Seewölfe - Piraten der Weltmeere 440. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 440 - Fred McMason


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der irgendwo da oben hing, verlor den Halt und rutschte ab. Jetzt prasselte er wirklich wie eine reife Pflaume durchs Geäst und griff haltsuchend um sich.

      Aber da gab es nichts zum Halten, denn alles ging rasend schnell. Ihm flutschten nur noch ein paar Blätter durch die Hände. Er donnerte dem Profos genau ins Kreuz, und alle beide landeten unsanft und hart auf dem Boden.

      Ed war schon von dem heimtückischen Rammstoß benommen, aber als ihm jetzt auch noch der nicht gerade leichtgewichtige Smoky ins Kreuz krachte, kriegte er sekundenlang glasige Augen.

      Smoky erging es nicht viel anders. Der Zossen hatte ihn kräftig durchgeschüttelt, und jetzt war er auf dem Profos gelandet. Der bestand nur aus Muskeln, Knochen und Sehnen und war so hart wie ein Amboß.

      Smoky taumelte benommen hoch, und setzte sich prompt wieder auf den Hosenboden. Er hockte Ed genau gegenüber und lallte etwas, daß er geradewegs vom Himmel gefallen sei. Er glaubte auch noch, ein paar Englein singen zu hören.

      Jedenfalls war allen beiden das Lachen vergangen. Dafür amüsierten sich die anderen Zuschauer um so mehr.

      Endlich sah der Profos wieder klar und schüttelte sich. Smoky sah ihn verständnislos an.

      „Du bist der größte Affenarsch, der je auf Gottes Erdboden gefallen ist“, knurrte Ed. „Das ist ja nicht zu fassen mit dir. Und dieser dreimal verfluchte Ziegenbock …“

      Smoky kriegte kaum die Zähne auseinander. Ihm tat alles weh. Er war mit dem Unterkiefer hart auf Eds Rücken gelandet und hatte das Gefühl, ein Siebzehnpfünder hätte ihn voll getroffen.

      „Du bist noch dämlicher“, nuschelte er. „Hältst dem Esel deinen Bierarsch hin und läßt dich an den Baum jagen. Kein Wunder, daß ich dann ’runterfiel. Sonst wäre ich nämlich in aller Ruhe hinuntergeklettert.“

      „Was hockst du dickwanstiger Bilgenfrosch auch auf dem Baum! Nur ein Blödmann läßt sich von einem Esel auf einen Baum werfen. Aber du Luvscheißer wolltest wieder mal den Helden spielen.“

      „Ich hatte den Esel ja schon.“

      „Hatte den Esel schon“, äffte der Profos nach. „Einen Scheiß hattest du! Der Esel hatte dich. Jetzt steht er da hinten und lacht sich krank.“

      „Klar, über dich. Ich mußte ja selbst lachen.“

      Sie warfen sich gegenseitig alles an Artigkeiten an den Kopf, was sie auf Lager hatten. Und das war eine ganze Menge. Smoky war fassungslos erstaunt über den ungeheuren Wortschatz des Profos’ und vernahm verstört, daß er ein amputierter Taschenkrebs, eine genotzüchtigte Bilgenlaus, ein Bratspillhering, ein klarierter Windbeutel und eine ins Gei gehängte Kanalratte sei. Und eine flachbordige Großlordvisage habe er ebenfalls, weil er so selten dämlich glotze.

      Auch Hasard war dieser einfallsreiche Dialog nicht entgangen, denn die beiden sprachen nicht gerade leise. Er schüttelte jedoch nur fassungslos den Kopf.

      Das Maultier hatte sich ein paar Yards genähert, scharrte mit dem rechten Vorderhuf und tat seine Überlegenheit kund, indem es wieder das Gebiß bleckte.

      Der Profos kriegte sich nicht mehr ein, wenn er das Vieh sah. Dann schwoll ihm jedesmal eine Ader am Hals. Zudem litt er wieder unter „Gehirnsausen“, denn in seinem Schädel brummte und summte es.

      Er sah Dan O’Flynn nach, der die Mulis inzwischen zum Klosterhof gebracht und dort an einem Querbalken angebunden hatte. Alle sieben Mulis standen ruhig da, nur dieses eine Mistvieh war so störrisch, hinterhältig und bösartig.

      Dan O’Flynn kehrte zurück und näherte sich gelassen dem verdammten Vieh, das ihnen soviel Ärger bereitet hatte.

      Als der Profos das sah, stieß er Smoky an und grinste.

