Seewölfe - Piraten der Weltmeere 543. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 543 - Fred McMason


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über Bord geflogen war, packte Ali den Fischer an den Haaren.

      Ahmed sah voller Entsetzen die grinsenden Fratzen, die schmutzigen Gesichter, die vielen Messer und Pistolen. Die Horde bereitete sich einen Spaß daraus, sie zu quälen.

      „Du hast also keine Perlen, du Stinktier“, sagte Ali kalt. „Aber du hast einen Bastard von Sohn, der dir beim Klauen hilft. Das ist doch dein Sohn, oder?“

      „Mein einziger Sohn, Sidi. Er hat keine Mutter mehr, wir beide sind ganz allein.“

      „Es geht ihm also schlecht bei dir?“

      „Es reicht für uns gerade zum Leben, Sidi.“

      „Na schön. Dann soll er es besser haben. Ich werde ihn zu mir aufs Schiff nehmen, denn wir brauchen einen Schiffsjungen. Dem letzten hat man leider den Hals durchgeschnitten.“

      Das Gelächter der Kerle wurde noch lauter. Ahmed zog sich angstvoll auf die hintere Ducht zurück.

      „Mein einziger Sohn ist die Versorgung meines Alters, Sid“, sagte der Vater leise. „Ohne ihn kann ich nichts anfangen.“

      „Das ist deine Sache. Ich brauche einen Schiffsjungen. Los, rüber mit dir!“ schrie er den Jungen an.

      Ahmeds Angst wurde noch größer. Er hatte mal gehört, wie die Piraten Schiffsjungen behandelten. Nicht nur, daß sie den übelsten Dreck tun mußten, sie wurden auch mißhandelt und geschlagen, und nicht selten passierte es, daß man sie einfach ins Meer warf und sich selbst überließ. Daran mußte Ahmed jetzt denken. Er wollte mit diesen wilden und brutalen Gesellen nichts zu tun haben, die Schiffe überfielen, ausplünderten und die Mannschaften ermordeten.

      „Ich will nicht“, sagte Ahmed heiser und angstvoll. Ganz plötzlich standen ihm dicke Schweißperlen auf der Stirn.

      Aber was Ahmed wollte oder nicht, das interessierte die barbarischen Kerle nicht. Einer zog einen Krummdolch aus dem Hosenbund, faßte sich unters Kinn, hob es ein wenig an und demonstrierte, wie man einem den Hals durchschnitt, der nicht parieren wollte.

      „Hinüber jetzt mit dir!“ brüllte ein narbiger Mann wild.

      Er griff nach Ahmed, doch der Junge wich aus.

      „Laßt mir meinen Sohn!“ rief Ahmeds Vater. „Er ist mein ein und alles, ich habe nur ihn! Ihr dürft ihn mir nicht wegnehmen. Außerdem will er doch gar nicht zu euch.“

      Ali Ben Chufru sah den alten Fischer mit böse funkelnden Augen an. Sein Gesicht war häßlich verzogen.

      „Es müßte deinem räudigen Sohn eine Ehre sein, mir dienen zu dürfen“, sagte er wütend. „Noch niemand hat es ausgeschlagen, in meine Dienste zu treten. Das dulden die Söhne der Beni Yas nicht. Das ist eine unverschämte Beleidigung.“

      „Ich habe dich nicht beleidigt, Sidi!“ rief der Alte.

      Ali holte blitzschnell aus. Sein mit dem Handrücken geführter Schlag traf den Fischer hart. Von seinen Lippen quollen Blutstropfen.

      Trotz seiner Angst vor den Kerlen ging Ahmed dazwischen, als die Hand zum nächsten Schlag ausholte. Mit seinen kleinen Fäusten trommelte er auf Alis Unterarm.

      Dann rissen ihn zwei grobe Pranken mit einem Ruck aus dem Boot. Sie warfen ihn einfach auf die Planken der schwarzen Sambuke.

      Die Angst um seinen Sohn verlieh dem Fischer ungeahnte Kräfte. Er wischte sich mit zitternden Fingern das Blut von den Lippen und starrte zu Ahmed, der mit schrecklich verzogenem Gesicht auf den Planken der schwarzen Sambuke lag.

      „Gebt mir meinen Sohn zurück!“ schrie er mit überkippender Stimme.

      „Hol dich der Scheitan!“ rief der Pirat hohnlachend. Erneut schlug er nach dem Fischer, der die Arme hob, um den Schlag abzuwehren.

      Der Fischer packte den Arm und hielt ihn fest. Der Pirat lief vor Wut knallrot an.

