Die Zecke auf Abwegen. Bernd Wieland

Die Zecke auf Abwegen - Bernd Wieland


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       Zum Buch:

      Die „Zecke” ist zurück! Der kleine Finanzbeamte Hartmut Schminke steckt in großen Schwierigkeiten. Sein Sachgebiet wird umstrukturiert und ehe er sich versieht, ist er als „Teamfürst” dafür verantwortlich, aus behäbigen Beamten hocheffi ziente Dienstleister zu machen. Diese Herkulesaufgabe setzt ihm gehörig zu und auch privat kommt er ins Schwitzen, denn seine ambitionierte Frau Britta will hoch hinaus: Ein eigenes Haus muss her! „Nur Deppen lassen bauen” verheißt die Bau-doch-selbst GmbH und ködert Hartmut mit der „Muskelhypothek”. Um den Hausbau zu fi nanzieren, entwickelt Hartmut sein ganz eigenes Steuersparmodell…

      Die Ereignisse überschlagen sich: Hartmut, von Natur aus eher arbeitsscheu, wird zum Betriebsprüfer befördert. Er nistet sich in der renommierten Steuerberatungssozietät Dr. Plunse ein und erhält dort einmalige Einblicke in die Machenschaften einer Familiensozietät auf der Jagd nach potenten Mandanten.

      Über allem schwebt die Finanzkrise, die auch bei Familie Schminke ihre Spuren hinterlässt. Was tun, wenn sich das Schwarzgeld-Depot bei Payman-Brothers in Luft aufl öst und der Fiskus mit einer Steuersünder-CD droht? Hartmut muss sich etwas einfallen lassen…

       Zum Autor:

      Bernd Wieland, Jahrgang 1966, ist seit 1996 als Betriebsprüfer tätig. Er ist zudem Verfasser von humoristischen Kurzgeschichten und Sketchen. Nebenberufl ich verdingt er sich als Kabarettist mit eigenem Programm und Darsteller beim Fernsehen.

      1. Veränderungen

      06:03 Uhr. Wie konnte das passieren? Ich, Hartmut Schminke, war unpünktlich. Hartmut Schminke kam immer um 06:01 Uhr! Aber war es ein Wunder? Herr Axthammer, mein Sachgebietsleiter, hatte uns schon vorgewarnt: Wenn die Controlling-Tante von der Oberfinanzdirektion kommt, wird nichts mehr sein wie es war.

      Tatsächlich begann es im Oktober Schlag auf Schlag. In der Kantine wurde eine dritte Wurstsorte eingeführt und im Foyer des Finanzamts eine „Langeweile-Insel” mit drei kuscheligen Plüschsofas und einem ähnlich üppigen Zeitschriftenangebot wie am Bahnhofskiosk aufgestellt. Am beliebtesten waren die beiden Spielekonsolen, die eigentlich immer besetzt waren.

      Frau Stöhr und Herr Goller, mit denen ich immer in der Kantine frühstückte, hätten beinahe eine Abmahnung bekommen. Sie hatten auf der Insel täglich gut und gerne zwei Stunden rumgehangen, ohne sich auszustempeln. Frau Stöhr reagierte immer noch gereizt, wenn man sie darauf ansprach: „Das hätte die Amtsleitung aber eindeutig sagen müssen, dass man sich vorher ausstempeln muss!” Da wussten wir, das war erst der Anfang, jetzt wurde es wirklich ernst.

      Seit sechs Wochen saß ich jetzt mit Herrn Goller in einem Büro zusammen. Mein Kollege hatte die Hosen randvoll: „Hartmut, ich sag dir, die wollen uns fertig machen!”, jammerte er in jedem zweiten Satz wie ein Waschweib. Irgendwann glaubte man es selbst. Mit einem Mal streckte er seine Hand nach dem gerahmten Gruppenbild aus, das wir an der verlausten Palme vor dem Fahrstuhl als Abschiedsgeschenk für Frau Hoppe-Reitemüller geschossen hatten: „Ja, unser Hoppe-Hoppe-Reiterle, die hat’s richtig gemacht! Haut im seligen Alter von 58 Jahren einfach in den Sack.”

      Mit Frau Hoppe-Reitemüller hatte ich volle sieben Jahre eine Büro-Ehe geführt. Es war eine gute Ehe gewesen. Wir hatten uns sogar zu Nikolaus gegenseitig überrascht. Einmal schenkte sie mirOblaten, die ich aber nur im Büro essen durfte, weil sie meiner Frau Britta zu laut knackten.

      Und dann verließ sie mich so Hals über Kopf von heute auf morgen. Ihre Kündigung war der Skandal. Sie hätte ja auch einen auf krank machen können, ab und zu mal schrille Schreie ausstoßen oder Steuerbescheide vor dem Finanzamt an Passanten verteilen können. Aber nein, sie verließ ihren Norbert und brannte mit einem Ami durch nach Amerika.

