Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung. Joseph August Lux

Die moderne Wohnung und ihre Ausstattung - Joseph August Lux


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nach Entwürfen von Prof. Joseph Hoffmann, Max Benirschke und Leopold Bauer.

      Möbelstoff von Prof. Joseph Hoffmann,

       ausgeführt von Backhausen & Söhne, Wien.

      Bordüre von Arch. Max Benirschke, Düsseldorf.

      Flächenmuster von Architekt

       Max Benirschke, Düsseldorf.

      Allein das Zeugnis, das die Wohnungen für die persönliche Kultur der Besitzer ablegen, ist nur in seltenen Fällen ein günstiges. Ich habe die Wohnungen aller Stände gesehen und vor allem des Mittelstandes, der den Hauptteil der Stadtbevölkerung ausmacht, und ich habe fast durchwegs nur Variationen eines Themas gefunden, das nichts Erquickendes bot. Auf die falsche Note des erborgten Luxus, der den Schein höher stellt als das Sein, ist heute noch das meiste gestimmt. Auf jeder Schwelle, die ich überschritt, hatte ich die Empfindung, als schallte mir eine widerliche Reklamestimme entgegen: »Schmücke Dein Heim!« Den traulichen Blumenflor, der uns die lebendige Natur, den Frühling in die Stube zaubert, fand ich ersetzt durch die künstliche Palme, eine erbärmliche Karikatur, die ihre starren Blätterfinger verzweiflungsvoll nach allen Richtungen ausstreckt in der offenbaren Absicht, das Makartbouquet traurigen Angedenkens an Geschmackswidrigkeit zu übertrumpfen. Das beleidigte Auge, das sich von diesem unwürdigen Anblick weg zum Fenster wendet, begegnet dort einer neuen Schmach. Wohlfeile, klägliche Imitationen der Glasmalerei hängen an den Scheiben und wehren dem spärlichen Tageslicht in den engen, düsteren Gassen den Zutritt in die dämmerigen Stadtwohnungen. Resigniert lasse ich mich auf die ach, so wohlbekannte Ripsgarnitur nieder. Doch es könnte auch eine Plüschgarnitur sein oder eine solche aus Halbseidendamast. Denn ich sehe sie nicht. Sie ist über und über bedeckt mit Milieux und Schutzdeckerln aller Art, welche die »züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder« in den langen Jahren des heiligen Ehestandes gestickt und gehäkelt hat. Als ich mich wieder erhebe, habe ich die Proben des häuslichen Kunstfleisses auf meinem Rücken hängen. Die verlegene Miene der Hausfrau steigert meine eigene Verlegenheit, als ich inne werde, dass die ausgenähten Lappen das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, und nicht nur das Heim »schmücken«, sondern auch als cache-misère die Blössen der verschossenen und zerschlissenen Garnitur sorgsam verhüllen sollen. Ich bücke mich rasch, um die verstreuten Fetzen aufzulesen, aber da hätte ich beinahe das Unglück gehabt, von der nahen Konsole das Gelump des unnützen Kleinkrams, jene »Kunstgegenstände« und Geschenkartikel, die wir aus den Schaufenstern der Kronenbazare kennen, die niedlichen Schweinchen, Figürchen, Tellerchen aus Glas und Porzellan, die für wenig Geld viel Geschrei machen, herabzuwerfen und damit das Odium eines ungefügen Barbaren auf mich zu lenken. Ich brauche kaum zu sagen, dass mich die erlogene Eleganz verstimmte, dass mich die Enge drückte und dass die beständige Gefahr, ein Unglück anzurichten, mein Benehmen unfrei und linkisch machte. Aber ich fand es nirgends besser. Durchwegs Räume mit mehr oder weniger Luxus, die unseren Geist und unseren Leib fesseln, die nicht geeignet sind, unsere Bewegungen und Geberden maßvoll aufzunehmen, die, angefüllt mit dem Unrat der Geschmacklosigkeit und einer babylonischen Wirrnis von Stilbrocken und Schnörkeln, den Sinn für Einfachheit, Wahrhaftigkeit und Echtheit ertöten. Ich nehme keinen Becher zur Hand, ohne den Leib eines Mönchleins oder Gnomen zu umschliessen, jeder Zigarrenabschneider wird mit dem Kopf Bismarck’s oder Moltke’s maskiert, jedes Gefäss ist überladen mit Blattwerk und Guirlanden, die Wände sind angefüllt mit schlechten Bildern, Fächern, japanischen Schirmen und Photographien.

      Glasluster für elektr. Licht von Arch. Leopold Bauer.

      Beleuchtungskörper von

       Architekt Max Benirschke.

