Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren. A. F. Morland

Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren - A. F. Morland


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machte sich Notizen. „Bitte, fahren Sie fort!“, bat er.

      „Mit dem Völlegefühl stellten sich Blutungen ein – Metro... Metro ...“, sie suchte nach dem Wort. Immer wieder hatte sie es gemurmelt. Jetzt war es ihr entfallen.

      „Menorrhagie“, half Dr. Winter. „So lautet der Fachausdruck für langanhaltende Blutungen außerhalb der Regel. Wir sollten damit aber äußerst zurückhaltend umgehen. – Bitte!“

      „Und heftige Schmerzanfälle, als ob es mich gleich zerreißt. Das ist sicher mehr unmedizinisch ausgedrückt.“

      „Es verhilft zu einem besseren Bild. Wann traten diese Schmerzanfälle erstmals auf, und wo nehmen sie ihren Anfang, Frau Becker?“

      „Ebenfalls im Unterleib. Und sie kommen in immer kürzeren Abständen. Das heißt, seit gestern Morgen gar nicht mehr. Das Völlegefühl und der Druck sind auch weg.“ Sie blickte ihn aus großen geweiteten Augen hoffnungsvoll an, als erwartete sie, dass er aufstand und sagte, alles sei in Ordnung, und sie könnte nach Hause fahren.

      „Sie hat es mir leider verheimlicht, müssen Sie wissen“, sagte Walter erklärend. „Durch Zufall wurde ich gestern früh Zeuge eines solchen Anfalls. Ich hätte sie sofort zur Untersuchung gebracht.“

      „Das werden wir schon noch nachholen. – Frau Becker, wie äußern sich diese Schmerzanfälle? Ich sehe hier, Sie haben ein Kind, dann verstehen Sie, was ich meine. Sind sie wellenartig oder stechend oder ...?“

      „Stechend. Ich habe in einem Fachbuch gelesen, dass das typische Symptome für Krebs sind.“

      „Dann wollen wir ganz schnell vergessen, was Sie da gelesen haben. Typisch ist gar nichts, am wenigsten in der Medizin. Wenden wir uns der Anamnese zu.“ Er bemerkte, dass Eva-Maria Becker sich kerzengerade aufsetzte, und fügte beruhigend hinzu: „So nennt man die Befragung des Patienten nach früheren Krankheiten und operativen Eingriffen.“

      Seine ruhige sonore Stimme und seine freundliche, verständige Art übten einen beruhigenden Einfluss auf Eva-Maria aus. Als sie das Wort „Krebs“ aussprach, hatte er sogar etwas gelächelt. Nur für einen Augenblick, aber sie hatte es gesehen.

      Dann war es vielleicht doch nicht das, wovor sie sich fürchtete?

      Geduldig fragte Dr. Winter Krankheiten ab. Dann und wann nickte sie. Es waren die üblichen Kinderkrankheiten.

      Der Kugelschreiber kritzelte auf Papier.

      „Und operative Eingriffe, Frau Becker?“

      „Eine geplatzte Zyste am rechten Eileiter. Das ist zehn Jahre her. Der Blinddarm wurde dabei entfernt.“ Fragend blickte Dr. Winter auf.

      „Auf dem Rückzugsgefecht mit erledigt, so drückte sich der Arzt aus“, erklärte Walter. „Die geplatzte Zyste war eine böse Geschichte. Sie hat sich nämlich einen Tag mit unmenschlichen Schmerzen herumgeschleppt. Nachts um drei habe ich sie gegen ihren Willen ins Krankenhaus gebracht. Da war es schon höchste Eisenbahn.“

      Dr. Winter schrieb. Dann fragte er: „War die Geburt des Kindes komplikationslos?“

      „Tina hatte eine doppelte Nabelschnurumschlingung und stellte sich drei Wochen zu früh ein. Kein Kaiserschnitt, wenn es wichtig ist.“

      „Und sonst, Frau Becker?“

      „Sonst wurde ich nie stationär behandelt.“

      „Danke. – Herr Becker, wenn ich Sie nun bitten dürfte, draußen zu warten.“ Dr. Winter drückte auf die Ruftaste.

      In der Tür erschien Renate Angern.

      Walter verließ das Behandlungszimmer.

      16

      Scham und Verlegenheit hatte Eva-Maria damals empfunden, als sie zur Schwangerschaftsuntersuchung bei Dr. Scharnitz gegangen war.

