Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung. Joseph August Lux
hervorgerufen! Die Erfindung der Elektrizität allein hat zu Beleuchtungskörpern geführt, deren Formen aus keiner Tradition geholt werden konnten. So geht es auch mit den anderen Gebrauchsdingen. Das Auswachsen der Städte zu Weltstädten hat zu neuen, bis dahin nie gekannten Lebensformen geführt. Durch das Zusammendrängen so vieler Menschen an einem Ort und den dadurch bedingten raschen Austausch und Verbrauch der Güter, hat das Leben eine außerordentliche künstliche Steigerung erfahren und den Typus des Stadtmenschen verschärft. Aus diesen Verhältnissen ist eine spezifisch moderne Aufgabe erstanden, nämlich die: inmitten des rasselnden Getriebes der Fabriken, des Straßen- und Geschäftsverkehres den Zustand der Wohnlichkeit herzustellen, Räume zu schaffen, welche die Urbanität der Sitten und Lebensgewohnheiten verkörpern, und als friedliche Inseln inmitten des hastigen Welttreibens das Gefühl der Heimat wachhalten. In der Tat, die moderne Stadtwohnung ist unser jüngstes Problem. Früher kannte man es nicht. Denn wie wir oben gesehen haben, waren die Wohnungen der Bürger zuerst von den Ausstrahlungen des Hofes und des kirchlichen Hochgefühls bestimmt und später von den wechselnden allgemeinen Zeitideen des Kosmopolitismus, der Romantik und noch vor einem Jahrzehnt von der Renaissance-Illusion, vom Kultus der historischen Stile. Weltstädte im gegenwärtigen Sinne sind ein sehr junges Erzeugnis. Sie haben die Wohnungsfrage neu geschaffen. Der Kern dieser Frage ist Benützbarkeit, Zweckmäßigkeit, Bequemlichkeit. Dazu ist die Ausnützung aller modernen Hilfsmittel, aller technischen Errungenschaften Bedingung, die zu neuen Lösungen führt. Gerade die praktischen Forderungen des Lebens geben fruchtbare Anregungen zu neuen Schönheitsmöglichkeiten, die im Wesen der Dinge liegen. Auf diesem Wege gelangen wir zu dem lange gesuchten volkstümlichen Stil, welcher der Ausdruck unserer heutigen allgemeinen Lebensformen ist.
Portière von Arch. Max Benirschke,
Düsseldorf.
Schablone für Wandmalerei von
Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.
Die Forderungen, welche die heutige Zeit an die Zweckkunst stellt, sind in allen Kulturländern dieselben. Aus den Übereinstimmungen ergibt sich der Zeitstil, dessen wesentliche Merkmale heute sind: Zurückgehen auf die konstruktiven Elemente, in denen das eherne Gesetz der Zweckmäßigkeit wirksam ist, sinnfällige Ausnützung der Materialwerte, welche hier die zusammenfassende Kraft des Eisens, dort die Weichheit der Fichte, die zähe Wucht der Eiche etc. sichtbar macht und aus ihren natürlichen Eigenschaften neue dekorative Werte zieht. Die unmittelbare Anknüpfung an die Natur, an die funktionellen Bedürfnisse und Gewohnheiten des Menschen schließt grundsätzlich die Wiederholung gebrauchter historischer Formen aus und eröffnet ungeahnte Gestaltungsmöglichkeiten, die eine lebendige organische Beziehung zu unserem Wesen unterhalten. In diesem engen Anschluß an die natürlichen Forderungen liegt also das Gemeinsame der heutigen angewandten Kunst, aber zugleich auch das Differenzierende. Die Lebenserfordernisse, soweit sie in den Gebrauchsdingen des Alltags, in den Gegenständen der Häuslichkeit zum Ausdruck kommen, sind allgemeiner Natur, wenngleich sie überall eine andere Sprache sprechen, einen anderen Dialekt. So spüren wir bald in der allgemeinen Kultur die persönliche, in den typischen Formen die Individualität, im Zeitstil den Geist der Heimat, den genius loci. In England, in Deutschland und bei uns wird nach den allgemeinen Grundsätzen gearbeitet, allerdings überall mit anderen Ergebnissen. Daran ist die Ortstümlichkeit schuld, die Heimatkultur, die als Obertöne im modernen Schaffen leise mitschwingen und die lokale Färbung erzeugen. Das wird schließlich niemand leugnen: wir alle haben von England gelernt. Das hatte England dem Kontinent voraus, es besaß von altersher eine ununterbrochene bürgerliche Tradition und die großen Neuerer in Kunst und Kunstgewerbe fanden von vorneherein einen Boden vor, auf dem ein gut Gedeihen war. Denn die altenglische Sitte, daß jeder Bürger sein Haus allein bewohnt, kommt den Absichten der modernen Kunst hilfreich entgegen. Das ererbte Gut volkstümlicher Sitten und Anschauungen einerseits, die immense Vorarbeit einzelner leuchtender Geister, vor allem Dante Rosetti, John Ruskin und William Morris, sind die Grundlagen der Künstler, die wir heute am Werke sehen.
