Seewölfe - Piraten der Weltmeere 436. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 436 - Fred McMason


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brabbelte leise etwas, ansonsten blieb er völlig ruhig. Noch vor ein paar Tagen hatte er sich wie ein Verrückter auf den Verschlag gestürzt und die Hennen mit Schnabelhieben attackiert, und die hatten so kräftig zurückgehackt, daß der Kutscher ernsthaft einen Herzschlag für den aufgeregten Sir John befürchtete.

      Jetzt hatte sich das Bild erstaunlich gewandelt. Die Hühner gackerten leise, aber das klang keineswegs feindlich, und auch Sir Johns Gebrabbel schien Freundlichkeit auszudrücken.

      Die Männer, die Mac gefolgt waren, blieben vor dem Verschlag stehen und sahen sich verdattert an.

      „Das gibt es doch nicht!“ sagte Bob Grey fast entrüstet. „Erst hacken sie sich gegenseitig fast zu Tode, und jetzt grinsen sie sich an.“

      „Grinsen scheint mir etwas übertrieben“, meinte Mac, „aber offenbar haben sie das Kriegsbeil begraben und verstehen sich jetzt und so. Ich bin selbst ganz baff.“

      Die anderen waren ebenfalls baff und starrten immer noch abwechselnd auf Sir John und die Hühner, die leise fast wie Tauben gurrten.

      Mac Pellew hatte fast einen verzückten Blick drauf.

      „Das will ich doch jetzt mal ganz genau wissen“, sagte er. „Außerdem reizt es mich, den Schnarchsack restlos zu verblüffen. Könnte ja einen Heidenspaß geben und so.“

      „Was hast du vor?“ fragte Ferris Tucker, den ebenfalls die Neugier gepackt hatte.

      „Ich lasse Sir John zu den Hühnern hinein“, verkündete Mac.

      „Du willst wohl Selbstmord begehen, was?“

      „Einen Versuch ist es doch wert.“

      „Ed nimmt dich auseinander, wenn er das sieht.“

      „Noch ist Ed abgeschlafft und besoffen“, widersprach Mac, „der nimmt gar nichts auseinander.“

      Als Sir John immer noch friedlich blieb, öffnete Mac kurzentschlossen den Verschlag und schob Sir John hinein.

      Keine Aufregung, kein Geschrei, keine Schnabelhiebe – nichts. Die Hühner hockten auf den Stangen und beäugten Sir John, als sei extra für sie ein neuer Hahn bestellt worden.

      So ähnlich verhielt sich auch zur grenzenlosen Verblüffung der anderen Sir John. Sie stierten sich fast die Augen aus, als sich Sir John aufplusterte und wie selbstverständlich auf eine der Stangen schwang. Dann hockte er eingerahmt zwischen zwei weiß-braunen Hühnern und sah sich neugierig um.

      Die Hühner girrten kehlig und nickten eifrig, und als der Aracanga ein paar unpassende Sprüche abließ, schienen sie andächtig zu lauschen.

      Vor dem Verschlag hörten die andächtig lauschenden Männer verzückt zu, als Sir John sich wichtigtuerisch aufplusterte, „fier weg Besan“ krächzte oder unanständige Wörter aufsagte. Da war von quergestreiften Affenärschen die Rede, von kalfaterten Heringsschwänzen oder triefäugigen Kanalratten.

      Der neue „Hahn“ hatte Anklang gefunden, zumal er einen großen Teil des Profos’schen Vokabulars astrein beherrschte und auch nicht mit deftigen Ausdrücken geizte.

      Die Hühner nickten, und Mac Pellew hätte darauf gewettet, daß sie sich amüsierten, genauso wie er. So stand Mac vor dem Verschlag und strahlte über das ganze Gesicht. Und wenn Mac schon einmal grinste, dann sah er aus wie ein Clown, der unter Zahnschmerzen litt. So richtig traurig-fröhlich zwischen Lachen und Weinen, himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.

      Die Hühner aber fochten die neugierigen und verblüfften Gesichter nicht an. Sie lauschten andächtig dem wortgewandten Gockel, der so leicht zotige Profos-Geschichten erzählte.

      „Ja, so was lieben die Weiber“, sagte Matt Davies ächzend, „erst zieren sie sich, und dann werden sie kirre, wenn ein aufgeblasener Gockel daherstolziert und große Sprüche abläßt. Mann, ich wecke den Profos und zeige ihm das. Der kippt glatt aus den Stiefeln.“

      Eine Riesenfaust, stark rötlich behaart, griff nach Matts Hakenprothese und hielt sie fest. Der rothaarige Schiffszimmermann Ferris Tucker grinste infam.

