Wörterbuch alttestamentlicher Motive. Группа авторов
konnte die Figur Lilit (Lîlîṯ) in gleicher Weise behandelt werden: So wird sie einmal in der Bibel zusammen mit dem Bock und andern schaurigen Tieren in Ruinen wohnend beschrieben (Jes 34,13–14). Doch Lilit deshalb als das weibliche Gegenstück des mesopotamischen Dämons LIL bzw. Lilîtu zu sehen, ist nicht schlüssig (BLAIR 2009, 26–27). Da das Judentum Lilit später als Nachtgespenst verstand, verlieh man ihr und den andern Tieren aus Jes 34 dämonische Kräfte (HUTTER 1999, 520–521).
6 Widergöttliche Mächte
Wenn wir die Dämonen so verstehen, wie es heute üblich ist, nämlich als radikal bösartige Wesen, dann können wir nicht von einer alttestamentlichen Dämonologie sprechen (VAN DER TOORN 2003). Es gibt hier einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den beiden Testamenten der christlichen Bibel. Philo von Alexandrien sah im Begriff Dämon nur einen der Namen, die den Engeln und Geistern gegeben wurden, unabhängig von Gut oder Böse (De Gigantibus 16). Erst im Zusammenhang mit der Debatte über die grundsätzliche Frage nach dem Ursprung des Bösen tauchen Begriffe wie „gefallene“ → Engel (Jes 14; Ez 28) oder → Riesen (Gen 6,2–4) auf. Dies führte zur Entwicklung einer Dämonologie. Der aus dem Hiobbuch bekannte Satan wird allmählich zum Oberhaupt eines parallel zum Gottesreich existierenden Königreiches, in dem er über Böcke und andere Dämonen wie Lilit regiert. Im 1. Jh. n. Chr. zeigt die Apokalypse des Abraham einen radikalen Dualismus, bei dem der Dämon Asasel mit Attributen wie „Herrlichkeit“ bezeichnet wird, die ihn mit Gott gleichstellen. Doch diese dualistischen Tendenzen wurden durch den Einfluss von Genesis 2–3 und der „deuteronomistischen“ Texte, die den Ursprung des Bösen auf der Erde finden – entweder beim ersten Menschenpaar oder im ungehorsamen Benehmen Israels (BORGONOVO 2009, 33) – zurückgedrängt. So sucht das Jubiläenbuch einen Mittelweg zwischen den Riesen des „Wächterbuch“ der Henoch-Literatur (äthiopisches Henochbuch 6–36) und den biblischen Texten. In diesem Buch wird ein Zehntel der Dämonen berechtigt, auf der Erde vor dem Satan zu bleiben. Sie sind Agenten der göttlichen Gerechtigkeit und sollen böse Männer vernichten (Jub 10, 8–9). Nach Jub 10,13–14 hat Noah seinem Sohn Sem ein Buch übergeben, in dem alle Arten von medizinischen Pflanzen aufgezeichnet sind, die den Menschen vor Dämonen schützen sollen. Die Nationen haben ausschließlich himmlische Weisheit erhalten, aber in der Form des verderblichen Wissens über Weissagung, das die Menschheit von den gefallenen Engeln empfangen haben (Jub 8,3–4; 11,9).
Zusammenfassend kann man also sagen, dass in der Hebräischen Bibel die Dämonen entweder an verlassenen Orten weit weg von menschlichen Behausungen wohnen – wo sie praktisch unschädlich sind – oder sie werden von JHWH in seinen Dienst gestellt.
7 Literatur
BLAIR, Judit M. (2009): De-Demonising the Old Testament, Tübingen.
BORGONOVO, Gianantonio (2009): Jubilees’ Rapprochement between Enochic and Mosaic Tradition, in: Henoch 31, 29–35.
DIETRICH, Manfred; LORETZ, Oswald (1993): Der biblische Azazel und AIT ∗126, in: Ugarit-Forschungen 25, 99–117.
EMERTON, John Adney (1994): The High Places of the Gates, in: Vetus Testamentum 44, 455–67.
FRANKFURTER, David (2011): Master-Demons, Local Spirits, and Demonology in the Roman Mediterranean World: An Afterword to Rita Lucarelli, in: Journal of Ancient Near Eastern Religions 11, 126–131.
FREY-ANTHES, Henrike (2007): Unheilsmächte und Schutzgenien, Antiwesen und Grenzgänger. Vorstellungen von „Dämonen“ im Alten Israel, Fribourg.
HEESSEL, Nils P. (2002): Pazuzu, Leiden/Boston/Köln.
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ORLOV, Andrei (2001): The Likeness of Heaven: The Kavod of Azazel in the Apocalypse of Abraham, in: D.V. Arbel, A. Orlov (Hrsg.): With Letters of Light, Berlin, 232–253.