Teppich von Arch. Max Benirschke,
Düsseldorf.
Läufer von Arch. Max Benirschke,
Düsseldorf.
Immer mehr richten sich die Blicke auf Wien. Dort ist ein neues Künstlergeschlecht, das zum größtenteil aus der Wagnerschule hervorgegangen ist, aufgestanden und hat mit selten gesehener Eintracht und Geschlossenheit die moderne Raumkunst geschaffen. Künstlerisch und wahlverwandtschaftlich steht es der Gruppe Mackintosh am nächsten. Es hat den Vorzug der größten Frische und Natürlichkeit. Bei aller strengen künstlerischen Konsequenz geht ein liebenswürdiger Wienerzug durch das ganze Schaffen dieser Künstler, die zur Sezession gehören oder sich zu ihren Anschauungen bekennen. Sie haben sich bereits das Ausland erobert. Heute verlangt man schon den »Wiener Stil«. Josef Olbrich hat ihm eine Insel im Ausland geschaffen. Prof. Josef Hoffmann ist sicherlich die stärkste und konsequenteste Kraft unter den Neuen. Prof. Kolo Moser schafft Werke von fast femininer Grazie. Vornehm und zweckvoll sind Leopold Bauers Schöpfungen. Was die Schulen von Prof. Hoffmann, K. Moser, A. Roller, Baron Mirbach, A. Böhm auf allen Gebieten des Kunstgewerbes und der häuslichen Kunst leisten, wird bahnbrechend wirken. Zahlreiche Schüler sind erfolgreich im Auslande tätig. Unter diesen verdient Max Benirschke in Düsseldorf besondere Erwähnung. Die Architekten und Kleinkunst gehen hier Hand in Hand und erreichen solcherart die bewundernswerte Einheit eines Stils, der unmittelbar aus dem Leben quillt und für das Leben schafft. Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung wird solcherart, ob sie nun einfachen oder leichten Verhältnissen entspricht, den Stempel einer vornehmen Kultur tragen, die Wesenszüge einer geschmackvollen, gebildeten, modernen Persönlichkeit.
Diverse Läufer aus Bast von Architekt Hans Vollmer,
ausgef. Prag-Rudniker Korbwarenfabrikation.
Läufer aus Bast.
Prag-Rudniker Korbwarenfabrikation.
Schmücke dein Heim!
Wohnräume spiegeln immer den Geist ihrer Bewohner. Gleichviel, ob sie mit reichen oder geringen Mitteln ausgestattet sind. So werden sie zu Verrätern, und der überflüssige Aufwand, der sogenannte Luxus, der vielfach für Geschmack genommen wird, offenbart nur zu oft, was er eben zu verhüllen strebt: die Geschmacklosigkeit. Das ist eine kapriziöse Geschichte: Geschmack ist nicht immer für Geld zu haben. Auch nicht für viel Geld. Die ärmste Hütte kann reicher sein als der prunkende Palast. Denn Seelenadel kann auch unter dem fadenscheinigen Kleid und unter dem rauhen Bauernkittel wohnen. Sicherlich wird er auf die Umgebung ausstrahlen, auf die nächste häusliche Umgebung, und dort im Stillen wirken. Ganz unauffällig, groben Sinnen nicht wahrnehmbar. Das »Seelische« ist es, was an den Wohnräumen interessiert, das, was menschlich an ihnen ist. Nicht wie sie eingerichtet, ob kostbar, ob ärmlich. Wenn ich in einem weissgetünchten Bauernhaus sorglich gepflegte Blumen am Fenster sehe, möchte ich am liebsten verweilen. Wie man bei lieben, guten Menschen verweilt. Die kahlste Stube, darin Reinlichkeit herrscht und ein paar Topfgewächse stehen oder ein Blütenzweig im Glas, birgt einen Strahl von Schönheit wie heimliches Licht.
Möbelstoffe von Backhausen & Söhne, Wien,
nach Entwürfen von Arch. Fr. Dietl und Max Benirschke.