Existenzanalyse und Logotherapie. Alfried Längle

Existenzanalyse und Logotherapie - Alfried Längle


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entstammt das intentionale Gerichtetsein des Menschen auf Welt (auf »Alterität«, also auf etwas oder jemanden, der nicht »Ich« ist, sondern ein »anderer«) und zugleich auf sich selbst (Selbstsein). So gesehen kann man auch sagen, dass der Mensch durch seine Veranlagung einerseits (Personsein) und durch das konstitutive Eingebundensein in Welt andererseits ein lebenslanges Verlangen nach Antworten auf die Welt hat (man kann dies auch als »Ur-Intentionalität« bezeichnen). Die unaufhebbare, auf Dialog angelegte Beziehung zur Welt und zu sich selbst wird in der EA als Ursprung der Dynamik des personalen Ichs angesehen. Sie ist die zentrale theoretische Basis psychotherapeutischen Arbeitens.

      In einem solchen Verständnis von Existenz ist Freiheit das zentrale Theorem, auf deren Entwicklung und deren Einsatz die ganze Arbeit in der EA ausgerichtet ist. Damit stehen die Selbstpositionierung und Entschiedenheit des Menschen im Mittelpunkt. Dank ihrer kann der Mensch sich als Gestalter seines Daseins erleben. Durch ihren stimmigen Einsatz kann er sich mit seinem Dasein identifizieren und sein Handeln verantworten. Im täglichen Lebensvollzug wird der Einsatz der Freiheit in Form der emotional empfundenen Zustimmung zu dem, was man tut oder lässt, vollzogen (image Kap. 3.7). Durch dieses Konzept wird der Existenz-Begriff gegenüber dem der LT aufgeweitet. Existenz ist nicht nur Vollzug von Sinn, sondern verlangt explizit den Einbezug der eigenen Person, um einen echten Dialog mit der Welt zu begründen. Daher geht der Sinnerfüllung die »Besorgung« von Sein-Können, Leben-Mögen und Vollzug des Selbst-Seins voran (der Begriff Besorgung spielt auf Heideggers (1979) Verständnis der Sorge für die Existenz an). Auf der Basis eines solchen personalen Dialogs mit der Welt kann der Mensch zu einer erfüllenden Existenz gelangen. Existenz wird in der EA verstanden als ein sinnvolles, in Freiheit und Verantwortung gestaltetes Leben, das der Mensch als das seinige empfindet und worin er sich als Mitgestalter erlebt.

      Diese Entwicklungen, verbunden mit einem knappen Dutzend von methodischen Anwendungen, macht die EA bei allen psychischen, psychosomatischen und psychosozialen Erlebnis- und Verhaltensstörungen anwendbar und verleiht ihr eine empirisch überprüfbare Effizienz.

      2 Verwandtschaft mit anderen Verfahren

      2.1 Humanistische Psychotherapierichtungen

      Die EA ist auf Person und Existenz fokussiert. Dies sind genuin humanistische Themen. Die EA wird daher im Allgemeinen den humanistischen Psychotherapierichtungen zugerechnet (Kriz 2014a; Bühler und Allen 1983; Hutterer 1998). Sie stellt mit ihrer existentiellen Ausrichtung aber eine eigene Strömung innerhalb des humanistischen Paradigmas dar. Die humanistischen Richtungen eint vor allem die Gemeinsamkeiten in der Anthropologie: der mündige Mensch, der frei ist im Erleben und Entscheiden und so seine Existenz aktiv gestaltet. Dabei erlebt er, dass ihn sein Handeln sowohl in die Welt einbindet als auch ihn zugleich an sich zurückbindet durch seine Urheberschaft der Wirkung auf andere. Dies stellt den Menschen in seiner Freiheit unabdingbar in eine Verantwortlichkeit für sein Handeln. Dieses Menschenbild ist ganzheitlich: »In der Humanistischen Psychotherapie wird der Mensch holistisch gesehen, also in seiner […] Ganzheit, in seiner Geschichtlichkeit, also seiner Vergangenheits- und Zukunftsorientiertheit, sowie in seiner Fähigkeit zur Introspektion und zu reflexivem Denken.« (Eberwein 2012, S. 505) Darüber hinaus sind diese Richtungen auch durch ähnliche philosophische Wurzeln verbunden, durch den gemeinsamen historischen Hintergrund und ihre Ablehnung deterministischer sowie reduktionistischer Erklärungsmodelle in der Psychotherapie (Kriz 2014a, S. 185–192; Stumm 2000). Hier finden sich große Übereinstimmungen der EA mit anderen humanistischen Verfahren wie der Gesprächspsychotherapie, der Gestalttherapie oder dem Psychodrama.

      Merke

      Die Existenzanalyse ist eine existentielle Richtung der humanistischen Psychotherapie.

      Jedoch gibt es auch Unterschiede: Die Akzentuierung der EA liegt mehr auf dem freien Willen, der Entschiedenheit und Weltoffenheit sowie einer dialogischen Abstimmung mit der Welt (Verantwortlichkeit) als es in den humanistischen Verfahren zumeist üblich ist. Damit sieht sie den Menschen – vor dem Hintergrund der unaufhebbaren Eingebundenheit in seine Welt – stärker auf die Welt bezogen als manche andere humanistischen Verfahren. Denn das innere Wachstumspotential, das in der humanistischen Psychologie im Vordergrund steht, ist in der existentiellen Sicht im Hintergrund. Die Aufgabe des Menschen wird darin gesehen, sich für die Aufgaben und Angebote der Welt offen zu halten und auf sie einzugehen, um so zur Wirkung zu kommen – und weniger in der selbstorganisierten Entfaltung von Potentialen (Selbstverwirklichung, Aktualisierungstendenz) (Rogers 1981, S. 65; Kriz 2006a; Revenstorf 2003). Der Dialog und die Begegnung sind in der EA sowohl für das gesunde psychisch-geistige Leben als auch für die Heilung von Störungen die Grundlage. Die Durchführung des Dialogs wird in der EA als gemeinsames Suchen verstanden. Das bedeutet, dass auch die Therapeuten im Verlauf des Gesprächs ihre eigene Sicht und Stimmigkeit den Klienten mitteilen. Da dem dialogischen Basistheorem der EA (image Kap. 3.4) zufolge, der Mensch nicht aus sich heraus ganz ist, braucht er zur Entfaltung seiner selbst den anderen, Begegnung und die Erfahrung der Anderheit bzw. Bestätigung im Dialog.

      2.2 Tiefenpsychologisch fundierte Richtungen

      Die Tiefenpsychologie fokussiert besonders die Psychodynamik, also jene Triebkräfte und Bedürfnisse, die zum größten Teil ihre Wirkung am Bewusstsein vorbei und daher unbewusst entfalten. Der Psychodynamik wird in der EA nicht jener hohe, gerade durch die Unbewusstheit so dominierende Stellenwert für die Gestaltung der Existenz zugesprochen wie in den tiefenpsychologischen Konzeptionen. Daher wird ihr in der EA nicht systematisch nachgegangen, sondern jeweils nur, wo sie den existentiellen Vollzug behindert. Dann wird die Psychodynamik auch ein bedeutsamer Aspekt der therapeutischen Arbeit (im Unterschied zur Logotherapie, wo sie in die Behandlung


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