      Die freundlichen Hausgötter der Gastlichkeit und Geselligkeit pflegen nicht in Räumen zu wohnen, wo die Persönlichkeit sich im Widerspruch zur häuslichen Umgebung befindet und wo selbst die Inwohner Fremdlinge sind. Fremdlinge im eigenen Heim. An einem Herde ist nicht gut rasten, wo unaufhörliche Dissonanzen herrschen. Die Talmi-Eleganz unserer bürgerlichen Wohnungen, die unter der Devise »Schmücke dein Heim!« stehen, all die billige Effekthascherei, all der anscheinende Komfort, der keiner ist, weil er nur des Scheines wegen da ist, und nur Plage macht, ohne für etwas gut und nützlich zu sein, mit einem Wort: das Großtun, das ist die unaufhörliche Dissonanz. Wer mit feiner Witterung begabt ist, spürt das schon an der Türschwelle. Und all die Nichtigkeiten, die nur da sind, um über den wahren Zustand zu täuschen, werden zu den schreiendsten Anklägern. Kann man wirklich von dem »Geist« oder »Charakter« solcher Wohnräume auf das Wesen der Menschen zurückschliessen und den einzelnen verantwortlich machen? Man bedenke: ein Zahnarzt glaubt es sich schuldig, einen Empfangssalon à la Louis XV. zu besitzen. Die Sache muss möglichst billig sein, darum ist auch das Schlechteste gut genug. Aber immerhin, man sieht doch, dass man auch wer ist! Vor einem ernsten Urteil wird der Zahnarzt kaum als geschmackvoller oder auch nur als gebildeter Mann bestehen. Aber seine Entschuldigung ist, dass es den Leuten gefällt, und die Masse gibt Richtung. Im Grossen wie im Kleinen. Sie macht die Mode. Und sei diese noch so absurd, ihrer suggestiven Kraft wird sich der Einzelne, der Durchschnittliche, kaum entziehen. Man spricht vom Zeitstil und von Kulturströmung, die eine Epoche charakterisiert. Der Einzelne folgt dann seinem Herdeninstinkt. So mag man, wenn man nachsichtig sein will, den ganzen Skandal von Lüge und Täuschung, von schäbiger Eleganz und erlogener Vornehmheit, der in Geschmackdingen seit gut dreissig Jahren herrscht, jener unpersönlichen Abstraktion, die man Zeitgeist nennt, zuschreiben.

      Aber schließlich müssen es doch wieder die Einzelnen sein, die eine Wendung anbahnen. Im richtigen Verstande müsste der marktschreierische Imperativ »Schmücke dein Heim«! einen Widerwillen erzeugen, der zum tüchtigen Kehraus führt. Die Schmucklosigkeit wäre zunächst der grösste Schmuck, die Befreiung von dem angepriesenen putzmachenden Tand. Man brauchte nur damit zu beginnen, statt der künstlichen Pflanzen lebende, echte ins Zimmer zu bringen, um Freude an ihrer Echtheit und ihrem Gedeihen zu gewinnen, und eine Revolution ist eingeleitet. Zuerst würden die schweren, verdunkelnden Stoffgardinen fallen, um wieder Licht und Luft in die dumpfen Räume einzulassen. Wir müssten den echten Blumen, so wir sie erhalten wollen, dieses Opfer bringen, und es wäre eine gerechte Wiedervergeltung, denn gerade diese verdüsternden Stoffgardinen waren es, die zur Zeit, als der Makartsche Atelierstil Mode wurde, unsere Blumen verdrängt haben. So nun aber das clair-obscur jener romantischen Rembrandt-Stimmung vor der Tageshelle gewichen ist, entpuppt sich die Lächerlichkeit des Stimmung machenden Krimskrams an den Gesimsen, all der Krüge, die keinem Gebrauch dienen, die weder Wasser noch Wein fassen, der Vasen, die keine Blumen aufnehmen können, der Teller, die zu keiner Mahlzeit verwendet werden können, und die sich als dürftiger Gschnas vor dem hellen Tage schämen, als nicht minder die dunkel gehaltenen Wände, die so beliebt sind, weil man den Schmutz darauf nicht sieht. Im Schmutze leben, das macht nichts, nur sehen darf man ihn nicht!

      Nun aber wird der ob seiner Nichtigkeit entlarvte Prunk unerträglich, und es beginnt ein lustiger Umsturz, vor dem nichts niet- und nagelfest ist. Vom Hundertsten käme man ins Tausendste. Vom Fenster zu den Wänden und den Bildern, und von diesen zu den Möbeln, bis ins Kleinste herab. Es ist fast unabweislich, in allen Einzelheiten des Wohnraumes die neue Wohnungsästhetik zu erhärten. Der Ausgangspunkt dieser neuen Ästhetik aber ist, dass wir allen sogenannten Luxus aus unseren Häusern fortschaffen und zur Aufrichtigkeit und Einfachheit zurückkehren, wenn wir wollen, dass die Kunst wieder im Hause beginne. Epochen mit hochentwickelter volkstümlicher Kultur haben gezeigt, daß die Kunst immer vom Hause ausgeht und von hier aus auch das äußere Leben ergreift. Darum muß unsere Sorge darauf gerichtet sein, daß wir nicht die goldene Regel verletzen, die uns William Morris gegeben: »Behalten Sie nichts in ihrem Heim, wovon Sie nicht wissen, daß es nützlich ist, wovon Sie nicht glauben, daß es schön ist!«

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