Grundriss Schopenhauer. Peter Welsen

Grundriss Schopenhauer - Peter Welsen


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Darstellung der Begriffe ist einerseits textnah, anderseits aber wird durchaus auch auf Schwierigkeiten hingewiesen, die einzelne Begriffe – sei es durch Ambiguität, mangelnde Präzision oder Defizite in der Begründung – aufweisen. Auf eine ausführliche Einbeziehung der einschlägigen Sekundärliteratur wurde verzichtet, da sie ein ohnedies umfangreiches Buch hätte gänzlich ausufern lassen. Wer eine tiefergehende Diskussion einzelner Begriffe oder Gedankenkomplexe sucht, sei an die entsprechende Spezialliteratur verwiesen. Umgekehrt ist sich der Verfasser darüber im klaren, daß seine Darstellung keineswegs von einer Position einer tabula rasa ausgeht, sondern einen – von bestimmten Voraussetzungen geprägten – hermeneutischen Zugriff darstellt, der sich im Zuge einer langjährigen und in einschlägigen Veröffentlichungen dokumentierten Beschäftigung mit Schopenhauer und seinem Denken herausgebildet hat.1

      Das Kapitel »Lemmata« stützt sich – wie auch die übrigen – im wesentlichen auf die von Arthur und Angela Hübscher edierte Zürcher Ausgabe (Werke in zehn Bänden) der Werke Schopenhauers, welche – mit Ausnahme der Schrift Ueber das Sehn und die Farben – alle zu Lebzeiten publizierten Texte des Philosophen enthält. Sicherlich böte die von Arthur Hübscher vorgelegte historischkritische Ausgabe (Sämtliche Werke) ein höheres Maß an philologischer Präzision, doch ist sie wohl aufgrund der Ausstattung und des Preises weniger verbreitet. Da sich der Grundriß Schopenhauer nicht allein an ein philosophisch ambitioniertes Fachpublikum, sondern an eine breitere – auch bildungsbürgerliche und studentische – Leserschaft richtet, erscheint die Wahl der Zürcher Ausgabe dem Verfasser plausibel. Darüber hinaus sei angemerkt, daß die in dieser Ausgabe enthaltenen Texte dieselbe Gestalt wie in den Sämtlichen Werken aufweisen.2 Bei Texten, die nicht in der Zürcher Ausgabe stehen, wurde auf entsprechende Ausgaben zurückgegriffen, etwa den von Arthur Hübscher edierten Handschriftlichen Nachlaß oder die von Volker Spierling herausgegebenen Philosophischen Vorlesungen.3

      Da Schopenhauer zu den meistgelesenen Philosophen der Neuzeit zählt, erscheint es lohnend, der Rezeption seines Denkens ein eigenes Kapitel zu widmen. Angesichts der großen, kaum zu überblickenden Zahl seiner Leser muß dabei jedoch selektiv vorgegangen werden. Vergegenwärtigt man sich, daß Schopenhauers geistige Leistung insbesondere philosophischer Art ist, liegt es nahe, die Rezeption im Bereich der Philosophie in den Vordergrund zu stellen. Dagegen wird Schopenhauers Einfluß auf Musiker und Schriftsteller lediglich kursorisch behandelt. Das liegt nicht zuletzt daran, daß die literarische Rezeption in ihrer ganzen Breite kaum von einem einzelnen Forscher bewältigt werden kann. Immerhin liegt zu diesem Thema eine Reihe mehr oder weniger gewichtiger Monographien vor.4

      Am Ende des Buchs befindet sich ein bibliographischer Teil, der sich – angesichts der Fülle der Literatur über Schopenhauer – auf das Wesentliche beschränken muß. Dazu zählen die wichtigsten Ausgaben, in denen Schopenhauers Werke vorliegen, ein Verzeichnis der im vorliegenden Buch verwendeten oder zitierten Texte sowie eine Liste grundlegender Sekundärliteratur. Daß hier eine Auswahl getroffen werden muß, liegt ebenso auf der Hand wie der Einwand, daß diese bis zu einem gewissen Grad von den Präferenzen des Verfassers geprägt ist und daher kritisierbar bleibt.

      1 Vgl. z. B. Peter Welsen. »Schopenhauers Hermeneutik des Willens«. In: Thomas Regehly / Daniel Schubbe (Hg.). Schopenhauer und die Deutung der Existenz. Perspektiven auf Phänomenologie, Existenzphilosophie und Hermeneutik. Stuttgart 2016, 157–170.

      2 Für Leser, die andere Ausgaben benutzen, sei auf die Konkordanz im Anhang des Schopenhauer-Handbuchs von Schubbe und Koßler verwiesen. Vgl. Daniel Schubbe / Matthias Koßler (Hg.). Schopenhauer-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart / Weimar 2014, 403–426.

