Mutter werden – Mutter sein. Alisa Kersch

Mutter werden – Mutter sein - Alisa Kersch


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das Leben mit einem Kind weder ein „Honigschlecken“ noch eine permanente Belastungsprobe ist. Besonders wichtig erscheint mir, den in letzter Zeit überaus strapazierten Mythos von der „perfekten Mutter“, die Partnerschaft, Beruf und Familie quasi wie am Schnürchen miteinander vereint, in Frage zu stellen. Weiters möchte ich anhand von konkreten Beispielen aus meinem Lebensalltag aufzeigen, dass das Muttersein nicht nur voller kleiner Herausforderungen steckt – sei es von der richtigen Wahl des Kinderwagens, über die entscheidenden Stunden im Krankenhaus bis hin zur täglichen Routine, sprich essen, spielen und schlafen. Nein, es kommt auch darauf an, sich nicht in Rollenmuster einpressen oder von den medialen Idealbildern unter Druck setzen zu lassen. Ich möchte mit meinem Buch allen interessierten LeserInnen Mut machen, gemeinsam mit dem Kind einen eigenen Weg zu gehen. Eben weil es sich um ein persönliches Buch, das quasi aus dem Leben geschrieben ist, handelt, richte ich das Augenmerk in meiner Erzählung auf Alltägliches: Die Hürden, die einem schon bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in den Weg gestellt werden; die Herausforderung, einen Kinderarzt an einem Wochenende ausfindig zu machen; dass Urlaub mit Kindern nicht primär mit Erholung gleichzusetzen ist; oder dass die bissigsten Bemerkungen, mit denen sich eine Mutter konfrontiert sieht, meistens von denen kommen, die in Sachen Kids und Co. total ahnungslos sind. Ich denke, so werden sich Mütter und alle, die es werden wollen, am besten wiedererkennen. Was die inhaltliche Gliederung betrifft, so gehe ich dabei klassisch chronologisch vor: Vom Schwangerwerden über die wichtigsten Stationen bis hin zum Kleinkindalter.

      Bevor man ein Baby bekommt, ist man einfach „Ich“. Man wird als Person von der Umwelt wahrgenommen, einfach als Individuum. Freunde erkundigen sich nach dem Wohlbefinden und welche Neuigkeiten es im Leben gibt. Man weiß, wer man ist und welchen Platz man in der Gesellschaft hat.

      Ich habe mein Leben von Anfang an sehr strikt geplant und meine gesetzten Ziele in Angriff genommen. Schon in der Schule war mir klar, wie mein weiteres Leben aussehen soll und ich habe Schritt für Schritt meine Vorstellungen verwirklicht. Mit 18 Jahren habe ich die Matura mit Auszeichnung bestanden, danach den Führerschein absolviert und gleich anschließend mein Studium der Psychologie in Wien begonnen. Mein Lebensplan war: Schnell die Ausbildung zu beenden, einen passenden Job zu finden, ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu haben, damit man dann mit dem „perfekten“ Partner eine Familie gründen kann.

      Zehn Jahre später ist dieser Lebensplan nun verwirklicht. Mein Studium habe ich neben einem Vollzeitjob mit Auszeichnung abgeschlossen. Mein Arbeitsverhältnis ist sicher und mit meinem Einkommen komme ich gut über die Runden. Neben dem Studium habe ich sogar meinen „Traummann“ kennengelernt und nach unserer Hochzeit vor vier Jahren haben wir auch eine schöne Mietwohnung für uns gefunden – natürlich schon babygerecht.

      Alles war perfekt. Ich wusste, wer ich bin und was ich wollte. Ich war in meinem Job Spezialistin und wurde gebraucht. Von meinen Freunden wurde ich immer als Person geschätzt, die ein offenes Ohr hat und privat eine psychologische Hilfe darstellt.

      Doch dann hat die biologische Uhr zu ticken angefangen und nach sieben Jahren Partnerschaft wollte ich nicht mehr nur ich selbst sein. Ich habe mich „reif“ gefühlt für ein Leben zu dritt. Mir fehlte etwas in meinem Leben. Ebenso erging es meinem Mann. Und so haben wir einige Monate hin- und herüberlegt, wie wir das gemeinsame Projekt „Kind“ am besten in die Tat umsetzen.

      Schon zu diesem Zeitpunkt haben sich zwei Schwerpunkte in Sachen Kinderhaben herauskristallisiert, die ich sehr erschreckend und beunruhigend finde. Die erste Frage, die wir uns zu Beginn gestellt haben, war, ob man überhaupt ein Kind in diese Welt setzen möchte. In Zeiten von Wirtschaftskrise, Terrorismus und Atomkatastrophen überlegt man schon am Anfang der Babyplanung, ob man jemals dem Status „perfekter Eltern“ gerecht werden kann, wenn man seinen Kindern so eine Welt zumutet. Können wir unserem Nachwuchs jemals jenen Standard bieten, den wir gerne zur Verfügung stellen möchten? Werden wir in der Lage sein, seine/ihre materiellen Wünsche zu befriedigen und unseren eigenen Standard halten können, wenn wir zu dritt sind? Wie werden wir auf außernatürliche finanzielle Ausgaben reagieren?

