Seewölfe - Piraten der Weltmeere 274. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 274 - Roy Palmer


Скачать книгу
Mann und darf auch festgenommen werden. Wir Spanier werden natürlich etwas anders behandelt, sonst würde der Handel mit Galway wohl über kurz oder lang total zusammenbrechen.“ Bedeutungsvoll fuhr er sich mit den Fingern über seinen gepflegten Oberlippenbart. Er war Ende der Zwanzig und fünf Jahre jünger als sein Kapitän, mittelgroß und breitschultrig, aber nicht untersetzt, ein kräftiger schwarzhaariger Mann, gebürtig aus Andalusien.

      „Sie brauchen sich also nicht zu rasieren“, sagte Hasard trocken. „Aber was fange ich mit unserem Big Old Shane an? Er würde sich heftig sträuben, wenn ich ihm raten würde, sein Bartgestrüpp abzunehmen.“

      „Warten Sie damit“, riet Don Juan Bernardo Orosco. „Señor Vergara, Sie begleiten nach unserem Anlegemanöver Señor Killigrew und seine Kameraden an Land und helfen ihnen somit über die ersten Hürden.“

      „Si, Señor“, antwortete Vergara. „Dazu gehört wohl auch, daß ich ihnen ein Quartier für die Nacht besorge.“

      „Allerdings, Señor Vergara“, sagte der Kapitän, und dann war er mit seinen Gedanken bereits beim Löschen der Ladung und bei den Geschäften, die er in Galway zu tätigen gedachte. Er wurde in der Stadt von den spanischen Kaufleuten erwartet, in deren Auftrag er segelte. Ihre Handelsinteressen stellte er allen politischen Belangen voran, und Vergara ging mit dieser seiner Einstellung völlig konform. Wie hatten sie doch so richtig gesagt? Sie waren keine Fanatiker, keine blindwütigen, heißblütigen Patrioten, die fürs Vaterland durch glühende Kohlen gegangen wären und sich den Kopf hätten abschlagen lassen, wenn Philipp II. nur mit dem kleinen Finger gewinkt hätte.

      Hasard rief sich dies noch einmal ins Gedächtnis zurück.

      Er konnte Orosco und seinen Ersten sehr gut verstehen.

      Die „Rosa de los Vientos“ hatte die Flußmündung erreicht und näherte sich dem Long Walk. Sie stemmte sich gegen die Strömung des River Corrib, stand plötzlich auf der Stelle und schob sich dann allmählich nach Steuerbord, auf den Kai mit den steinernen Pollern zu, an denen die Leute zum Wahrnehmen der Leinen bereits warteten. Am Ende der langen Reihe liegender Schiffe war, wie Orosco richtig erkannt hatte, noch genug Platz für die Galeone frei.

      Befehle schallten über Deck, der Rudergänger legte das Ruder noch ein Stück weiter nach Lee, und das Anlegemanöver begann.

      Noch einmal verabschiedete sich Don Juan Bernardo Orosco vom Seewolf, dann trat er auf dem Hauptdeck auch zu Shane, Dan, Batuti, Gary und Matt und schüttelte ihnen die Hände.

      Zu den Zwillingen beugte er sich hinunter und sagte: „Prachtjungen, ich wünschte, ich hätte auch solche Söhne.“

      „Danke, Señor“, sagte Philip junior.

      „Señor, gestatten Sie mir eine Frage?“ sagte Hasard junior, ebenfalls in perfektem Kastilisch.

      „Aber sicher doch.“

      „Sind Sie eigentlich verheiratet?“

      „Ja, mein Junge.“

      „Und Sie haben keine Kinder?“

      „Noch nicht, aber ...“

      „Aber was nicht ist, kann ja noch werden“, vollendete Hasard junior den begonnenen Satz.

      Sein Vater sah ihn strafend an, aber Don Juan zog die Zwillinge zu sich heran, drückte sie einmal kräftig gegen seine Schultern und richtete sich dann wieder auf. Er lachte so laut und herzlich, daß sich ein paar Männer auf dem Long Walk zu ihm umdrehten.

      „Macht weiter so“, sagte er. „Eifert eurem Vater nach, dann kann nichts mit euch schiefgehen.“

      Arwenack, der Schimpanse, hatte inzwischen seinen Platz im Vormars der „Rosa“ verlassen und war in den Wanten auf die Back abgeentert. Er sprang auf die Kuhl hinunter, eilte mit watschelndem Gang zu den Zwillingen und griff nach ihren Händen. Er hüpfte zweimal auf der Stelle, dann gab er einen grunzenden Laut von sich und zeigte dem Kapitän seine großen Zähne.