      Mir war das gleich verdächtig vorgekommen, dass sie plötzlich dreimal in der Woche tanzen ging. Aber wo war sie wirklich? Beim Wohnmobil-Clubtreffen! Und da hat sie ihren Mc Donald – oder wie der Knabe heißt – kennengelernt.

      Mc Donald hatte natürlich eine Concorde – wenn schon, denn schon. Concorde: Das waren diese Luxusappartements auf Rädern. Wie Frau Hoppe-Reitemüller zu diesen Clubtreffen gekommen war, ließ sich nur erahnen. Wahrscheinlich brauchten sie noch ein Bunny-Girl. In der Altersklasse, in der man sich eine Concorde leisten kann, durfte man nicht mehr so wählerisch sein. Da tat es dann auch eine gutgelaunte 58-Jährige, die nicht nur aus Ersatzteilen bestand.

      Goller ging mir jetzt schon auf die Nerven. Ich dachte ja immer, der Goller sei so ein ganz Lieber. Jetzt, sechs Wochen später, wusste ich: er war bekloppt. Sogar eine noch beklopptere Zecke als ich.

      Wenn Goller kam, zog er erstmal seine Gesundheitstreter aus. Neben seinem Schreibtisch standen in Pole-Position vier Puschenmodelle, in die er je nach Ansage des Wetterberichts und Konstitution seiner Hühneraugen spontan umrüsten konnte. Die geschlossene Variante eines Birkenstockplagiats von ALDI war mir noch die Liebste, weil die Ausdünstungen nur langsam entweichen konnten.

      Dann öffnete er so bedächtig, als wolle er eine Bombe entschärfen, seine Schreibtischschublade, holte Kuli, Lineal und die übrigen Büro-Utensilien hervor und ordnete sie immer nach dem gleichen Muster auf seinem Schreibtisch an. Abends wurde alles wiedereingepackt und ein Schreibtischschoner wie ein XXL-Kondom über die Tischplatte gezogen.

      Ich hatte mir einmal einen Spaß daraus gemacht und jede Minute notiert, in der er an einem Arbeitstag produktiv tätig war: es waren 41 Minuten. Ein verblüffendes Ergebnis. Ich hatte mit erheblich weniger gerechnet. Meine Zeit lag bei einer Stunde und 33 Minuten. Ich weiß, das war Wahnsinn! Meine Mutter hatte mich auch schon gewarnt: „Junge, wenn du im Dienst so weitermachst, fällst du eines Tages tot vom Stuhl.”

      Die Tür wurde aufgestoßen. „Die Pfuhl ist jetzt beim Axthammer!” Frau Stöhr keuchte, ihre Neurodermitis am Hals stand in voller Blüte. „Nächste Woche will sie in unserem Sachgebiet Teams einführen, hat Herr Brettler erzählt.”

      Goller versuchte einen Angstfurz zu vertuschen, indem er grundlos in ein Taschentuch schnaubte.

      Wenn Brettler es sagte, musste es stimmen. Brettler, der Personalratsvorsitzende, sorgte schon dafür, dass auch der verpeilteste Willi mit vertraulichen Informationen versorgt wurde.

      2. Teamfürst

      Goller war den ganzen Tag schon so unruhig. Hatte immer nur Akten umsortiert und war damit beschäftigt, seine Büroutensilien auf dem Schreibtisch im rechten Winkel zur Tischplatte auszurichten. Wenn er zur Toilette ging, machte ich mir einen Spaß daraus und brachte irgendetwas durcheinander. Aber unbewusst bemerkte und korrigierte er es danach sofort.

      Kurz vor der Mittagspause schaute er mich plötzlich mit einem merkwürdig glasigen Blick an, beugte sich über den Schreibtisch und sagte so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte: „Ich bin heute mit ihr Fahrstuhl gefahren.”

      Er nannte nie ihren Namen. Seit Tagen ging das schon so. Völlig aus dem Zusammenhang gerissen, sprach er von ihr: „Beim letzten Amt hat sie als erstes 24 Leute umgesetzt.” Oder: „Giesi Heine hat erzählt, die prüft, wie sich leistungsgerechte Bezahlung umsetzen lässt. Nach dem Grundsatz, wer nicht spurt, bekommt Abzüge.”

      Goller sah nicht gesund aus. „Goller, was ist mit dir? Soll ich Gerda anrufen, dass sie dich abholt?”

      Goller reagierte nicht. „Hartmut, die kam vorhin aus der Telefonzentrale, hatte die Telefonlisten über Privatgespräche und dienstliche Telefonate unterm Arm.” Seine Stimme versagte.

      Mein Puls beschleunigte sich. Gerade letzten Monat hatte ich bestimmt vier Stunden mit Britta telefoniert, ohne die „3” für Privatgespräche vorweg zu wählen. Mama hatte ich auch dauernd zurückrufen müssen, weil sie sich wegen Papa und seiner Sauferei ausheulen wollte.

      Mein Telefon klingelte: Axthammers Nummer! „Schminke, sofort in mein Büro!”

      „Was,


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