Big Ideas. Das Wirtschafts-Buch. John Farndon
Joan Robinson
Britische Ökonomin (1903–1983)
DIE ANFÄNGE DES WELTHANDELS
400 V. CHR.–1770 N. CHR.
UM 380 V. CHR.
Platon beschreibt den idealen Staat, in dem es kein Privateigentum und eine differenzierte Arbeitsteilung gibt.
1265–1274
Thomas von Aquin ist der Ansicht, der Preis eines Produkts sei nur dann »gerecht«, wenn kein überhöhter Gewinn gemacht und niemand betrogen wird.
UM 1400
Wechsel werden zu einem beliebten Zahlungsmittel im europäischen Handel. Sie werden von Handelsbanken eingelöst.
1599
Die britische Ostindien-Kompanie, eine internationale Handelsgesellschaft und die erste weltweite Handelsmarke, wird gegründet.
UM 350 V. CHR.
Aristoteles spricht sich für das Privateigentum aus, aber dagegen, Geld nur um seiner selbst willen anzusammeln.
1397
In Florenz (Italien) wird der Banco Medici gegründet, ein erstes Bankhaus, das dem internationalen Handel dient.
1492
Christoph Kolumbus erreicht Amerika. Bald fließt Gold nach Europa und erhöht die Geldmenge.
UM 1630
Thomas Mun befürwortet eine merkantilistische Politik: Auslandsexporte sollen den Wohlstand der Nation vergrößern.
1637
Auf dem holländischen Tulpenmarkt platzt eine spekulative Blase. Tausende Investoren sind ruiniert.
1682
William Petty zeigt in Quantulumcunque Concerning Money, wie die Wirtschaftsleistung gemessen werden kann.
1697
Gregory King erstellt einen statistischen Überblick über den englischen Handel im 17. Jh.
1756
François Quesnay und seine Anhänger, die Physiokraten, betrachten das Land und die Landwirtschaft als die einzigen Quellen für wirtschaftlichen Wohlstand.
1668
Josiah Child beschreibt den Freihandel. Er setzt sich für eine Erhöhung sowohl der Exporte als auch der Importe ein.
1689
John Locke vertritt die Meinung, Wohlstand rühre nicht vom Handel, sondern von der Arbeit her.
1752
David Hume ist der Ansicht, für öffentliche Güter sollten die Regierungen bezahlen.
1758
Quesnay stellt mit seinem Tableau économique erstmals die Funktionsweise einer ganzen Volkswirtschaft dar – die »Makroökonomie«.
In den Kulturen der Antike entwickelten sich Systeme zur Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen. Diese frühen Wirtschaftssysteme entstanden auf natürliche Weise: Handwerk und Gewerbe produzierten Güter, die sich zum Austausch eigneten. Die Menschen begannen Handel zu treiben, zunächst als Tauschgeschäft und später mit Münzen aus Edelmetall. Der Handel entwickelte sich zu einem zentralen Bestandteil des Lebens. Jahrhundertelang wurden Waren gekauft und verkauft, ehe jemand danach fragte, wie das System eigentlich funktionierte.
Die Philosophen der griechischen Antike gehörten zu den ersten, die über die »Ökonomie« schrieben. In Der Staat beschreibt Platon die politische und soziale Gestalt eines idealen Staates, der seiner Ansicht nach ökonomisch funktionieren würde: Spezialisierte Produzenten sollten die Allgemeinheit mit Gütern versorgen. Doch sein Schüler Aristoteles verteidigte das Privateigentum, das es erlaube, auf dem Markt Handel zu treiben. Diese Diskussion setzt sich bis heute fort. Als Philosophen betrachteten Platon und Aristoteles die Ökonomie als Angelegenheit der Moralphilosophie: Statt zu analysieren, wie die Wirtschaft funktionierte, entwickelten sie Ideen, wie sie funktionieren sollte. Dieser Ansatz wird als »normativ« bezeichnet.
Der normative Ansatz hat im wirtschaftlichen Denken bis in die christliche Zeit überdauert. Mittelalterliche Philosophen wie Thomas von Aquin versuchten, eine Ethik des Privateigentums und des Handels zu definieren. Thomas machte sich Gedanken über die Preismoral, er plädierte für »gerechte« Preise ohne überhöhte Gewinne für die Händler.
In den Gesellschaften der Antike wurde die Arbeit zum großen Teil von Sklaven verrichtet und das mittelalterliche Europa funktionierte nach einem Feudalsystem: Die Bauern wurden von Regionalfürsten geschützt und leisteten dafür Arbeit und Militärdienst. Die Argumente der Philosophen waren daher eher theoretischer Natur.
Aufstieg der Stadtstaaten
Eine wesentliche Veränderung fand im 15. Jahrhundert statt. In Europa entwickelten sich Stadtstaaten, die durch Handel zu Reichtum gelangten. Eine neue, wohlhabende Schicht von Kaufleuten löste die feudalen Landbesitzer als Akteure der Wirtschaft ab. Sie arbeiteten Hand in Hand mit Bankiers, die ihren Handel und ihre Entdeckungsreisen finanzierten.
Neue Handelsnationen ersetzten die kleinräumigen feudalen Wirtschaftsformen, der Austausch von Waren und Geld zwischen den Ländern rückte zunehmend in den Vordergrund. Das wirtschaftliche Denken jener Zeit, bekannt als Merkantilismus, kreiste um die Zahlungsbilanz – die Differenz zwischen dem, was ein Land für Importe ausgibt, und dem, was es durch Exporte einnimmt. Waren im Ausland zu verkaufen, galt als gut, Waren zu importieren, galt als schädlich. Um ein Handelsdefizit zu vermeiden und die Produzenten im Inland gegen Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen, plädierten die Merkantilisten dafür, Importe zu besteuern. Der zunehmende Handel entzog sich immer mehr den einzelnen Kaufleuten. Teilhaberschaften und Kompanien wurden gegründet, häufig mit Unterstützung von Regierungen. Diese Firmen wurden oft in »Anteile« zergliedert, sodass sich mehrere Investoren beteiligen konnten. Das Interesse am Kauf von Anteilen wuchs im späten 17. Jahrhundert schnell, was zur Einrichtung zahlreicher Aktiengesellschaften und Börsen führte.
Eine neue Wissenschaft
Die gewaltige Zunahme des Handels führte zu einem verstärkten Interesse am Funktionieren der Wirtschaft und zur Begründung der Wirtschaftswissenschaft. Sie entstand zu Beginn des 18. Jahrhunderts, im Zeitalter der Aufklärung, als rationales Denken hoch im Kurs stand. Man suchte einen wissenschaftlichen Zugang zur »politischen Ökonomie«. Die Ökonomen versuchten, die Wirtschaftsaktivität zu messen, und beschrieben das Funktionieren des Systems ohne Rücksicht auf die Moral.
In Frankreich analysierten die »Physiokraten« den Geldfluss in der Wirtschaft und produzierten so das erste makroökonomische Modell. Sie stellten die Landwirtschaft und nicht den Handel oder das Finanzwesen in den Mittelpunkt. Gleichzeitig verlagerten politische Philosophen in Großbritannien den Schwerpunkt von merkantilistischen Vorstellungen hin zu Produzenten und Verbrauchern sowie zum Nutzen und Wert der Waren. Die moderne Wirtschaftswissenschaft begann sich zu entwickeln.
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