Trevellian und die Agenten im Fegefeuer: Action Krimi. Pete Hackett
an denen Männer, Frauen und Kinder saßen. Es war ein rastloser, fiebernder Blick. Das Gesicht des Mannes war ausdruckslos. Hinter der Theke gaben drei junge Leute, zwei Girls und ein Mann, Kaffee, Kuchen und alkoholfreie Getränke aus. Drei hübsche Girls trugen die Tabletts zu den Tischen.
Niemand ahnte, dass soeben fanatischer Hass und das tödliche Verhängnis, personifiziert in dem jungen Mann, das Lokal betreten hatten.
Mit fahriger Geste wischte sich der dunkelhaarige Bursche über das bärtige Kinn. Seine Lippen begannen tonlose Worte zu formulieren, als betete er leise. Er stand am Eingang. Jetzt schloss er die Augen, als musste er sich sammeln. Plötzlich durchfuhr ihn ein entschiedener Ruck. Er ging langsam weiter. Seine Rechte tastete sich unter die Jacke, die er trotz der warmen Temperaturen, die herrschten, zugeknöpft hatte.
Als er die Mitte des Caféhauses erreicht hatte, zündete er die Bombe, die er am Gürtel trug. Die Explosion zerfetzte den Mann, Fensterscheiben wurden von der Druckwelle regelrecht aus den Rahmen geblasen, Menschen rund um den Explosionsherd starben mit dem Selbstmordattentäter oder wurden schwer verletzt. Trümmer von Tischen und Stühlen wirbelten durcheinander. Ein Teil der Decke stürzte in die Tiefe und begrub Tote und Verletzte. Das Gebäude schien in seinen Fundamenten erschüttert zu werden.
Als das Donnern verklungen war, herrschte Sekundenlang atemlose, tonnenschwere Stille. Hier und dort züngelten Flammen. Und unvermittelt setzte wüstes Geschrei ein. Menschen flohen, rücksichtslos bahnten sie sich einen Weg aus dem Tohuwabohu, das die Bombe angerichtet hatte, das Geschrei setzte sich auf der Straße fort. Jeder war sich nur noch selbst der Nächste. Draußen hielten Autos an. Reifen quietschten, einmal krachte es dumpf, als ein Auto einem anderen ins Heck krachte.
Im Lokal lagen zwischen den zerstörten Tischen und Stühlen tote und bewusstlose Menschen. Verletzte wimmerten und stöhnten. Wer noch die Kraft hatte, schleppte sich nach draußen. Einige, die nicht so sehr unter Schock standen oder in Panik flohen, besannen sich und begannen zu helfen. Autofahrer kamen mit Feuerlöschern in das zerstörte Lokal und bekämpften die Flammen. Dann erklangen Sirenen!
Die Leute vom NYPD rückten an, in ihrem Schlepptau die Männer vom Fire Departement mit drei Löschwagen, darüber hinaus ein ganzer Konvoi von Ambulanzen und Notärzten.
Als Milo und ich eine halbe Stunde später am Tatort eintrafen, war der Schauplatz des Attentats weitläufig von der City Police abgesperrt. Neugierige wurden zurückgedrängt. Zeitungsleute sowie die Reporter und Journalisten von Funk und Fernsehen standen im Weg herum, Kameras surrten, Fotoapparate blitzten, die TV-Leute berichteten live.
Ich fragte nach dem Einsatzleiter und wurde an einen Lieutenant verwiesen, der sich uns als Carlo Montoya vorstellte, nachdem wir uns ausgewiesen hatten.
„Ein Selbstmordattentäter“, erklärte er. „Wahrscheinlich ein afghanischer, irakischer oder iranischer Terrorist. Möglicherweise auch ein Palästinenser … Ist hier hereinspaziert und hat sich in die Luft gejagt. Unglaublich, mit welcher Besessenheit diese islamischen Extremisten vorgehen.“
„Wie viele Tote und Verwundete hat es gegeben?“, erkundigte sich Milo, von dessen Miene ich ablesen konnte, wie sehr ihn dieser erneute Anschlag irgendeiner Terrororganisation erschütterte. Er stand voll und ganz im Banne des schrecklichen Geschehens.
Aber auch mir krampfte sich der Magen zusammen angesichts dessen, was der Attentäter angerichtet hatte. Überall Blut, Leichenteile, Kleinholz und Scherben. Es war der Irrsinn brutalster Gewalt …
„Nach ersten Erkenntnissen vierzehn Tote, zweiundzwanzig Schwerverletzte und eine Menge Leichtverletzter. Unter den Toten sind sieben Kinder …“ Dem Lieutenant versagte die Stimme. Er schluckte würgend.
