14 Falken. Kathrin Schobel
weil es ein Name ist. Eine Identität. Etwas, das die zahllosen Möglichkeiten einschränkt, den Falken zu rufen und zu benennen, wer sie ist, wie sie ist, was sie ist, wie in diesem Zitat von Oscar Wilde, das ihr nicht einfällt. Gwen fühlt sich, als habe ihr eine Zauberin ihren Trick verraten.
»Immer wieder schön, zu sehen, wie schnell ein Dienstausweis das Gedächtnis wiederherstellen kann.«
»Sie will keinen Stress, okay?«, verteidigt sie ihre Schwester sofort und korrigiert sich dann: »Wir wollen keinen Stress.«
»Ich denke, Sie wollen keinen Stress«, vollendet Gwen die verbale Bearbeitung und spuckt ihr dann sarkastisch auf die Theke: »Ich kenne den Gnom inzwischen leider besser.«
»Ich weiß, sie liebt Drama. Und sie ist ein ziemlicher Dummkopf, die meiste Zeit.« Sie seufzt dieses Geschwister-Seufzen, das Gwen noch von ihrem Bruder kennt. »Aber sie ist nicht so übel. Was auch immer sie hat mitgehen lassen, sie hat es sicher noch. Glauben Sie mir, wenn sie wüsste, dass das eine Anzeige gibt, würde sie Ihnen entschuldigend die Füße küssen.«
»Kam mir nicht so vor«, antwortet Gwen unbeeindruckt.
Verena sieht so zerknirscht aus, als sei sie selbst die Täterin und Gwen mag nicht, dass eine wie Taylor auch nur fünf Minuten existiert hat, während ihre Familie sie zu Unrecht in Schutz nimmt. Wieder kaut Verena auf ihrer Lippe und schielt zu ihrem Kollegen. Gegen das Licht sieht Gwen, dass er in großen Kreisen wischt und viel übersieht und wenn sie daran denkt, wie sie hin und wieder an genau dieser Theke sitzt, hofft sie für ihn, dass er das nur tut, um sich schnellstmöglich aus der Affäre ziehen zu können.
»Ich werde ihre Personalien in Erfahrung bringen und-«
»Nein!«, hält sie Verena auf und stößt dabei fast das Bierglas von der Theke.
Sie nimmt es in die Hand, prüft es im Licht ohne richtig hinzusehen und stellt es dann zu den anderen in den Schrank. »Für Taylor ist alles reine Unterhaltung. Aber wenn man ihr ihr Spielzeug wegnimmt und schimpft, wird sie zahm. Sie ist noch ein kleines Mädchen.« Ihr fällt etwas ein. »Also, im Geiste. Sie ist schon über 18.« Die aufgelöste Angestellte scheint sich auffallend sicher mit der Beobachtung, dass Gwen was mit der Ratte hatte. Gwen will denken, dass sie ihr einfach nur ansieht, dass sie Taylors Typ ist, aber sie tut sich schwer damit, Verenas Tonfall zu umgehen, in dem keine Ahnung liegt, sondern Wissen, Wachsamkeit und Wiederholung. Gwen sucht erfolglos nach dem feinen Unterschied zwischen Familienliebe und Komplizentum.
Verena bemerkt ihren Fehler nicht, oder überspielt es gut. Sie verschränkt die Arme.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich schreibe Ihnen unsere Adresse auf. Sie kommen vorbei und holen sich zurück, was Ihnen gehört. Treten Sie ihr ruhig ordentlich in den Hintern, sie hat‘s verdient.«
Gwen schweigt und misstraut. Aber sie hält Verena für klug genug, zu wissen, dass eine Polizistin die Adresse überprüfen lassen könnte, und auch für scharfsinnig genug, wenigstens zu ahnen, dass Gwen notfalls auch mit einem Streifenwagen wiederkommen würde.
»Ich habe allen Grund, sie direkt mitzunehmen«, sagt Gwen und denkt an die Drogen.
Verena reibt sich über das Gesicht und sieht Gwen mit großen Wir-sind-doch-alle-Opfer-der-Umstände Augen an.
»Und ich habe allen Grund, Ihnen alles Menschenmögliche anzubieten, um das zu verhindern. Sie ist meine Schwester. Es geht ihr gerade erst besser. Sie hat Familie. Bitte.«
Offensichtlich baut sie darauf, dass Gwen sie danach fragt, warum es ihr besser geht, was Gwen nur nicht tut, weil man von ihr will, dass sie es tut. Verena versucht es mit einem Lächeln, das aussieht wie eine unsichere Version von Taylors Gossengrinsen.
»Der Vodka geht auch aufs Haus.«
Als Gwen ihr nach einer weiteren quälend langen Minute endlich grummelnd einen Zettel hinschiebt, atmet die junge Frau erleichtert auf.
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