PlanungsPraxis Lüftung in Wohngebäuden - Planung und Umsetzung nach DIN 1946-6. Andreas Nordhoff

PlanungsPraxis Lüftung in Wohngebäuden - Planung und Umsetzung nach DIN 1946-6 - Andreas Nordhoff


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als Maß für eine lokal unterschiedliche Wärmeabgabe des Menschen kann zu einem als unbehaglich empfundenen Raumzustand führen.

      Bei hohen Zulufttemperaturen (z. B. bei Luftheizung in ungenügend gedämmten Gebäuden) können bei oben liegender Zuluftzuführung umgekehrt Warmluftzonen in den oberen Raumbereichen entstehen, die ebenfalls zu einer ungünstigen Vergrößerung des Temperaturgradienten führen können. Auch aus diesem Grund wird nach [DIN 1946-6] eine Zulufttemperatur-Begrenzung auf 50 °C empfohlen, wobei lediglich „kurzzeitige Überschreitungen vertretbar sind“.

      Um die Anforderungen an behagliche thermische Raumverhältnisse einhalten zu können, ist bei der Lüftungsplanung neben der Lufttemperatur (θL) unbedingt auch die mittlere Luftgeschwindigkeit im Raum vL,m zu beachten. Sie beeinflusst im umbauten Raum die konvektive Wärmeabgabe einer Person an die Umgebung. Infolge des daraus resultierenden Wärmeverlusts des Körpers wird die allgemeine thermische Behaglichkeit u. U. ungünstig beeinflusst. Das kann im Extremfall bis zur lokalen thermischen Unbehaglichkeit aufgrund von Zuglufteinwirkung auf Teile des menschlichen Körpers führen. Am empfindlichsten sind Nacken- und Fußgelenkbereiche.

      Besonders durch das Einbringen von nicht vorgewärmter Außenluft über Außenbauteil-Luftdurchlässe (ALD) bei der freien Lüftung und bei Abluftanlagen, können leicht entsprechende Diskomfort-Zonen im Aufenthalts- oder Behaglichkeitsbereich entstehen. Letzterer erstreckt sich nach [DIN 1946-6] über den Höhenbereich von 0,1–1,8 m über Fußboden in 0,5 m Abstand zu Außen- und Innenwänden sowie 1,0 m zu Außenfenstern, Türen und Heizflächen.

      Bei ALD kann der Diskomfort mit Sicherheit nur ausgeschlossen werden, wenn über jeden Luftdurchlass nicht mehr als jeweils 5 m3/h Außenluft zugeführt werden. Bei größeren Einzelmengen ist es günstig, die ALD hinter oder unmittelbar über (in Betrieb befindlichen) Heizkörpern anzuordnen. In allen anderen Fällen haben sowohl Strahlgeometrie und -richtung als auch die Anordnung der ALD im Raum Einfluss auf die zugluftfreie bzw. -arme Zuführung der Außenluft. Als günstig hat sich in dem Zusammenhang die außenwandparallele Luftzuführung mit geringer Fallhöhe über dem Fußboden sowie mit geringem Zuluft-Impuls pL als Produkt aus Luftmasse qm und Luftgeschwindigkeit vL (Gleichung (1.3))

pL = qm vL in [kg⋅m/s2] (1.3)

      erwiesen.

      Planungshinweise

      Generell gilt, dass die Installation vieler kleiner ALD je Raum eine risikoärmere Sicherstellung der thermischen Behaglichkeit erwarten lässt als der Einsatz weniger großer ALD (weitere diesbezügliche Hinweise siehe [Heinz11] und [Reichel96]). Detailliertere Planungs- bzw. Auswahl-Hinweise finden sich außerdem in [Markfort04.1 und 04.2] und [Richter03].

      Gleiches wie für ALD gilt auch für Zu(luft)-Luftdurchlässe (ZLD). Auch wenn die Zuluft gegenüber der Außenluft wegen der Möglichkeit der Vorwärmung (mittels Wärmerückgewinnung bzw. Vorwärmer) mit höherer Temperatur zugeführt werden kann, darf ihre Anordnung im Raum nicht wahllos erfolgen. Es ist deshalb sinnvoll, Zuluftdurchlässe immer so auszulegen und anzuordnen, dass die nach Tab. 1.7 empfohlenen Werte für die mittleren Luftgeschwindigkeiten vL,m nicht überschritten werden. Die in Abhängigkeit von der lokalen Lufttemperatur qL aufgeführten maximal zulässigen Werte gelten für den in Wohnungen mit Mischluftsystemen anzunehmenden lokalen Turbulenzgrad Tu von 40 % [DIN EN ISO 7730]. Richtwert für die mittlere Luftstrahlgeschwindigkeit bei Eintritt in den Aufenthaltsbereich nach [DIN 1946-6] ist hierfür vL,m ≤ 0,3 m/s.

