Shakespeares Sternenritt. Uta Rabenstein

Shakespeares Sternenritt - Uta Rabenstein


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      Sie lächelte melancholisch. Edwina fand es aufs Neue erstaunlich, dass Menschen so viel Zeit für die Partnersuche aufwendeten. Lebten sie allein, waren sie unglücklich. Nach dem Finden eines als passend angesehenen Partners folgte eine kurze Phase des Glücks, um anschließend wieder in ein unglückliches Stadium überzugehen, das aber im Unter­schied zu vorher diesmal durch den leider doch nicht so gut passenden Partner bedingt war. Anschließend folgte im Normalfall die Trennung, wonach sich der gesamte Vorgang wiederholte. Ein Glück, dass sie ihre Zeit nicht mit einer solch nutzlosen Beschäftigung verschwenden musste!

      »Dabei ist Kira so unglücklich, weil sie auf ihre große Liebe wartet, die einfach nicht erscheinen will!«, redete Esmeralda weiter. »Und sie ist fest davon überzeugt, dass ihre romantische Ader ein Erbe ihres Vaters ist! Von mir kann sie es nicht haben. Allein in den letzten vier Jahren verliebte ich mich fünf Mal unsterblich in irgendwelche sentauxguloj – für ein paar Wochen. Aber sie taugten wirklich alle nichts.«

      »Meinst du nicht, dass du ihr diese Illusion nicht zerstören solltest? Nach allem, was ich über eure menschliche Psyche gelernt habe, könnte es deiner Tochter doch genauso gut schaden, die Wahrheit zu erfahren!«

      Esmeralda schwieg einen Moment lang. Sie strich sich mit der Hand über die Wange, während sie angestrengt überlegte. Die gentechnisch hergestellten gefühlssensitiven Äpfel, die in einer filigranen Schüssel mitten auf dem Küchentisch standen, missverstanden die Geste und einer von ihnen schnellte hoch und sprang in elegantem Bogen in Esmeraldas Gesicht. Geistesgegenwärtig öffnete sie den Mund und der Apfel landete genau zwischen ihren Zähnen. Sie ergriff den vitaminangereicherten Solarstar, nahm einen herzhaften Bissen und kaute gedankenverloren, während sich die kräftiggrüne Apfelschale vor Freude darüber zart­blau verfärbte.

      »Kira hat sich einen idealen Vater gebastelt, dessen Ebenbild sie in sämtlichen Galaxien sucht. Wenn sie endlich die Wahrheit erfährt, wird sie nicht mehr jeden Mann an ihrem vermeintlich idealen Vater messen.«

      »Ich wusste, warum ich nur in einer Wohngemeinschaft mit weiblichen Spezies leben möchte«, ertönte es laut hinter ihnen. Beide fuhren herum und erblickten eine glucksende Morula, in deren durchsichtigem Inneren Nahrungsbläschen hin- und herflitzten, feine Lichtblitze durch Nervenäste sausten und sich räderähnliche Organellen auf verschlungenen Pfaden zu ihren Bestimmungsorten drehten.

      »Lasst mich rasch noch die Küche wischen, dann ko­chen wir uns gemeinsam etwas Schönes. Das ist das beste Mittel gegen trübe Gedanken!«

      Edwina und Esmeralda tauschten einen bedeutungsvol­len Blick aus. Hastig fügte Morula hinzu:

      »Keine Sorge, den Abwasch erledige ich diesmal allein. Ich hole schon einmal unser neues Kochbuch, die ›Sammlung garantiert nicht toxischer Gerichte für hundert Spezi­es‹.«

      Edwina schwebte hinauf zur obersten Etage ihrer Kochtopfsammlung, die bereits ihre Urgroßmutter angelegt hatte und die sie ab und an um ein paar begehrte Sammlerstücke ergänzte. Irgendwann würde sie die Kostbarkeiten an ihre Tochter weiterreichen, wie es auf ihrem Heimatplaneten Brauch war.

      »Und danach schicken wir eine Nachricht an die Midsummernight'sdream. Ich habe ihren Empfangscode in meinem Adresschip gespeichert. Wir werden in Kürze ein Treffen mit deiner Tochter arrangieren! Ähm, welche Pfanne nehmen wir – die mit supraleitendem Boden oder die mit geschmacksverstärkender Antihaftbeschichtung?«

      Ein durchdringendes Pfeifen unterbrach Edwinas Suche. Rasch sank sie zu Boden und floss zu der in den Mikrowel­lenherd integrierten Empfangsstation. Die beiden anderen hörten nicht, welche Nachricht Edwina erhielt, da die Frequenz jenseits ihres Hörvermögens lag – Morula benötigte ohnehin einen zusätzlichen Frequenzumwandler zur Verständigung, da sie keine Ohren besaß –, aber an den Re­aktionen ihrer Mitbewohnerin erkannten sie, dass die Lage ernst war. Die Erklärung folgte wenige Augenblicke später.

