Ur-Gemeinde. Frank Viola
Gläubigen begannen mit Gesang. Sie sangen ohne instrumentale Begleitung. Eine Schwester stimmte ein Lied an, und alle stimmten ein. Dann beteten sie einer nach dem anderen ganz spontan. Dann stimmte ein Bruder ein Lied an. Diesmal standen sie alle auf. Sie beteten weiterhin und sagen Lieder. Während sie sangen, warf immer wieder einmal jemand eine kurze Ermahnung oder Ermutigung in den Raum, ganz nach dem Text der Lieder, die sie sangen. Der Ausdruck „bewegend“ trifft es nicht ganz. Keiner führte den Gesang an. Alle beteiligten sich ganz ungezwungen am Lobpreis Gottes.
Nachdem sie eine Zeit lang gesungen hatten, setzten sie sich. Sofort stand eine Frau auf und begann sich mitzuteilen. Sie sprach davon, wie sie vergangene Woche Christus als lebendiges Wasser erlebt hatte. Sie las einige Verse aus dem vierten Kapitel des Johannesevangeliums. Als sie darüber sprach, wurde sie von zwei anderen Frauen unterbrochen, die über ihre eigenen Erfahrungen und Einsichten zu dieser Stelle und diesem Thema berichteten. Sie trugen ganz andere Dinge über Christus bei.
Nachdem die Frau, die unterbrochen worden war, fertig war, stand ein junger Mann auf. Er sprach vom Herrn als lebendigem Wasser und bezog sich dabei auf eine Stelle aus Offenbarung 22. Er sprach einige Minuten, dann stand eine Frau auf und fügte seinen Worten noch einiges hinzu. So ging das etwa eine Stunde lang. Einer nach dem anderen standen die Brüder und Schwestern in Christus auf und sprachen über ihre geistlichen Erfahrungen mit dem Herrn Jesus Christus. Alle sprachen sie von ihm als vom lebendigen Wasser. Einige hatten Gedichte vorbereitet, andere trugen Lieder vor, wieder andere erzählten etwas, lasen aus der Schrift oder beteten.
Während ich hinter der Couch lauschte, konnte ich die Tränen nicht zurückhalten. Es ging mir so nahe, dass ich weinen musste. Das Treffen elektrisierte mich geradezu. Es war, als ergösse sich ein Strom in diesen Raum, der nicht zu stoppen war. Ich konnte die Gegenwart und Gnade des Herrn spüren. Der Abend war reich, voll, lebendig und schwingend. Ich wünschte mir, ich hätte Papier und Bleistift dabeigehabt, um alles aufzuschreiben, was an herrlichen Dingen gesagt wurde. Viele von ihnen bewiesen grundlegende Einsichten. Ich lauschte einfach voller Staunen.
Das Unglaubliche dabei war, dass niemand die Versammlung leitete oder moderierte (jedenfalls kein Mensch). Alles drehte sich um Christus.
Schließlich neigte sich der Abend seinem Ende zu. Jemand stand auf und stimmte ein Lied an. Da standen auch die anderen auf und stimmten ein. Ich schlich mich – nicht ganz unbemerkt – hinaus. Eine Woche später gestand ich der Gemeinde, dass ich da gewesen war. Sie hatten sich auf dieses Treffen vorbereitet. Zu zweit hatten sie sich die vergangene Woche getroffen und sich vor dem Herrn auf die kommende Versammlung vorbereitet. Das Ergebnis war fulminant: Sie bewiesen ein geistliches Leben, das den Herrn Jesus Christus durch jedes seiner Glieder zum Ausdruck brachte.
Diese Gruppe von Christen war am Anfang meiner Arbeit mit ihr keineswegs fähig gewesen, so zu agieren. Damals noch waren die meisten gewohnt, sich zurückzuhalten und zu schweigen. Einige stärkere Persönlichkeiten dominierten die Versammlung. Doch nachdem sie etwa eineinhalb Jahre lang geistlichen und praktischen Dienst erhalten hatten, waren sie in der Lage, gemeinsam den Herrn zu erkennen, aufeinander Rücksicht zu nehmen, ihren Mund zu öffnen und miteinander den lebendigen Christus zu teilen – und das alles in guter Ordnung und zur Ehre Gottes.
Ich könnte noch viele andere Beispiele dieser Art hinzufügen. Die Vielfalt der Ausdrucksweise ist wahrlich groß. Ich glaube aber, Ihnen einen ausreichenden Eindruck vermittelt zu haben, wie eine Versammlung unter der Leitung Christi aussehen kann.
Fragen zum Weiterdenken
• Reflektiert unser moderner Gottesdienst, der sich hauptsächlich um die Predigt und das „Anbetungsprogramm“ eines eingespielten Anbetungsteams dreht, wirklich die neutestamentlichen Gemeindeprinzipien wider, oder steht er dazu im Gegensatz?
• Warum waren Versammlungen mit offener Beteiligung für die frühen Christen gut, sind aber heute irgendwie nicht mehr zu realisieren?
• Gibt es in Ihrer Gemeinde Treffen, auf denen Sie sich mit Ihren geistlichen Geschwistern offen und frei darüber austauschen können, was Gott Ihnen gezeigt hat, ohne dass jemand das Ganze steuert? Bitte erläutern Sie Ihre Antwort.
• Kommt in der Praxis Ihrer Gemeinde die völlige Leitung Jesu Christi zum Ausdruck, oder steht sie unter der Leitung eines Menschen? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.
1 Mein Buch The Untold Story of the New Testament Church folgt dieser Spur (Shippensburg, PA: Destiny Image Publishers, 2005).
2 Manche behaupten, 1. Korinther 14,26 zeige ein Problem auf. Dieser Ansatz ist jedoch falsch. Die bedeutendsten Ausleger (darunter F. F. Bruce, Ben Witherington und Gordon Fee) zeigen ganz klar: Diese Stelle stellt eine Norm auf. Sie ist eine Ermahnung, eine „Beschreibung, wie es [bei den Korinthern] sein soll“ (Gordon Fee). In 1 Kor 14 geht Paulus auf einige Probleme der Gemeinde ein, ohne aber die öffentliche Beteiligung abtun zu wollen.
3 Beispiele finden sich in Phil 2,6-11; Kol 1,15-20; Eph 5,14 u. 1 Tim 3,16.
4 Wie ich schon gesagt habe, leitete ein Apostel die apostolischen Treffen. Diese Treffen waren aber zeitlich begrenzt und dienten dazu, die Gemeinde vorzubereiten, damit sie auch ohne Apostel „funktionierte“.
5 John Howard Joder. Auszug aus Fullness of Christ: Perspectives on Ministries in Renewal, Concern, no. 17 (Februar 1969).
6 Für eine eingehende Betrachtung der so genannten „einschränkenden“ Stellen (wie z. B. 1 Kor 14,33-34 u. 1 Tim 2,11-14) vgl. meine Artikel Now Concerning a Woman’s Role in the Church (www.ptmin.org/role.htm) und God’s View of a Woman (www.ptmin.org/view.htm).
7 George Barna, Revolution (Carol Stream, IL: Tyndale, 2005), 51–67, 118.
8 John Howard Yoder, Auszug aus The Fullness of Christ: Perspectives on Ministries in Renewal, Concern, no. 17 (Februar 1969).
9 Aus dem Vortrag Stephen Kaungs Who Are We. Richmond, Virginia, am 14. April 1995.
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