       Tabelle 1.8: Maximal zulässige mittlere (Raum-)Luftgeschwindigkeiten v L,m nach Nationalem Anhang (NA) zur [DIN EN 15251]

      Weil Überström(luft)-Luftdurchlässe (ÜLD) auf ihrer Abströmseite wie Zuluftdurchlässe fungieren, sind sie bzgl. Zugluftvermeidung ebenfalls wie solche zu behandeln. Bei ihrer Anordnung ist wegen des in jedem Raum vorhandenen Temperaturgradienten die obere Anordnung (Überströmen wärmerer Luft) der unteren vorzuziehen. Das gilt besonders für kleine Badräume/-zellen. In diesen besteht bei unterer Anordnung (z. B. als üblicher Tür-Unterschnitt) die Gefahr von Zugluftbelästigung im nicht nur besonders empfindlichen, sondern häufig noch feuchten Fußgelenkbereich (siehe auch [DIN 1946-6]).

      Bei der Luftfeuchte wird unterschieden in absoluter Feuchtegehalt und relative Luftfeuchte. Während der absolute Feuchtegehalt x den dampfförmigen Wassergehalt der Luft in Gramm Wasser je Kilogramm trockene Luft in [g/kg] oder [kg/kg] beschreibt, stellt die relative Luftfeuchte φ den jeweils in der Luft vorhandenen prozentualen Anteil an dampfförmigem Wasser zur physikalisch höchstmöglichen (Wasser-)Menge in [%] (oder dimensionslos [-]) dar. Die Höchstmenge an dampfförmigem Wasser wird dabei von der Kondensationsgrenze (φ = 100 % bzw. 1) bestimmt. Sie ist temperaturabhängig und kann mithilfe des Mollier-(h, x)-Diagramms ermittelt werden (Bild 1.2). Für das dargestellte Beispiel (θi = 22 °C und ϕi = 0,5) beträgt sie ca. 8 g/kg bei der Lufttemperatur von ca. 11 °C. Die relative Luftfeuchte von ϕO = 0,775 bei einer Wandoberflächentemperatur von ca. θO = 15 °C entspricht dabei in etwa der Grenzfeuchte (ϕO,min = 0,8) für ein beginnendes Schimmelpilzwachstum, wenn sie sich an einer Wandoberfläche länger andauernd einstellt bzw. diese noch überschreitet. Nach [DIN EN ISO 13788] sind darunter die „monatlichen Mittelwerte der relativen Luftfeuchte an den Oberflächen“ mit einer „kritischen relativen Feuchte ϕsi,cr von mehr als 0,8 zu verstehen, sofern keine „näheren Informationen aus nationalen Bestimmungen oder anderweitig vorliegen“. Solche enthält der [DIN SPEC FB4108-8]: „Eine Schimmelpilzbildung kann auftreten, wenn an mindestens fünf aufeinanderfolgenden Tagen die relative Luftfeuchte auf der Bauteiloberfläche mindestens 12 h/d einen Wert von mehr als 0,8 aufweist.“

      Unter solchen Bedingungen kann sich infolge vermehrter Sporenfreisetzung eine Gesundheitsgefährdung ergeben.

       Bild 1.2: Mollier-(h, x)-Diagramm mit senkrechter Abkühlungslinie (Abkühlungsgerade) [Heinz11]

      Durch Verdunstung an der Hautoberfläche des Menschen, die durch die absolute Luftfeuchte beeinflusst wird, entsteht ein Wärmeverlust, der sich wiederum ebenfalls auf die thermische Behaglichkeit auswirkt. „Bei Temperaturen < 26 °C und bei mäßiger körperlicher Tätigkeit ist dieser Einfluss jedoch sehr begrenzt. In einem gemäßigten Umgebungsklima hat die Luftfeuchte deshalb nur eine geringe Auswirkung auf das Wärmeempfinden. Üblicherweise wird eine um 10 % höhere relative Luftfeuchte als genauso ‚warm‘ empfunden wie eine um 0,3 K höhere operative Temperatur“. Bezüglich der Grenzwerte der Luftfeuchte kann hinsichtlich „Wärmeempfinden, […] und Trockenheit der Haut sowie Reizung der Augen […] ein weiterer Bereich für die Luftfeuchte“ angenommen werden [DIN EN ISO 7730].

      Nach [DIN EN 15251] „verursacht lang andauernde hohe Raumluftfeuchte mikrobielles Wachstum, während sehr niedrige Luftfeuchte (< 15 bis 20 %) Trockenheit und Reizungen der Augen und Luftwege“ hervorruft. Die dafür häufig noch verantwortlich gemachte Staubverschwelung dürfte bei den heute üblichen niedrigen Vorlauftemperaturen in Heizkörpern von ≤ 60 °C keine wesentliche Rolle mehr spielen. Vielmehr sind hohe Lufttemperaturen und u. U. auch zu große Luftvolumenströme bei tiefen Außentemperaturen die Ursachen dafür (Bild 1.3). „Die Anforderungen an die Luftfeuchte beeinflussen die Auslegung von Entfeuchtungs- (Kühllast)


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