      „Du wagst es, du Bastard“, keuchte er, „du Hundesohn von einem dreckigen Fischer …“

      Blitzschnell fuhr seine linke Hand zum Gürtel. Im Sonnenlicht blitzte einen Lidschlag lang eine schmale Klinge auf. Ahmeds Vater sah den scharfen Krummdolch auf sich zurasen. Es war nur ein winzig kleiner Blitz, der durch die Luft zuckte, und dieser Blitz verschwand von einem Augenblick zum anderen in seinem Brustkorb.

      Der Fischer sank tot in seinen Nachen zurück. Die Klinge des Krummdolches hatte sein Herz getroffen.

      Ahmed schrie gellend auf, als er seinen Vater zusammensinken sah. Sein Schrei klang wie der Todesschrei eines Tieres. Wie von Sinnen sprang er auf die Beine und stürzte sich auf Ali Ben Chufru, der vor dem wilden Angriff des schmalen Jungen überrascht zurückwich. Fingernägel fuhren ihm wie Pantherkrallen in das Gesicht und hinterließen blutige Striemen. Ahmed verbiß sich regelrecht in ihn und schlug voller Haß auf ihn ein.

      Zwei Kerle rissen ihn unter Aufbietung all ihrer Kräfte fort. Ein harter Schlag trieb ihn bis ans Schanzkleid.

      Ali Ben Chufru hielt noch den blutigen Krummdolch in der Faust. Aus seinen Augen liefen Tränen, Blutspuren rannen über die Wangen in seinen Bart. Mit dem Dolch in der Faust stürzte er sich auf Ahmed.

      „Du räudiger Sohn einer Mißgeburt!“ schrie er, außer sich vor Wut. „Dir werde ich es zeigen!“

      Drei andere Kerle stürzten sich ebenfalls auf ihn. Ahmed wußte, daß sie ihn jetzt genauso töten würden, wie Ali seinen Vater heimtückisch getötet hatte. Ali Ben Chufru ließ diese Schande, daß ihn ein Junge geschlagen hatte, nicht auf sich sitzen. In seinen Augen funkelte blanke Mordlust.

      „Ich schwöre dir Rache, du Hundesohn!“ schrie Ahmed. Noch bevor die zupackenden Fäuste ihn erwischten, sprang er mit einem wilden verzweifelten Satz über Bord.

      Er hörte nicht mehr, wie Ali zu toben begann.

      „Schießt den Bastard ab!“ rief er seinen Leuten zu. „Wenn er auftaucht, knallt ihn sofort ab!“

      Mit einem heftigen Ruck stieß er das kleine Boot weg. Der tote Fischer kippte zur Seite und rollte auf den Rücken. Aus weitgeöffneten Augen starrte er in den wolkenlosen Himmel.

      An Deck rannten Chufrus Kerle durcheinander. Einige hatten sich mit Musketen bewaffnet, die anderen trugen Pistolen und suchten das Wasser um die Sambuke ab.

      „Da sind Luftblasen!“ brüllte einer.

      Mit Musketen und Pistolen feuerten sie auf die Luftblasen, doch den schmächtigen Jungen sahen sie nicht.

      Ali Ben Chufru rannte wütend von einer Seite zur anderen. Immer wieder blickte er in das Wasser und schüttelte den Kopf, als der Junge nicht mehr auftauchte.

      Fast zehn Minuten vergingen, dann winkte er herrisch ab.

      „Der Bastard ist ersoffen“, erklärte er. „Wir segeln weiter. Mögen die Haie seinen erbärmlichen Kadaver fressen.“

      Dem toten Fischer gönnte er keinen einzigen Blick, der in seinem Nachen langsam davontrieb. Für Ali zählte ein Menschenleben nicht. Die Sorgen und Ängste eines kleinen Jungen interessierten ihn erst recht nicht.

      Unbekümmert segelten die Schnapphähne weiter.

      Ahmed konnte sehr gut schwimmen und tauchen und auch sehr lange die Luft anhalten. Aber er hatte ständig Angst vor der fürchterlichen Tiefe, in der die schlimmsten Ungeheuer hausten. So war es ihm jedenfalls immer erzählt worden. Andere Fischer hatten von gigantischen Seeschlangen und Meeresdrachen erzählt, von Fischen, die so groß waren, daß sie ein ganzes Boot auf einmal verschlingen konnten.

      Die Angst vor der Tiefe verdrängte er jetzt gewaltsam, denn was da oben vor sich ging, das war fürchterlicher als alles andere.

      Die Piraten hatten seinen Vater getötet, und jetzt suchten sie ihn, um auch ihn umzubringen.

      Unter Wasser schwamm er auf die Sambuke zu, bis er sich dicht unter dem muschelbewachsenen Kiel befand. Er vernahm dumpfe Laute und sah zweimal hintereinander, wie schnelle silberne Schatten


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