STUCKENBRUCK, Loren T. (2009): The Book of Jubilees and the Origin of Evil, in: G. Boccaccini, G. Ibba (Hrsg.): Enoch and the Mosaic Torah, Grand Rapids, 294–308.
VANDERKAM, James C. (2003): Demons in the Book of Jubilees, in: A Lange, H. Lichtenberger, K.F.D. Römheld (Hrsg.): Die Dämonen/Demons, Tübingen, 339–364.
VAN DER TOORN, Karel (2003): The Theology of Demons in Mesopotamia and Israel, in: A. Lange, H. Lichtenberger, K.F.D. Römheld (Hrsg.): Die Dämonen/Demons, Tübingen, 61–83.
WIGGERMANN, Frans A.M. (2000): Lamaštu, Daughter of Anu, in: M. Stol (Hrsg.): Birth in Babylonia and the Bible, Groningen, 217–249.
XELLA, Paolo (1999): Resheph, in: K. van der Toorn, B. Becking, P.W. van der Horst (Hrsg.): Dictionary of Deities and Demons in the Bible, Leiden/New York/Köln, 700–703.
Philippe Guillaume
Dank → Lob
Deportation → Exil
Diaspora → Exil
Dienst
Die hebräischen, aramäischen wie auch griechischen Ausgangsworte (vgl. u.a. ʿæḇæḏ/ʾāmāh/naʿar/naʿărāh/šiḥāh/ selten malʾāḵ/pais/paidiskē/doulos/doulē/oiketēs) werden in den deutschen Übersetzungen mit Bote/in, Diener/in, Knecht/Magd und auch Sklave/in übersetzt, woran sich zeigt, dass sich die Bedeutungsfelder nicht scharf abgrenzen lassen. Allen gemeinsam ist, dass die Betroffenen, die einer der genannten Kategorien zuzurechnen sind, rechtlich und im öffentlichen Bereich nicht die gleiche Stellung haben, wie die normalen Mitglieder der Gruppe oder des Volkes, sondern rechtlich und gesellschaftlich nachgeordnet, häufig auch benachteiligt sind.
1 Der Umgang mit Sklaven
Im Unterschied zu den großen Rechtskorpora des Alten Orients, in denen es zwar Regelungen gibt, wie vorzugehen ist, wenn sich ein Sklave etwas hat zu Schulden kommen lassen, es aber keine Vorschriften zum Schutze von Sklaven gibt, ist die Lage im AT anders. Obgleich Dienerschaft und Sklaventum ohne sozialkritischen Akzent registriert werden (z.B. Gen 12,16; Lev 25,44–46; Koh 2,7; Eph 6,5; Tit 2,9; Eph 6,5), steht den Dienern/Sklaven wie den Familienmitgliedern und sonstigen gesellschaftlich schwachen Gruppen (Witwen, Waisen, Fremden) das Recht auf Ruhe am Sabbat zu (Dtn 5,14; Ex 20,10), feiern sie bei den Wallfahrtsfesten wie alle anderen mit (Dtn 12,12.18; 16,14) und sind sie grundsätzlich dem Zugriff anderer entzogen (Dtn 5,21; Ex 20,17). Auch ist in Hiob 31,13 vom Recht des Knechtes und der Magd die Rede (mišāṭ ʿaḇdî waʾămāṯî), dessen Verletzung als Gesetzesbruch zu bewerten ist. In Dtn 15 wird bestimmt, dass jemand, der sich zur Abgeltung seiner Schuld in Sklaverei begeben musste, nach sieben Jahren entscheiden kann, ob er – da „er dich und deine Familie lieb gewonnen hat, weil es ihm bei dir gut ging“ (V. 16; vgl. Eph 6,9; Kol 3,11) – bei seinem Herrn bleiben oder gehen will. Geht er als Freier, ist ihm so viel mitzugeben, dass er ein neues Leben anfangen kann: „Entlass ihn nicht mit leeren Händen! Du wirst ihm selbstverständlich von deinen Schafen und Ziegen, von deiner Tenne und von deiner Kelter, mit denen dich JHWH, dein Gott, gesegnet hat, mitgeben. Gewiss wird dir in Erinnerung bleiben, dass du im Ägypterland Sklave warst und dich JHWH, dein Gott, freigekauft hat. Deswegen verpflichte ich dich heute dazu“ (V. 13–15). Die eigene Befreiung aus der Sklaverei ist demnach die zentrale Begründung und Motivation, um selbst analog zu handeln. Gekrönt wird die Seinssolidarität mit „Sklaven“ durch Jesus in seiner Menschwerdung (Phil 2,7).
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