      „Paß auf, jetzt können wir uns gleich totlachen.“

      Smoky nickte begeistert. Sie waren wieder ein Herz und eine Seele, und sie freuten sich schon auf das unausbleibliche Theater, das gleich folgen würde.

      Erwartungsvoll und gespannt sahen sie zu. Im Gesicht des Profos’ stand ein boshaftes Grinsen, während Smoky lauernd dahockte und starr zu Dan O’Flynn blickte.

      Dan ging lächelnd auf das Maultier zu, das mit dem störrischen Schädel nickte und ruhig stehenblieb. Gleich würde es zuschnappen oder auskeilen, und dann würde Dan O’Flynn wie vom Affen gebissen durch das Maisfeld flitzen. Genauso malten es sich Smoky und der Profos aus.

      Doch ihre Gesichter wurden immer länger, ihre Blicke immer fassungsloser, denn jetzt griff Dan nach dem schleifenden Zügel am Boden und hob ihn auf.

      Dem Profos quollen fast die Augen aus dem Kopf. Smoky stierte, als sähe er einen Geist.

      Dan hielt immer noch den Zügel in der Hand. Mit der anderen Hand klopfte er dem Maultier leicht auf den Hals.

      „Na, nun komm schon, mein Freund“, sagte er leise.

      Mein Freund! Himmel, dachte der Profos, diesen stinkenden Auskeiler und Rumhüpfer nennt er seinen Freund. Und das bösartige Vieh gehorchte lammfromm und brav und nickte wieder.

      Kreuzbrav folgte es Dan, ohne zu beißen, auszukeilen, ohne Mucken, ohne jeglichen Zirkus. Es folgte ihm bis in den Hof, wo die anderen Mulis standen. Dort ließ es sich anbinden.

      Dan ging danach seelenruhig zu Pater David hinüber.

      Während es dem Profos glatt die Sprache verschlug, kriegte Smoky ganz schmale Augen.

      „Aha!“ sagte er unheilschwanger, und in diesem „Aha“ lag alle Weisheit der Welt drin. „Mir schwant bereits etwas.“

      „Was schwant dir?“

      „Da steckt der alte O’Flynn dahinter“, raunte Smoky geheimnisvoll. „Der ist schuld an der ganzen Sache.“

      „Old Donegal?“

      „Genau! Der hat das Vieh verhext!“

      „Aber – der hockt doch auf der Schlangen-Insel“, wandte der Profos ein. „Wie kann er denn …?“

      „Hexerei kennt keine Grenzen und Entfernungen“, sagte Smoky selbstsicher. „Das weiß ich aus Erfahrung. Er hat das Biest eben aus der Ferne verhext, damit sein Sohn es bändigen kann. Du weißt ja, daß der alte Bursche hinter die Kimm peilen kann.“

      „Jaja“, sagte Ed, „das stimmt. Da ist was dran. Er kann wirklich hinter die Kimm peilen. Aber warum hat er es getan?“

      Auch darauf wußte Smoky – vom Aberglauben beseelt – eine für den Profos einleuchtende Antwort.

      „Ganz einfach. Er will uns ärgern, weil wir ihn nicht mit nach Potosi genommen haben. Deshalb hockt er jetzt auf der Schlangen-Insel und verhext die Maultiere. Du hast ihm ja vor der Abreise noch kräftig deine Meinung gesagt, daß Potosi kein Hafen sei und da nicht mal ein Idiot hinaufsegeln könnte. Nun – um uns zu ärgern, hat er eben ein bißchen gehext. Das Maultier ist doch mit uns umgesprungen wie mit zwei Blödmännern, stimmt’s?“

      „Stimmt“, sagte der Profos beeindruckt.

      „Na also, da war es schon verhext. Es schmiß mich ins Wasser, dann auf den Baum, und dann ging es auf dich los. Da hat Donegal sich mal so richtig ausgetobt. Das Vieh hat auch gelacht, obwohl Maultiere sonst überhaupt nicht lachen.“

      „Weiter“, sagte Ed heiser und leckte sich über die Lippen.

      „Nichts weiter. Nachdem er uns genug geärgert hatte, enthexte er den Satansbraten wieder, und danach war er lammfromm. Haben wir ja mit eigenen Augen gesehen, nicht?“

      Der Profos nickte erschüttert.

      „Hätte ich Donegal gar nicht zugetraut“, sagte er. „Aber dem werde ich was verklaren, wenn wir wieder zurück sind. Da kann der alte Bursche was erleben.“

      „Hoffentlich hext er nicht noch mehr Mist zusammen“, sagte Smoky besorgt. „Von der Schlangen-Insel aus kann er das ja, ohne daß es groß auffällt.“


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