Markus Blume führt dich durch die Zeit. Lüerß Werner

Markus Blume führt dich durch die Zeit - Lüerß Werner


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bald fertig, die Heizung mit einem 300-Liter-Speicher baute ein alter Freund mir ein.

      Ich war voll Tatendrang. Erika bremste mich vorsichtig: „Pass auf, das Geld wird langsam knapp!“

      Hörte ich ihre mahnenden Worte? Ich wollte weiter, sie nicht. Bremsspuren überall um mich herum!

      Es wurde Oktober, die Nächte merklich kühler. Manchmal zweifelte ich, dann aber kippte ich die Karre mit meinen Sorgen einfach beiseite. Gut so, Alter, das gefällt mir, wie dein Dickschädel mit dir im Clinch ist! Dieses Lachen – Schadenfreude, oder? Nein, Markus, bestimmt nicht.

      *

      Ein lauer Oktobertag; die rote Sonne schimmerte, die Fenster glänzten. Ich war auf dem Weg zu Besorgungen. Bully sprang sofort an, keineswegs die Regel. Er war eben in die Jahre gekommen.

      Für das Erdgeschoss wurden mir von meiner strengen Buchhalterin Erika letztmalig tausend Mark bewilligt – nicht gerade viel, aber auch nicht schlecht! Dennoch: Ich sah schon die Sorgen auf mich zukommen – Verdrängung nennt man das wohl.

      Weiter, immer weiter ging ich den Weg der Fertigstellung meiner neuen Heimat. Der Umzug rückte heran. Meine alten Nachbarn waren traurig, mich verlassen zu müssen.

      Im Baumarkt war es heute voll. Ich ließ Prinz im Wagen und machte mich daran, Objekte und Armaturen für das Gästebad zusammenzustellen. An der Kasse war Gedränge; überforderte Kassiererinnen motzten die Kunden an.

       Meine Kassendame war eine füllige, etwa Dreißigjährige mit schlecht gefärbtem Haar. Mein Gott, dachte ich, sieht das Scheiße aus!

       Ich stellte mir vor, sie fordere mich zum Tanzen auf, du aber bitte nicht …

       Lass das!

      Sie stellte sich wirklich blöd an: Die Ware lag auf meinem Wagen und sie tanzte mit dem Lesegerät um den Wagen herum, um die Preisschilder zu finden. Ich hielt mich schön heraus. Sie schnaubte und prustete. Toll, wie sie das machte, das WC-Becken zu drehen, um den Preis zu finden: Ihre fleischigen Wurstfinger befühlten das Etikett. Ich sah es, na und? Die Schlange wurde länger und länger: ich war in einer guten Position, sie nicht. Endlich, geschafft! Die Dame wollte von mir 685,25 DM. Ich forderte eine Rechnung. Schweißperlen an ihren Nasenflügeln, ihr flauschiger Oberlippenbart sog sie genüsslich auf. Ich sah in ihre Augen, sie waren nicht freundlich.

       Sie findet dich scheiße, Markus. Du hättest ihr doch helfen können! Warum? Ich bin Kunde, nicht sie! Na, wieder dieser Machtausdruck „ich habe die Knete.“

      Am Wagen zog ich die Schiebetür auf. Pass auf! Zu spät: Die Tür fiel mir auf die Füße. Seit Wochen schon war die Aufhängung kaputt gewesen. Bleibt so, dachte ich, dafür habe ich jetzt kein Geld. Mein Freund Prinz lachte mich an mit weitem Maul und hängender Zunge: Super, dass es endlich weiterging!

      Die Straßen im Grau des Nachmittags, fuhr ich mit meinem treuen Bully los, mein Kleiner lag auf der Rückbank.

      In der Müllerstrasse gab es einen Knall, der Auspuff flog vom Wagen. Mein Blick sah ihn noch gerade im rechten Außenspiegel verschwinden. Ich trat auf die Bremse, hielt, stieg aus und suchte die Straße ab. Schleifspuren von frischem Rost zeigten mir den Weg, führten mich zu einem U-Bahn-Eingang. Da lag das verbeulte Stück! Beim Zupacken spürte ich die Hitze der Arbeit, die es vor kurzem noch verrichtet hatte …

      Los jetzt, weiter!

      Ich packte den Auspuff in den Wagen und gab Vollgas. Laut knatternd überholte ich nach Atem ringende Bürger. Bully war in seinem Element: Mal richtig die Sau rauslassen!

      Die Wandlitzer Allee lag im Dunkeln. Ich machte das Tor auf, der Wagen rollte auf seinen gewohnten Platz. Endlich Stille. Es roch nach Öl, Nebelschwaden stiegen aus der Bodenabdeckung, klar, ohne Auspuff kein Wunder – mein VW-Bus war eben in die Jahre gekommen!