      „Du wirst niemanden wecken, du Stint, und schon gar nicht den lieber Ed. Oder kannst du dir nicht denken, daß du uns dadurch einen großen Spaß verdirbst?“

      „Wieso denn?“

      „Überlege doch mal.“

      Das tat Matt dann auch und grinste schließlich.

      „Ach so, du meinst …“

      „Genau das meine ich. Wir werden heute noch ein sehr verblüfftes Gesicht zu sehen kriegen, mit Augen so groß und rund wie Ankerklüsen. Und das wollen wir uns doch nicht entgehen lassen, oder?“

      „Das geht schwer in Ordnung“, sagte Matt grinsend. „Lassen wir ihn also schlafen.“

      „Und wenn er mit dem üblichen Getöse aufwacht, dann steht hier nicht wie die Mondkälber herum. Benehmt euch unauffällig und stiert mir ja nicht in den Verschlag.“

      Inzwischen hatten sich immer mehr Arwenacks versammelt, die ungläubig auf die friedliche Hühnerschar stierten. Sir John hockte immer noch in der Mitte und blies sich auf. Vier Hennen hatten ihn eingerahmt, und von Feindseligkeit war absolut nichts zu spüren. Man verstand sich sozusagen einmalig. Hin und wieder begann Sir John auch einmal zu gackern, was die Hennen außerordentlich zu schätzen wußten, denn sie gackerten entzückt um die Wette mit ihm.

      Etwas weiter vorn aber sägte der Profos, der noch nicht einmal im Traum ahnte, was sich über ihm wieder mal zusammenbraute.

      Die Arwenacks zerstreuten sich erst, als der Kutscher zum Essen rief. Während sie an Deck aßen, um sich ja nichts entgehen zu lassen, drang von vorn Geschnatter, Gegurre und kehliges Krächzen herüber, als amüsierte sich da eine ausgelassene Gesellschaft.

      Stenmark hielt den Löffel in der Hand und lauschte.

      „Der wird doch nicht die Hühner behopsen“, meinte er. „Die Ladies kichern so belustigt.“

      „Wie der Herr, so das G’scherr“, sagte Shane und lachte dröhnend. „Der ahmt eben immer seinen Herrn nach.“

      Da war wieder mal was los auf der „Estrella de Málaga“. Vorn sägte der Profos, gackerten und girrten die Hühner, kreischte Sir John, und mittschiffs lachten sie sich krank.

      Nur die Mannen von Jean Ribault wußten nicht, was sie von der Sache halten sollten. Ein paar Männer starrten herüber, aber sie konnten nichts erkennen, weil es nichts zu sehen gab. Und so sehr sie sich auch abmühten, vorerst sahen sie gar nichts, außer ein paar Kerlen, die sich vor Lachen die Bäuche hielten. Wahrscheinlich erzählten sie sich wieder mal dreckige Witze, oder sie lästerten über den Zwischenfall mit der Komödianten-Galeone. Das jedenfalls war die einhellige Meinung auf der „San Lorenzo“, auf der es lange nicht so lustig zuging.

      Roger Lutz, der die Pleite mit der feurigen Juana immer noch nicht überwunden hatte, stand am Schanzkleid und ärgerte sich maßlos. Von seiner Galanterie war nicht mehr viel übriggeblieben. Sein ganzer Körper bestand aus blauen, grünen und gelben Flecken, weil sie ihn alle kräftig durchgewalkt hatten.

      „Diese Kanalratten lachen doch nur über mich“, knurrte er, „weil ich mit der Lady ins Wasser gefallen bin. Aber eines Tages werden sie auch mal eine Pleite erleben, diese englischen Hurenböcke.“

      Neben ihm stand grinsend sein Freund Grand Couteau, der sich als einziger bei der Gemeinschafts-Senge zurückgehalten hatte, als es Roger an den Kragen gegangen war.

      „Laß sie doch lachen“, meinte er, „in ein paar Tagen ist das längst vergessen.“

      „Und womit soll ich später angeben, he? Mit einem geplatzten Liebesspiel und einem Sturz ins kalte Wasser?“

      „Immerhin trug die Lady keine Unterwäsche mehr. Das spricht doch von liebevoller Erwartung.“

      „Und dafür kriegt man den Arsch voll“, brummte Roger erbittert. „Eine schöne Erwartung ist das!“


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