      3 Die genauen Angaben befinden sich im bibliographischen Anhang des vorliegenden Buches.

      4 Vgl. Schubbe / Koßler (2014), 358–360.

      Biographische Skizze

      Arthur Schopenhauer wurde am 22. Februar 1788 als erstes Kind des wohlhabenden Kaufmanns Heinrich Floris Schopenhauer (1747–1805) und seiner Frau Johanna (1766–1838) in Danzig geboren. Die Familie zählte zu den angesehensten und wohlhabendsten der Stadt. Die Ehe der Eltern war wenig glücklich, und so erstaunt es nicht, daß die Mutter – ähnlich wie auch der Vater – ihrem Sohn kein Gefühl der Liebe und Geborgenheit vermitteln konnte. Als die – bis dahin freie – Stadt 1793 von Preußen annektiert wurde, verließ Heinrich Floris Schopenhauer diese, da er als überzeugter Republikaner nicht preußischer Untertan sein wollte, verkaufte sein Geschäft und zog mit seiner Familie nach Hamburg. Dort wurde er wieder erfolgreich als Kaufmann tätig. 1797 wurde Adele, die Schwester des Philosophen, geboren, die bis 1849 leben sollte.

      Nach dem Wunsch seines Vaters sollte Arthur Schopenhauer auf den Kaufmannsberuf vorbereitet werden, für den nicht zuletzt gründliche Kenntnisse der englischen und französischen Sprache erforderlich waren. Daher wurde er von 1797 bis 1799 nach Le Havre geschickt, wo er in der Familie eines Geschäftsfreundes lebte und sich das Französische so gut aneignete, daß seine Deutschkenntnisse zeitweise darunter litten. Nach seiner Rückkehr nach Hamburg verbrachte er vier Jahre an einer privaten Lehranstalt, dem Rungeschen Institut, um auf den künftigen Beruf vorbereitet zu werden. Wie er selbst feststellt, lernte er dort, »was einem Kaufmanne von Nutzen ist und dem Gebildeten wohl ansteht« (GBr 649). Freilich merkte Schopenhauer bald, daß er wenig Neigung zum vorgesehenen Beruf verspürte, sondern sich eher zur Gelehrtenlaufbahn hingezogen fühlte.

      Angesichts dieser Situation konfrontierte ihn sein Vater mit der Alternative, entweder ins Gymnasium einzutreten, um dann zu studieren, oder mit den Eltern eine ausgedehnte Bildungsreise durch Europa zu unternehmen und anschließend eine kaufmännische Lehre zu beginnen. Schopenhauer konnte der Verlokkung solch einer Reise nicht widerstehen. Die Familie brach im Frühjahr 1803 auf und begab sich zunächst über die Niederlande nach England. Während seine Eltern nach Schottland weiterreisten, verbrachte Arthur Schopenhauer mehrere Monate in einem Internat in Wimbledon, um die englische Sprache zu erlernen. Darauf besuchte er mit seinen Eltern mehrere französische Städte wie Paris, Bordeaux, Toulouse und Marseille. Auf einem Ausflug nach Toulon machte Schopenhauer eine folgenreiche Erfahrung: Er erlebte im dortigen Arsenal das Elend der angeketteten Galeerensklaven und war darüber zutiefst erschüttert: »In meinem 17ten Jahre ohne alle gelehrte Schulbildung, wurde ich vom Jammer des Lebens so ergriffen, wie Buddha in seiner Jugend, als er Krankheit, Alter, Schmerz und Tod erblickte. […] [M]ein Resultat war, daß diese Welt kein Werk eines allgütigen Wesens seyn könnte, wohl aber das eines Teufels, der Geschöpfe ins Daseyn gerufen, um am Anblick ihrer Quaal sich zu weiden« (HN IV/1 96). Ähnlich intensiv wirkten auf den angehenden Philosophen die Schweizer Alpen in ihrer Erhabenheit, nicht zuletzt der Pilatus, den er im Zuge der Fortsetzung seiner Reise bestieg, die ihn schließlich über Österreich und Böhmen im Sommer 1804 nach Deutschland zurückführte.

      Gemäß der mit dem Vater getroffenen Vereinbarung nahm Schopenhauer widerwillig seine kaufmännische Ausbildung auf, zunächst bei Kabrun in Danzig, wenig später bei Jenisch in Hamburg. Offen bekannte er: »Nie aber hat es einen schlechteren Handlungsbeflissenen gegeben als mich.« (GBr 651) Im Winter 1804/05 verschlechterte sich der körperliche und seelische Zustand von Heinrich Floris Schopenhauer zusehends, am 20. April 1805 wurde seine Leiche im Fleet hinter seinem Haus gefunden. Wahrscheinlich hatte er sich vom Fenster des Speichers herabgestürzt.

      Im darauffolgenden Jahr verließen Adele und Johanna Schopenhauer Hamburg und zogen nach Weimar um. Dort führte Johanna einen literarischen Salon, in dem unter anderem Goethe und Wieland verkehrten, und begann darüber hinaus eine überaus erfolgreiche schriftstellerische Karriere. 1807 brach Schopenhauer seine Ausbildung ab, um sich zunächst in Gotha und ab Ende des Jahres in Weimar durch das Erlernen der alten Sprachen auf ein Universitätsstudium vorzubereiten, das er 1809 nach Auszahlung seines Erbes in Göttingen aufnahm. Anfänglich schrieb er sich für Medizin, ab dem Wintersemester 1810/11 aber für Philosophie ein. Das hinderte ihn allerdings nicht, weiterhin naturwissenschaftliche Vorlesungen zu besuchen. Auf Anregung von Gottlob Ernst Schulze, seines wichtigsten philosophischen Lehrers, der nicht zuletzt durch seine skeptische Kritik an Kant hervorgetreten war,


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