      Wie man nun erahnt, beginnen die Zweifel, ob es „richtig“ ist, ein Baby zu bekommen, schon vor der Schwangerschaft, vorausgesetzt, diese ist gewünscht und geplant. Diese finanziellen und weltpolitischen Fragen haben sich nicht nur Thomas und ich gestellt, sondern ich habe dies bei vielen Freunden und Verwandten ebenfalls beobachtet. Kann uns der gesellschaftliche Druck von gewissen finanziellen Standards bereits so in die Knie zwingen, dass man sich ernsthaft überlegt, keine Kinder zu bekommen? Wir selbst standen vor der Entscheidung, entweder eine Eigentumswohnung zu kaufen oder ein Baby zu bekommen. Wir haben uns gegen das gewohnte „Luxusleben“, wo man sich ein oder zwei GGL-Taschen im Jahr leistet oder drei Kurzurlaube macht und gegen die Eigentumswohnung entschieden, weil es uns einfach wichtig ist, zu dritt zu sein. Ich kenne leider viele Paare, die sich lieber für ein unbeschwertes finanzielles Leben entschließen. Doch diese Entscheidung ist jedem selbst überlassen und manchmal würde auch ich mir gerne mein „Luxusleben“ zurückwünschen.

      Weltpolitisch gesehen haben wir uns auf die Ansicht gestützt, dass jeder von uns nur einen kleinen Teil in der ganzen Geschichte darstellt und wir die Welt wohl kaum alleine ändern können. Eine sprichwörtlich „sichere“ Welt wird es wohl nie geben, in der man seinen Sprössling aufwachsen sieht. Verbrechen, Gewalt oder Krieg gibt und gab es immer. Wir haben uns damit getröstet, dass man seinem Kind einfach eine angenehme und unbeschwerte Zukunft verschafft und das „Drumherum“ ausblendet. Wichtig ist meiner Meinung nach, sein Kind nach gewissen moralischen Ansprüchen zu erziehen. Jeder hat seine eigenen Vorstellungen wie sich ein Mensch verhalten sollte oder wie der soziale Umgang mit Gleichaltrigen oder Erwachsenen aussieht. Solche Erziehungsfragen liegen als Eltern in unserer Hand. Wir können gegen Umweltverschmutzung demonstrieren und uns um unsere Finanzen Sorgen machen, aber sind diese Faktoren wirklich dafür ausschlaggebend, ob man ein Kind in die Welt setzt oder nicht?

      Der andere Schwerpunkt am Beginn der Babyplanung liegt in der Frage der Kinderversorgung. Wer geht wie lange in Karenz? Oder welcher Kinderbetreuungsgeld-Typ ist man? Eine Thematik, welche für die Zukunft der Familie sehr entscheidend ist. Wir waren in diesem Zusammenhang auch mit der Frage des „richtigen Zeitpunktes“ konfrontiert, da Thomas in seinem Arbeitsbereich öfters mit Urlaubssperren zu rechnen hat. Von uns musste daher vorab überlegt werden, wann Thomas die Väterkarenz antreten konnte. Hier galt es, dem Arbeitgeber und den KollegInnen gegenüber eine „perfekte“ Planung zu vermitteln. Bei mir im Beruf war es auch nicht viel anders. Man möchte ja nach der Karenz die Möglichkeit eines Wiedereinstieges haben. Gesetzlich ist der Arbeitgeber dazu sogar verpflichtet, aber hier klaffen Realität und gesetzliche Vorgabe leider sehr stark auseinander. Ich glaube, jeder kennt aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis Fälle, wo Mütter keine Chance mehr vom Arbeitgeber erhalten haben, nach der Karenz wiedereinzusteigen. Man ist einfach nicht mehr so flexibel und außerdem teurer als beispielsweise junge PraktikantInnen, die billig zur Verfügung stehen. Ebenso ist Väterkarenz oft verpönt bei Arbeitgebern. Viele Väter würden gerne ihren Beitrag bei der Kinderversorgung leisten – müssen aber auf diese kostbaren Wochen verzichten, da ihnen mögliche Karrierechancen verbaut werden oder schlimmer noch, mit Arbeitsplatzverlust gedroht wird.

      Da hilft es auch nicht, dass die ganzen tollen Kinderbetreuungsgeldmodelle mit der Möglichkeit von Väterkarenz aufwarten. Es ist zwar sehr nett, offiziell den Anschein zu geben, Väterkarenz zu fördern und zu befürworten, aber eigentlich kann nur ein sehr geringer Anteil an berufstätigen Männern wirklich diese Karenz in Anspruch nehmen. Familien verlieren dadurch leider Kinderbetreuungsgeld, das gesetzlich nur den Vätern bei Antritt der Karenz zugesprochen werden kann. Sollte es in einem sozialen Land nicht egal sein, welcher Elternteil auf das Kind aufpasst und wie lange?

      Nachdem der Entschluss gefasst und der richtige Zeitpunkt ausgetüftelt war, kam endlich der aufregende Teil der Babyplanung. Ganz stolz und ein bisschen wehmütig habe ich meine letzte Pille geschluckt. Am Küchentisch verkündete ich Thomas ganz freudig: „Es ist vollbracht, jetzt kann es dann endlich losgehen!“ In seinem Gesicht konnte ich ein wenig Anspannung


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