      »Sie haben beim Intergalaktischen Rat bemerkt, dass ich mich aus dem Staub gemacht und nur mein Holodouble zurückgelassen habe. Das heißt, zum Glück hat es erst mein persönlicher Freund Jota spitzbekommen. Ich muss sofort abreisen, ehe mein kleiner Betrug auffliegt, sonst werfen sie mich aus dem Rat und dann versinken sämtliche Nachbar­galaxien im Chaos. Eine reine Männerwirtschaft im Präsidi­alrat wäre ähnlich katastrophal wie damals auf der Erde bei euch, Esmeralda, als euer Planet dank der Kriegstreiberei einiger Präsidenten um ein Haar in Schutt und Asche versunken wäre. Also seid nicht böse, wenn ich zur Rettung des Universums aufbreche, Schwestern!«

      »Ich komme mit nach Delta Centauri«, entschied Esme­ralda. »Ich will meine Tochter finden.«

      Statt des geplanten gemütlichen Beisammenseins folgten ein hastiges Packen und ein überstürzter Aufbruch. Morula blieb traurig zurück und schied ein paar Dutzend gelbgrün gestreifte Gallertwürfel aus, mit denen sie anschließend so lange eifrig den Wohnzimmerfußboden bohnerte, bis sie selbst darauf ausrutschte.

      Kapitel 5

       Zwischenepisode

      Krieg

      Ein Krieg ist laut Definition ein Konflikt zwischen Staaten, Völkern sowie anderen politischen Gruppen, der durch orga­nisierten Einsatz von Waffen ausgetragen wird. Dabei kommt es meist zu Mord und Totschlag. Daher unser Tipp: Lösen Sie nie einen Krieg aus. Sollte es doch geschehen, sorgen Sie für begeisterte Pressemitteilungen und machen Sie sich so schnell wie möglich aus dem Staub. Die Krieg führenden Parteien werden so glauben, ihr gegenseitiges Gemetzel hätte einen tieferen Sinn. Später können Sie, um Ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, gegebenenfalls als Friedensbringer auftreten.

      Gemächlich schob sich die Raumschiffflotte unter dem Kommando Leonid Lodkas durch die Materiewolke. Mit einer beiläufigen Geste schob sich der hochgewachsene Mann die blonden Locken hinter die wohlgeformten Ohren. Er lächelte bei dem Gedanken, dass seine glänzende Haarpracht nicht nur bei Männern, sondern auch bei vielen Frauen Neid erweckte. Als er zur Steuerkonsole des Kreuzers schlenderte, verharrte er kurz wie gewohnt an der verspiegelten Wand neben der zentralen Raketensteuerung, um sich flüchtig, aber dennoch gezielt von Kopf bis Fuß zu mustern. Sein Blick glitt über die gerade Nase (der letzte Schönheitschirurg hatte wirklich saubere Arbeit geleistet), die fein geschwungenen Lippen (sie hatten nur anfänglich zu aufgeblasen gewirkt) und das männlich-markante Kinn (der Verlust eines winzigen Stückes Rippe hatte ihn nicht sonderlich geschmerzt) hinab zu seinem muskulösen Körper. Der Wachstumshormoncocktail war überaus fein dosiert, denn er wollte keinen Anblick bieten, der einem Fleischfresser die Verdauungssäfte schier überlaufen ließ. Einen athletischen Körper wollte er besitzen, aber keine Muskelmaschine!

      Er zupfte einen Fussel vom gestickten Monogramm »LL« seines nachtblauen, maßgeschneiderten Raumfahreroveralls. Die übliche, plump geschnittene aschgraue Kleidung der Mo'harkrieger lehnte er ab. Als ihr Kommandant konnte er sich diesen Sonderwunsch erlauben. Ein winziger Fleck auf dem Spiegel fiel ihm ins Auge und er hauchte darauf, um den Makel weg zu polieren. Als er seinen kondensierten Atem sah, fiel ihm ein, dass er seinen morgendlichen Kaugummi vergessen hatte. Niemand wusste um seine panische Angst vor Mundgeruch, die ihn regelmäßig würgte, sobald er die letzte Packung seines Vorrates angebrochen hatte und auf Lichtjahre weit und breit kein ALDIU-Dis­counter in der Nähe war. Die rotblau gestreiften Dragees mit dem Geschmack nach Nanaminze mussten es sein, keine anderen kamen in Frage.

      Rasch steckte er sich einen »Frische-Atem-Spender« zwischen die reinweißen Zähne und wischte den Fleck auf dem Spiegel mit seinem Talisman, einem mit goldenen Teddybären bedruckten hellblauen Kindertaschentuch, fort. Dieses Taschentuch war für den letzten Anführer der Mo'har, seinen Vorgänger, Das Zeichen gewesen. Seit jeher war es Sitte gewesen, dass der oberste Mo'har einen Adoptivsohn erwählte und aufzog, der in seine Fußstapfen treten würde. Bei der Invasion dieser kriegerischen Spezies auf der Erde war er als Dreijähriger verschont geblieben, weil er gerade an seinem Taschentuch gelutscht hatte, von dem er fest geglaubt hatte, dass es ihn vor allem Unheil, insbesondere vor bösen Monstern, beschützen konnte. Und das hatte sich bewahrheitet!

      Eigentlich war ihm, Leonid Lodka, die Rettung des gesamten Planeten


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