Auch Milo und ich waren eine ganze Weile sprachlos vor Fassungslosigkeit. Hört denn dieser Wahnsinn niemals auf?, durchfuhr es mich siedend. Ich dachte an den 11. September, als das World Trade Center in Schutt und Asche fiel. „Heiliger Krieg“, so titulierte Osama bin Laden die Welle des Terrorismus, mit der die westliche Welt überschwemmt wird. Er, die zentrale Figur dieses „Heiligen Krieges“, predigt, dass es im Islam für die, die am „Dschihad“ teilnehmen, einen besonderen Platz im Jenseits gebe!
Ein Hohn!
Aber Männer wie der Selbstmordattentäter glauben daran.
Ich fragte mich, was daran heilig sei, wenn man unschuldige Männer, Frauen und Kinder ermordet.
Der besondere Platz im Jenseits konnte und durfte nur die tiefste Hölle sein.
Ich nahm mein Handy zur Hand und rief Mr. McKee an. Nachdem ich Bericht erstattet hatte, meinte der Chef: „Beim CIA ist vor einigen Tagen ein Hinweis auf mögliche Terroranschläge in den USA eingegangen. Die Al-Quaida steckt dahinter. Wahrscheinlich gibt es ein Netz von Terroristen in den gesamten Staaten, und der Anschlag heute war der Anfang einer Reihe weiterer angekündigter Attentate.“
„Die Antwort auf den Krieg in Afghanistan“, murmelte ich. Lauter fügte ich hinzu: „Wir werden abwarten müssen, was die Spurensicherung ergibt. Möglicherweise geht auch ein Bekennerschreiben ein, oder die Drahtzieher des Attentats spielen einer Fernsehanstalt ein Video mit bekennenden Aussagen zu. Jedenfalls müssen wir alles daran setzen, das Terroristennest in New York auszuheben. Ich denke nicht, dass es ein Einzelgänger war, der sich heute in die Luft gesprengt hat.“
„Sie haben recht, Jesse“, versetzte der SAC. „Es wird Ihre und Milos Aufgabe sein, den Heiligen Kriegern in unserer Stadt das Handwerk zu legen.“
Der bittere Sarkasmus in der Stimme des Chefs war mir nicht entgangen. „Das wird sicher keine leichte Aufgabe“, meinte ich. „Wenn wir einen von denen aus dem Verkehr ziehen, treten sofort zehn andere an seine Stelle.“
„Das ist leider so, und wir können es nicht ändern“, erwiderte Mr. McKee. Dann wechselte er das Thema: „Heute morgen ist im übrigen Jeff Skerrit aus dem Gefängnis entlassen worden. Nach Verbüßung von zwei Dritteln seiner Strafe wurde er wegen guter Führung auf Bewährung entlassen. Er muss sich einmal wöchentlich beim zuständigen Polizeirevier melden. Und zwar jeweils am Mittwoch. Beim geringsten Verstoß gegen die Bewährungsauflagen verschwindet er wieder hinter den Mauern von Rikers Island.“
„Ich glaube nicht, dass ihn die fünf Jahre geläutert haben“, knurrte ich freudlos. „Er wird dort weitermachen, wo er damals durch uns gezwungen wurde, aufzuhören. In Rikers Island hat er allenfalls noch ein paar Tricks hinzugelernt.“
„Als Wohnort, unter dem er jederzeit verfügbar sein muss, hat er seine alte Adresse in der vierzigsten Straße West angegeben. Sie und Milo können ihm ja nebenbei ein wenig auf die Finger schauen, Jesse.“
„Machen wir“, versprach ich. „Schon aus dem ganz einfachen Grund, dass er uns nach seiner Verurteilung ziemlich massiv mit Rache gedroht hat. Er hat sich zu unserem Feind erklärt, und es ist immer gut, über die Schritte seiner Feinde informiert zu sein.“
„Gut, Jesse. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Sie wissen, Sie können mich Tag und Nacht erreichen.“
Ja, das wusste ich. Mr. McKee war alleinstehend, und sozusagen 24 Stunden täglich im Dienst. Er arbeitete oftmals bis spät in die Nacht hinein im Federal Building, und wenn es die Situation erforderte, konnten seine Agenten ihn auch zu Hause mit dienstlichen Problemen konfrontieren. Er war unser unermüdlichster Mann.
Wir beendeten das Gespräch.
Ich schob mein Handy ein und wandte mich an den Lieutenant: „Ich bitte Sie, uns über sämtliche Erkenntnisse und Ergebnisse dieses Attentats in Kenntnis zu setzen, Lieutenant. Das FBI wird den Fall übernehmen. Aber das wird Ihnen offiziell noch mitgeteilt werden.“
Der Mann nickte.
Milo und ich verließen das verwüstete Lokal. Eine TV-Reporterin trat an uns heran und hielt Milo das Mikrophon vor die Nase. „Können Sie uns schon Einzelheiten zu dem Attentat berichten, Mister … äh …“
„Tucker, Special Agent Milo Tucker, FBI. – Nein, Ma‘am, außer dass der fanatische Irrsinn irgendeiner terroristischen Organisation wieder eine Reihe unschuldiger