Seewölfe - Piraten der Weltmeere 198. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 198 - Fred McMason


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im Eukalyptusbaum Ausguck hielt, dann schob er den Kieker wieder zusammen und wandte sich an einen hageren Burschen, dem der Schweiß in Strömen vom Körper rann und der gerade damit beschäftigt war, eine der neuen Decksplanken zu kalfatern.

      „Drei Stunden sind um“, sagte er. „Du kannst den Kerl da oben jetzt ablösen, Chico. Und halte deine verdammten Klüsen offen, sonst holt dich der Teufel!“

      „Aye, Kapitän. Mir entgeht nichts. Was geschieht nun mit Pedro? Ich meine, sollen wir ihn hängen?“

      Er deutete auf den Mann am Mast, der dumpf vor sich hinstarrte und apathisch in seinen Fesseln hing.

      „Hängen, Chico? Nein, ich glaube nicht, ich werde mir das noch überlegen. Er soll noch ein bißchen austrocknen, dann werden wir ihn zum Teufel jagen.“

      „Aussetzen, Kapitän?“ fragte Chico, ein kleiner, drahtiger Kerl, der dem Schwarzen Piraten bis knapp an das Brustbein reichte.

      „Geh jetzt auf deinen Posten, verdammt, und überlaß das Denken mir!“

      Der Drahtige verschwand nach einem Kopfnicken. Sie alle würden über das Schicksal von Pedro entscheiden, das wußte er, sie hielten sich an die Gesetze, die an Bord galten, und nach denen der Kapitän in solchen Angelegenheiten nicht allein entschied. Ein jeder hatte sein Mitspracherecht, wie es das Gesetz der Piraterie vorschrieb, obwohl der Schwarze Pirat das letzte Wort hatte.

      Das hatte auf der „sin nombre“ schon immer gegolten. Selbst der Schwarze Pirat war absetzbar, doch dazu hatte bis jetzt noch keiner den Mut aufgebracht, und es hatte auch keinen Grund dazu gegeben.

      Der Schwarze Pirat sah dem Mann nach, der das Schiff verließ, sich seinen Weg durch das Dickicht bahnte, bis er den Eukalyptusbaum erreichte, und dann einen Pfiff ausstieß. Daraufhin enterte der Ausguck ab, und Chico übernahm seinen Posten in schwindelnder Höhe.

      Die Arbeit ging weiter, unter Fluchen und Ächzen, und mehr als einmal traf den Mann am Mast, der ihnen das alles eingebrockt hatte, ein gehässiger Blick.

      Pedro ahnte, daß man ihn hängen würde und dieser bunt zusammengewürfelte Haufen wüster Kerle gar nicht daran dachte, ihm Pardon zu gewähren. Sie suchten einen Sündenbock, und sie hatten ihn gefunden.

      Immer noch rann ihm der Schweiß über den Körper, die Stricke und Taue brannten und scheuerten auf seiner Haut, und vor seinen Augen tanzten feurige Kreise.

      Der Durst ließ ihn fast wahnsinnig werden. Er schloß jedesmal entsagungsvoll die Augen, wenn einer der Kerle die Kelle ergriff, sie in das Wasserfaß tauchte und geräuschvoll schlürfend trank.

      Die Brühe war warm, denn den ganzen Tag lang schien die Sonne auf das Faß und heizte es auf. Aber ein einziger Schluck nur weckte alle Lebensgeister, auch wenn er noch so warm war.

      Mitunter vergoß einer der Kerle absichtlich etwas, und Pedro hätte sich am liebsten auf die schnell verdunstende Lache gestürzt, doch die Stricke hielten ihn fest, er konnte sich nicht bewegen.

      Keiner seiner Kumpane half ihm. Die Kerle, mit denen er gezecht, gewürfelt und gespielt hatte, starrten ihn nur verächtlich an oder grinsten hinterhältig, wenn sie an ihm vorbeigingen. Ab und zu empfing er auch einen Tritt, oder jemand spie ihm auf die Hose.

      Erbarmungslos brannte die Sonne, die seine Augenlider aufquellen ließ, seine Lippen ausdörrte und seinen Körper marterte.

      Den ganzen Tag über blieb er so stehen, zur Bewegungslosigkeit verdammt, hungernd und durstend. Hin und wieder rutschte er in den Strikken zusammen und hing schlaff am Mast, bis ihn wieder Geräusche oder Gelächter weckten.

      Dann sank die Dämmerung über die Insel, und die Arbeit wurde eingestellt. Als es dunkel wurde, erschienen die kleinen Pinguine, die es hier zu Hunderten gab. Sie watschelten durch die leichte Brandung, rannten über den Strand und verschwanden in ihren gebuddelten Nestern, ohne von den Menschen Notiz zu nehmen.

