützter.

      Don Garcia Cubera hoffte, mit dieser neuen Taktik besser zu fahren. Er war entschlossen, jeden neuerlichen Einbruch in den Verband im Ansatz zu unterbinden. Er begegnete der Ungewißheit und den Fragen, die sich auch wegen der zuletzt ertönten Schüsse stellten, mit Härte. Dies schien ihm die einzige Möglichkeit zu sein, Herr der Situation zu bleiben.

      An seinen „hochwohlgeborenen“ und „durchlauchten“ Gast Don Antonio de Quintanilla dachte er im Moment nicht. Er wollte sich nicht den ganzen Abend verderben. Aber er ahnte, daß es auch von der Seite noch Ärger geben würde. Es wäre bedeutend besser gewesen, wenn Don Antonio das Deck der „San José“ niemals betreten hätte, in diesem Punkt waren sich alle einig. Aber jetzt ließ sich daran nichts mehr ändern.

      Der Wind wehte nach wie vor aus Nordosten, so daß die Schiffe des Verbandes den Ostkurs gut anliegen konnten, zumal er – entsprechend dem Verlauf der Küste – mehr auf einen Kurs Osten zum Süden übergehen würde.

      Alle Kommandanten hatten die strikte Order, ihre Position im Verband beizubehalten. Niemand durfte beispielsweise ausscheren oder sich sacken lassen, der Verband mußte geschlossen bleiben, um jeden Preis.

      Cubera ließ seine drei Offiziere auf ihre Posten zurückkehren. Das kurze Gespräch, das keinerlei Aufschluß über die Herkunft und Ursache der Drehbassenschüsse hatte geben können, war beendet. Cubera trat an die Schmuckbalustrade des Achterdecks und verfolgte das Auf und Ab der Decksleute, die für die Segelmanöver zuständig waren. Der Profos bedeutete ihm, daß alles in Ordnung sei, aber Cubera bemerkte es kaum.

      Seine Gedanken waren jetzt doch wieder bei Don Antonio de Quintanilla. Er konnte nicht anders – er mußte darüber nachgrübeln, was es mit diesem Mann auf sich hatte. Was hatte sein mehr als merkwürdiges Verhalten zu bedeuten?

      Am Vormittag war Don Antonio völlig überraschend bei ihm, Cubera, erschienen. Er schien sich eine neue Theorie zurechtgelegt zu haben, der dicke Widerling – wie ihn die Decksleute heimlich zu nennen pflegten. Cubera war erstaunt und völlig unvorbereitet auf das gewesen, was Don Antonio ihm eröffnet hatte.

      Eben: Don Antonio, der allmächtige und selbstherrliche Gouverneur von Havanna und Kuba, war zu der Überzeugung gelangt, daß er einem Schwindel aufgesessen wäre, was die Nachricht über die Position des Piratenschlupfwinkels und Verstecks der englischen Korsaren betraf.

      Er hatte sogar gefordert, das Unternehmen abzubrechen. Aber da war er bei dem „Señor Comandante“ auf sehr massiven Widerstand gestoßen. Don Garcia Cubera lehnte strikt ab, von dem einmal begonnenen „Marsch auf die Piraten-Insel“ abzulassen. Für ihn gab es kein Zurück mehr, dazu vermochte ihn auch ein Don Antonio nicht zu bewegen. Und befehlen konnte er es ihm schon gar nicht. Nur ein Mann hatte die volle und absolute Befehlsgewalt an Bord der „San José“ und der anderen Schiffe des Verbandes, er, Don Garcia Cubera.

      War er anfangs skeptisch gewesen, was dieses Unternehmen betraf, so hatte er seine Meinung inzwischen doch geändert. Gewiß, die Sache hatte für seinen Geschmack schlecht begonnen – angefangen mit dem zu hastigen Aufbruch in Havanna auf das Drängen des Gouverneurs hin. Weitere Erwägungen hatten sich hinzugesellt. Für die bevorstehende Schlacht gab es keinerlei Konzeption, niemand hatte daran gedacht, sie zu entwerfen, am allerwenigsten Don Antonio.

      Hinzu kam die Einschätzung des Gegners. Don Garcia Cubera war davon überzeugt, daß die Engländer harte Kämpfer und ein Feind waren, an dem man sich möglicherweise die Zähne ausbiß.

      Seine Meinung zu diesem letzten Punkt war unverändert, doch mittlerweile hatte er sich darauf eingestellt. Er war jetzt gewillt, den Stier bei den Hörnern zu packen und das Unternehmen durchzustehen, wie es sich für den Befehlshaber eines spanischen Kriegsgeschwaders gehörte.

      Er fühlte sich herausgefordert – dies um so mehr, da sein Verband bereits von einem unbekannten Gegner angegriffen worden war. Daß der geheimnisvolle Zweimaster mit Dunkelhäutigen bemannt war und von einer Schwarzen geführt wurde, ließ die ganze Sache nur noch mysteriöser werden. Kurzum: Mit allem Piratengesindel, das in der Karibik sein Unwesen trieb, mußte aufgeräumt werden. Er, Cubera, hatte die Chance, einen entscheidenden Schlag zu landen. Er wollte sich diese Möglichkeit nicht nehmen lassen, zumal die Aussicht bestand, daß alle anderen Freibeuter das Gefecht als Präventiv- und Abschreckungsmaßnahme werten würden – was es ja auch war, wenn die Spanier den Sieg errangen. Für einige Zeit würden spanische Konvois vor Angriffen geschützt sein, zumindest in diesem Teil der Neuen Welt. Vielleicht wurde die Karibik sogar zu einem sicheren Gewässer. Noch wagte Cubera nicht, dies zu hoffen, aber der Wunsch nahm in seinem Geist Gestalt an.

      Im übrigen hatte er den deutlichen Eindruck, daß Don Antonio de Quintanilla ihm etwas verheimlichte. Was? Er hatte lange darüber nachgedacht und war zu der Erkenntnis gelangt, daß er den Mann nicht aus den Augen lassen durfte.

      Er war verschlagen und korrupt, dieser Don Antonio, daran gab es keinen Zweifel. Cubera war ein Menschenkenner. Er brauchte keine Beweise, um zu wissen, daß ein Don Antonio nur an sein persönliches Wohlergehen dachte. Seit dem Auslaufen aus dem Hafen von Havanna hatte er durch sein selbstherrliches Auftreten immer wieder gezeigt, daß er nicht gewillt war, Zugeständnisse irgendwelcher Art zu machen – schon gar nicht dem „gemeinen Schiffsvolk“ und dem „Decksgesindel“ gegenüber, wie er die Seeleute im Gespräch mit seinen Lakaien zu nennen pflegte. Er verachtete jeden Subalternen und war es gewohnt, Fußtritte zu verteilen.

      So handelte er daheim in Havanna, in seiner Residenz. Er hatte sich jedoch getäuscht,


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