      „Hermoso!“ rief Aurelio Vergara. „Was, in aller Welt, hat denn das zu bedeuten?“

      „Er ist eifersüchtig“, erwiderte Dan O’Flynn grinsend. „Er mag es nicht, wenn man die Jungen anfaßt. Sie sind seine besten Freunde.“

      „Ja“, sagte Gary Andrews leise. „Und zu dritt haben sie dem Koch ein paar Früchte geklaut. Hoffentlich hat er’s nicht gemerkt.“ Vorsichtshalber sagte er es auf englisch, aber außer Dan und Matt, die dicht bei ihm standen, konnte es ohnehin niemand hören.

      Matt Davies trat zu Hasard.

      „Sir“, sagte er mit säuerlicher Miene. „Wenn ich etwas vorschlagen darf ...“

      „Du darfst, Matt.“

      „... dann würde ich dem verdammten Affen einen Sack überstülpen, damit er nicht so auffällt. Sobald das Volk von Galway ihn und obendrein noch Batuti sieht, könnte der Eindruck entstehen, halb Afrika wäre hier.“

      Orosco, Vergara und die anderen Spanier, die ihre Schiffsgäste umringten, blickten sich untereinander verständnislos an. Auch Matt hatte Englisch gesprochen.

      „Wiederhole das mal auf spanisch“, sagte der Seewolf. „Ich finde es nicht höflich, daß wir jetzt nur noch im breitesten Cornwall-Dialekt miteinander reden.“

      Matt tat, wie ihm geheißen, und die Spanier begannen so breit zu grinsen wie Dan O’Flynn, Big Old Shane, Gary Andrews und die Zwillinge.

      Nur Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, grinste nicht. Er sah Matt zornig an und sagte: „Soll Batuti sich vielleicht auch einen Sack überstülpen, was? Oder soll er sich die Haut in Streifen abziehen?“

      Das überlaß mal lieber dem Profos, wollte Matt erwidern, doch er hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück. Vorhin hatte er dummerweise schon Ägypten erwähnt, wenn er jetzt auch noch Carberry zitierte, konnte ihm passieren, daß Big Old Shane der Kragen platzte und er ihm, Matt, voll in den Achtersteven trat.

      Verdammt, warum konnten Carberry und die anderen denn auch nicht hier sein? Wie sollte das alles weitergehen – ohne das Fluchen und Brüllen ihres Profos’, das ihnen allen in Fleisch und Blut übergegangen war, so daß die Welt ihnen jetzt still, öd und leer erschien?

      „Ich habe einen anderen Vorschlag“, sagte Dan. „Wir könnten Batuti mit weißer Tünche überpinseln, na, wie wäre das?“

      Batuti rollte mit den Augen. Dan war einer seiner besten Freunde, aber er konnte fuchsteufelswild werden, wenn man ihn wegen seiner Hautfarbe aufzog. Damals, in China, ganz auf der anderen Seite des Erdballs, hätte es zum Beispiel auch beinahe einen Riesenkrawall an Bord der „Isabella VIII.“ gegeben, weil die Zopfmänner ihn wie ein seltenes Tier betrachtet und versucht hatten, ihm seine Farbe abzukratzen.

      „Jetzt ist aber Schluß“, sagte der Seewolf. „Bei dem Schiffsverkehr, der hier herrscht, glaube ich nicht, daß es groß auffällt, wenn es ein bißchen exotisch zugeht.“

      „Das kann ich nur bestätigen“, sagte Don Juan. „Außerdem finde ich es nicht fair, Señor Batuti aufzuziehen.“

      „Sollte ja auch bloß ein Witz sein“, brummte Matt Davies und zog sich ein Stück zurück. Verstand ihn denn plötzlich keiner mehr? Er hatte schon immer eine Vorliebe für eine sarkastische Art von Humor gehabt.

      Der Gambia-Mann lächelte plötzlich, Zufriedenheit verdrängte seinen Zorn. Señor Batuti – so hatte ihn schon lange keiner mehr genannt, nein, eigentlich überhaupt noch nie.

      „Gehen wir jetzt“, sagte der Seewolf. „Je eher wir ein Quartier für die Nacht finden, desto besser. Es könnte uns sonst passieren, daß wir unter dem Spanish Arch übernachten müssen, und dann werden wir natürlich prompt festgenommen und landen im Kerker.“

      „Der Himmel bewahre uns davor“, sagte Dan O’Flynn. „Die irischen Kerker sollen besonders feucht sein.“

      Er ahnte nicht, daß er mit diesen Worten das Schicksal sozusagen schon heraufbeschwor.


Скачать книгу