      In der Nacht kühlte es etwas ab, das war die einzige Erfrischung, die Pedro hatte.

      Aber der quälende Durst blieb, er wurde noch schlimmer, und dann war da die bange Frage, was ihn erwartete, und die jämmerliche Angst, von den wilden Gesellen gehängt zu werden.

      „Morgen“, sagte der Schwarze Pirat zu ihm, „morgen kriegst du einen anständigen Prozeß, wie es das Bordgesetz vorschreibt.“

      „Und einen langen Hals“, setzte der Bootsmann hinzu. „Dann siehst du aus wie eine Giraffe!“

      Sie lachten und ließen ihn stehen.

      Der „Prozeß“ war eine Farce, nicht mehr als ein jämmerliches Possenspiel, aber alle gaben sich ihm mit großem Ernst hin und versuchten, den Anschein von Autorität zu erwecken.

      Dazu trugen sie bunte Fetzen, Sonnenhüte oder Kopftücher und schnitten grimmige Gesichter.

      Die Mannschaft setzte sich aus Kreolen, Spaniern, zwei Franzosen und einem Indonesier zusammen. Ihr Jagdrevier reichte von Indonesien bis Melanesien, wo sie Kauffahrer aufgebracht, ausgeplündert und versenkt hatten. Auch die Küste war vor ihnen nicht sicher gewesen.

      In einem Halbkreis hockten sie vor dem Mast, der Bootsmann spielte den Staatsanwalt, die Rolle des Richters hatte der Schwarze Pirat übernommen, und den Verteidiger mimte der schwerhörige Kreole, den sie allgemein nur Mac Bottle nannten, weil er spanischen Rotwein gleich gallonenweise in sich hineinsoff.

      Das anfängliche Grinsen legte sich rasch, als der Bootsmann die Hand hob und den „Prozeß“ eröffnete. Dazu stieß er einen Belegnagel anstelle eines Amtsstabes dreimal in die Luft.

      „Die Verhandlung ist eröffnet, Mylord!“ sagte er laut.

      Vor Pedros Augen drehte sich alles im Kreis. Sein Gaumen war ausgedörrt und brannte, alle Knochen taten ihm weh. Die Gestalten vor ihm auf dem Deck tanzten auf und ab, schienen schräg in den Himmel zu schweben und fielen langsam wieder zurück.

      Der Schwarze Pirat nickte und verschränkte die Arme über der Brust. Sein schwarzverbranntes Gesicht war ausdruckslos auf den Gefangenen gerichtet.

      „Seht euch diesen Schurken an, ihr Herren Geschworenen“, sagte der Bootsmann. „Er ist der unfähigste Kerl, der je die Meere befuhr, und er hat uns um gerechten Lohn und fette Beute gebracht. Er ist vor dem Spanier ausgekniffen, weil er Angst hatte, und deshalb hat er das Schiff in höchste Gefahr gebracht.“

      „Das stimmt nicht!“ schrie Pedro, als es vor seinen Augen wieder heller wurde. „Ich konnte nichts dafür, der Don war schneller als wir.“

      „Hör zu, du lausiger Hund“, donnerte der Bootsmann. „Wenn du nicht unverzüglich an der Rah baumeln willst, dann bekenne, daß du schuldig bist! Bekenne endlich!“

      „Nicht schuldig, Sir“, stammelte Pedro, der sich im Geist schon an der Großrah baumeln sah.

      „Nicht schuldig“, höhnte der Bootsmann. „Du hast nur erbärmliche Angst vorm Galgen. Was sagen die Herren Geschworenen?“

      „Schuldig, schuldig!“ brüllten sie wild durcheinander. Eine wilde Diskussion begann, und jeder redete auf jeden ein. Die übelsten Schimpfwörter flogen dem Angeklagten an den Kopf, Fäuste wurden drohend geschüttelt, bis der Bootsmann Einhalt gebot.

      „Was sagt der ehrenwerte Herr Verteidiger?“ fragte er grinsend und wies mit der Hand auf den Kreolen.

      Mac Bottle wußte wohl, um was es ging, aber er hatte kein einziges Wort verstanden und legte fragend die Hand hinter das Ohr.

      „Hä?“ fragte er laut.

      „Du sollst ihn verteidigen, du taube Sau!“ brüllte der Bootsmann. „Hast du das gefressen?“

      „Wann gibt’s was zu essen?“ fragte der Kreole.

      Sogar der Schwarze Pirat begann laut zu lachen. Wenn er die hautlosen Lippen verzog, sah er noch schlimmer aus.

      „Die Verteidigung hat keinen Einspruch erhoben“, sagte der Bootsmann, nachdem das Gelächter verstummt war. „Der


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