      Der Wagen war schnell leergeräumt. Wir hatten Hunger, machten uns etwas warm: Linsensuppe mit Würstchen, Hundefutter mit Hähnchen.

      Los, an die Arbeit, Markus! Hör zu: Ich will mich nicht treiben lassen von dir! Ich bin der einzige, auf den du dich verlassen kannst.

      Die Tage vergingen schnell, manchmal zu schnell. Aber ich hatte eben einen guten inneren Schweinehund – und Prinz.

      Dann war alles fertig. Erdgeschoss, Obergeschoss, Garten und Keller erstrahlten in neuem Glanz. Ich war glücklich und lud meine alten Nachbarn ein, um ihnen mein neues Heim zu zeigen. Es war toll, sie herumzuführen, ihnen dies und jenes zu erklären. Erika schmunzelte durch ihre dicken Augengläser. Beim Abschied flüsterte sie mir ins Ohr: „Markus, du hast noch was vergessen!“

      „Ich weiß.“

      In der ersten Dezemberwoche sollte der Umzug sein. Aber ich wollte nicht Abschied nehmen, nicht fertig werden; Bindungen, dick wie Stricke, die sich beim Zerschneiden lianengleich wieder erneuerten, hielten mich fest. Ich fühlte eine tiefe Dankbarkeit, unter dem Dach des Lebens Freunde zu haben, die mich so liebten, wie ich war – manchmal auch unmöglich. Eben gleich wie ich nun mal bin!

      Dennoch drängte die innere Uhr: Mein Mietvertrag lief aus, ich musste raus. Beim Einzug in mein neues Heim versuchte ich, so schnell wie möglich fertig zu werden. Vieles verschwand rasch in den Zimmern; das Haus war riesig gegenüber meiner alten Bleibe. Prinz suchte sich den besten Platz: Er schlug sein Lager in der Diele zum Nebeneingang auf.

      In der ersten Nacht leuchtete der Mond wolkenverhangen. Sterne glitzerten im Schleier der Vergänglichkeit … Schlaf, Markus! Ich war schon auf meiner Trauminsel angekommen, er noch nicht.

      Träume suchten mich heim. Ich durchlebte noch einmal die letzten Monate und Wochen, rege Begegnung der Seelen der Vergangenheit. Mein Leben hatte neuen Sinn bekommen. Ich war ein anderer.

      *

      Ein paar Tage später schaute Erika vorbei. Sie hatte Briefe unter dem Arm. Auf den ersten Blick Rechnungen und anderes dummes Zeug.

      „Ich glaube, Markus, es gibt Ärger!“

      „Warum das denn?“

      „Lies, dann verstehst du!“

      Atemstillstand.

      „Setz dich Markus, schau dir an, was ich meine!“

      Scheibenkleister, darauf hätte ich auch kommen können: 14.500 Mark Grunderwerbsteuer – Grundbucheintragung! Ich hatte gepennt! Ich wollte alles zu schnell.

      „Ich hab dir von Anfang an gesagt …“

      „Langsam, Markus.“

      Erika wusste genau, ich hatte verstanden – Bremsspuren. Unsere Kasse zeigte noch genau 6.500 Mark – mehr hatten wir nicht!

      „Markus, du bist ab Januar arbeitslos, deine Bezüge brechen weg!“

      Ich wurde rot. Verdammt, lebte ich in einer Traumwelt? Wahrscheinlich, Markus. He, ich möchte nicht immer von dir bevormundet werden!

      Frieden hatte ich nun nicht mehr. Es begann ein Ritt auf einem Mustang, ungebrochen und wild. Meine Nächte, bislang ruhig und friedlich, kehrten sich um ins Gegenteil. Angst hatte ich, oh Mann, die als Banker verkleideten Plagegeier zogen ihre Bahnen um mich! Pläne mussten her, aber welche? Geld, dieser Moloch, verlangte nach mir und meiner Seele: Komm! Befriedige meine Forderungen, ich habe lange Arme, mir entkommt keiner! Banken mit ihren Geldeintreibern kreisten durch mein Gehirn. Sie marterten mich; meine Gefühle wurden stumpf, verfielen in Winterschlaf, Worte anderer verhallten im Raum der Zeit. Markus, vorwärts jetzt, es muss weitergehen! Ich wollte nicht. War zerrissen. Erika war meine letzte Instanz. In einer langen und kontroversen Runde öffnete sie mir einen Ausweg. Ich musste mir Arbeit suchen – aber wo?

      Die Zeitachse begann sich neu zu justieren. Tagelang suchte ich in der Vergangenheit nach einer Lösung. Dieter, der aus der dunklen, vergangenen Jugend, Discofieber-Dieter, der verrückte Dieter, fiel mir ein. Ich


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