      Sie hatte aber eingesehen, dass die Untersuchung im Intimbereich nötig war und sich damit getröstet, dass sich schon vor ihr viele Frauen dieser Prozedur unterzogen hatten.

      „Machen Sie sich bitte unten herum frei“, bat Dr. Winter.

      Die blonde Arzthelferin hantierte im Hintergrund.

      Eva-Maria wusste, dass während der Untersuchung eine Helferin zugegen war. Selbstschutz und Absicherung des Frauenarztes gegen Patientinnen, die womöglich nachher den Arzt bezichtigten, an ihnen manipuliert zu haben.

      Sie machte sich hinter dem Paravent frei.

      Dr. Winter half ihr auf den gynäkologischen Stuhl, zog den Instrumententisch heran und streifte sich den Plastikhandschuh über.

      „Ganz locker, bitte, nicht verspannen!“, sagte er. „Wenn Sie Schmerzen verspüren, sagen Sie es sofort.“

      Er begann mit der Untersuchung und führte das Spekulum ein.

      Äußere Scham und Scheide zeigten akute Reizzustände. Die Schleimhäute waren durch die Menorrhagie laufend gefordert und zeigten eine natürliche Reaktion.

      Das sah alles sehr normal aus.

      Stutzig wurde er, als er an der Portio, dem Scheidenteil des Gebärmutterhalses, körnige Strukturen entdeckte. Einzelne Zellen waren stark vergrößert. Eine Hypertrophie, die nichts Gutes erwarten ließ.

      Vorsichtig sondierte er tiefer.

      In der Gebärmutterhöhle hatte sich ein Blastom gebildet, mit nur noch hauchdünner Wandung.

      Behutsam lavierte er das Instrument an der tumorigen Gewebeausbildung vorbei, konnte aber die Eileiter nicht erreichen. Die Tuben waren extrem verengt.

      Er entfernte das Instrument und überschlug blitzschnell alle Möglichkeiten.

      Die tapfere Frau musste zeitweise irrsinnige Schmerzen gelitten haben. Konnte er ihr mit einem flexiblen Spekulum eine Tuben und Ovarieninspektion zumuten?

      Das Uterusblastom konnte sich durch Knospung selbsttätig entwickelt haben, und die Portiohypertrophie hatte sich danach ausgebildet, war der Beginn einer Metastasensetzung. Eine Möglichkeit, jedoch nicht die letzte.

      Gewisse Anzeichen deuteten auf einen Ursprung in den Ovarien, den Eierstöcken hin. Darum die auffällige Tubenverengung.

      Er machte schnell und sicher einen Abstrich und entnahm mit einer Pipette zusätzlich etwas Flüssigkeit, die er in eine Glasschale gab und sofort abdeckte.

      Den Handschuh warf er in den Abfalleimer. „Wir sind schon fast fertig, Frau Becker“, sagte er. „Ich nehme lediglich noch eine Abtastung vor. Bitte, Sie sagen sofort, ob Sie Schmerzen verspüren.“

      Er begann in der Bauchfalte und palpierte die Abdomenregion abwärts. Dabei entdeckte er die kleine Schnittnarbe, Überbleibsel des Eingriffs wegen der geplatzten Tubenzyste und Schauplatz des „Rückzugsgefechts“ mit dem Blinddarm. Es war saubere operative Arbeit geleistet worden, er anerkannte das neidlos.

      Die Vermutung bestätigte sich nicht, dass sich im Narbenbereich rechtsseitige Wucherungen oder gar Tumoren gebildet hatten. Selbst der tief einstoßende Finger löste keinen sensationellen Schmerz aus.

      Dr. Winter betastete die linke Seite.

      Die Patientin krümmte sich plötzlich zusammen. „Ja, hier!“, stieß sie flach hervor. „Etwas tiefer.“

      Langsam, gespannt führte er den Zeigefinger über die Bauchdecke abwärts. Diesen Bereich hatte er noch nicht betastet, er war nur in seine Nähe gekommen, und dennoch verspürte die Frau Schmerzen!

      „Ist es hier?“, fragte er.

      Sie nickte und versuchte, über ihren Körper herabzublicken.

      Wenn keine Lageanomalien der Organe gegeben sind, dachte Dr. Winter, dann liegt die Wurzel des Übels im linksseitigen Ovarium! Und da komme ich nicht hin, sonst springt sie mir


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