Baphomet. Akron Frey

Baphomet - Akron Frey


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Welt in ewiger Bewegung zu halten.

      I DER MAGIER

      Der Mensch kann zwar tun, was er will;

       Aber er kann nicht wollen, was er will.

      Arthur Schopenhauer

      Kehrt man das Bild um, sieht man im Messer der Guillotine den Tod widerscheinen. Der Tod ist nicht nur das Ende, sondern auch der Anfang des Lebens, denn es ist nicht der Tod, der tötet, sondern das Leben! Nur weil es Leben gibt, erhält auch der Tod einen Sinn im Schöpfungsplan. Indem der Magier diese Wahrheit in der Blüte seiner Schöpferkraft verdrängt, läuft er sehenden Auges und doch blind durch das Leben: damit aber auch in den Tod, denn Leben ist konsequent betrachtet nichts weiter als ein Prozess, der auf das Sterben zuläuft, wenn er ohne volles Bewusstsein der Wahrheit verläuft.

      Psychologisch gesehen verkörpert der Magier den Helden, der sich nach seinem Willen und seiner Vorstellung die Welt erschafft. Aus der Gewissheit des Ich bin erwächst das Ich sehe, das mehr ist als ein reines Aufnehmen der Welt in das Bewusstsein. Aus den Signalen, die durch das Nervensystem empfangen, verarbeitet und übermittelt werden, gestaltet die Psyche ein Bild der Welt, das sich aus dem Blickwinkel des Individuums erschließt. Paradoxerweise schließt dieser Blickwinkel das eigene Ich nicht in sich mit ein. So ist der Magier nicht in der Lage, zu erkennen, dass er die Welt nur durch die Bilder erfährt, die er sich selbst geschaffen hat. Er projiziert das seinem Bewusstsein zugehörige Inventar an Vorstellungen auf alles, was ihm von außen entgegentritt und reagiert dann auf sein Bild des Geschehens anstatt auf das, was wirklich geschieht. Wenn er aber die in sich selbst geschaffene Welt zu hinterfragen versucht und ihr Bild als Bild entlarven will, befindet er sich in einer aussichtslosen Situation: Er müsste gleichsam seiner eigenen Wahrnehmung entfliehen, um die Welt so zu erkennen, wie sie ist.

      Er kann aber seinem eigenen Denken nicht entfliehen. Stets durchdringt und färbt es das, was er sieht: Er ist nicht der Schöpfer selbst, sondern das Ebenbild, das sich Gott erschafft – nicht die Schöpfung, sondern das Bewusstsein, das sich selbst und die Welt nach ihrem eigenen Bilde wahrnimmt.

      Diese Karte stellt klar, dass nun der Kreislauf des Lebens in Gang gesetzt ist. Alle folgenden Karten zeigen die Auswirkungen, die durch die Ich-Werdung ausgelöst werden, die der Magier symbolisiert. Dem Gesetz zyklischen Geschehens entsprechend endet der gesamte Schöpfungsvorgang in den entpersonalisierten Nebelfeldern des Narren – nur um in einer abermals kreisförmigen Bewegung wieder aufs Neue zu beginnen. Durch die Kraft des Willens füllt der Magier das Vakuum des Narren mit Sinn, Energie und Leben. Mythologisch gesprochen: Er bewirkt, dass das „kosmische Ei“ (XXI Das Universum) aufbricht und das Ich entschlüpfen kann, damit es sich selbstbewusst in den Mittelpunkt der Schöpfung stellt: Ich bin ist hier keine Floskel, sondern der Ausdruck einer sich selbst strukturierenden und in sich selbst zentrierenden, universellen Gesetzmäßigkeit des Werdens.

      Dies ist die erste Stufe der Entwicklung von Universum und Mensch, die mythologisch als Verlust des Paradieses, als Abspaltung von Gott bezeichnet wird. Sie entspricht auf der kosmischen Ebene der ersten Aktualisierung des Potentials der Urenergie und auf der Ebene des Individuums der Strukturierung der Urmuster des Unbewussten durch den kollektiven Menschengeist. Damit befindet er sich unwiderruflich auf jener Entdeckungsreise, auf der er die Welt als das gespiegelte Bild in einem Spiegel, den Spiegel selbst aber als das Symbol des kreativen Willens erkennen lernt. Das ist der erste Schritt des Ego, die karmischen Verwebungen der Seele aus den Tiefen der Ewigkeit in einen neuen Schöpfungszyklus einzubringen, an dessen Ende die innere Erlösung steht.

      Die entschlüsselte Karte

      Wenn der Narr das unbewusste Träumen ist, dann ist der Magier der bewusste Träumer seines Traums (Ich). Indem der Magier verdrängt, dass er alles immer nur so sieht, wie er es träumt, schützt er sich selbst vor seinem eigenen Erwachen. Denn würde er erwachen, müsste er die Relativität seines eigenen Handelns erkennen, und das würde die Grundfesten zerstören, auf denen er sein Weltbild erbaut hat. Damit dies nicht eintritt, schützt er sich durch gedankliche Modelle und gefühlsmäßige Muster, die er zur Wirklichkeit erklärt (IV Der Herrscher), zur Religion erhebt (V Der Hohepriester) oder in deren spirituellen (oder vermeintlich spirituellen) Ausformungen er die Wahrheit wähnt (IX Der Eremit).

      Zusammenfassung

      Indem alle menschlichen Handlungen jederzeit Auslöser für die Reaktionen alles durchdringender Energien sind, müssen wir uns vorstellen, dass alle Handlungen untereinander verbunden sind. Damit erschaffen sich die Wirkungen aus den Handlungen, die wiederum selbst das Ergebnis vorangegangener Wirkungen sind. Wir erschaffen die verschiedenen Ebenen unserer Realität durch die Wirkungen unserer Handlungen, und diese erschaffen gleichzeitig die Identität unserer Persönlichkeit. Jedoch tut sich der Mensch schwer damit, zu erkennen, dass alles Leben nur die Möglichkeit unendlich variabler Ausformungen von Energien ist und dass Leben und Energie sich wechselseitig bedingen. Demzufolge kann er nur schwer einsehen, dass das Walten des Schicksals nicht durch gute oder böse Götter, sondern durch die Auswirkungen seiner eigenen Handlungen bestimmt wird.

      Bevor wir nun aber den „Quantensprung“ wagen und dieses anhand von Narr und Magier entwickelte Modell auf alle Karten übertragen, fassen wir noch einmal zusammen: Ich bin, der ich bin und Am Anfang steht die Tat sind die Schlüsselsätze, die dem Magier zugeordnet werden. Immer noch befinden wir uns an den Anfängen der großen Entwicklungslinie, die durch die Großen Arkana des Tarots allegorisch nachgezeichnet wird. Im Gegensatz zum Narren erfasst die Symbolik des Magiers bereits die ersten Schritte in den aus dem Nichts entfalteten Raum, in die aus der Ewigkeit geborene Zeit und


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