Akte »M-S-K«. Jens Rübner

Akte »M-S-K« - Jens Rübner


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alias Peter-Michael Gläser, der damals ebenfalls in der Klaus Renft Combo spielte, viel Geld und Ruhm einbrachte. Obwohl „Cäsar“ Michas künstlerischen Anteil mit keiner Silbe jemals erwähnte, war dieser trotzdem 2008 auf dem Leipziger-Südfriedhof zu dessen Begräbnis und habe ihm verziehen. „So ist es halt in der Kunst, wenn der eine gibt und der andere nimmt.“

      Seine kurze Zeit mit der Renft-Combo bezeichnete Micha teilweise als sehr chaotisch. „Renft war eine, was Ordnung und Sauberkeit anbetraf, sehr unkonventionelle Band – und das ist noch sehr vorsichtig ausgedrückt.“ Aufgrund der textlichen Aussagen und des Bühnenverhaltens der Musiker wurde Renft im Frühjahr 1976 wieder einmal verboten. Jentzsch, Kuhnert und der Texter Gerulf Pannach gingen nach Westberlin. Schoppe folgte später. „Cäsar“ und Hohl gingen zur Gruppe „Karussell“, aber das nur nebenbei. Bereits ein Jahr später, 1972, wechselte Heubach zur „Bürkholz-Formation“, wo er bis zu deren Verbot 1973 blieb. Danach stieg er bei der „Horst-Krüger-Band“ ein und komponierte den Rockklassiker „Die Tagesreise“. Es war die Zeit der Siebziger – Ulbricht ging, Honecker kam. Ende Mai 1971 fand das erste Mal ein Dixieland-Festival statt, das fortan jährlich von Mal zu Mal mehr Besucher in die Elbmetropole Dresden lockte. Im Jahr 1974 kam ein Stück Westen in den Osten, seit dem 1. Februar durfte man offiziell Devisen besitzen und im „Intershop“ einkaufen.

      Micha gründete im beschrieben Jahr die Gruppe „Automobil“, seine erste eigene Band. Man engagierte als Sängerin, die junge flotte Nina Hagen, die in der DDR ursprünglich Schauspielerin werden wollte. Da sie allerdings 1971 durch die Aufnahmeprüfung fiel, nahm ihr Lebensweg eine ganz andere Richtung. Die quirlige, lebensfrohe Nina hatte nicht nur eine berühmte Mutter (Eva-Maria, die Schauspielerin) und einen berühmten Vater (Regisseur Hans-Oliver Hagen) sowie einen Ziehvater namens Wolf Biermann – das Licht ihrer Herkunft ging Micha erst später auf. Nein, sie war auch eine heiße Flamme, hatte nicht nur große Augen und lange Beine. Sie konnte auch singen, texten, Pläne schmieden und vieles mehr.

      Mit dem „Farbfilm“ landete Micha den nächsten großen Hit. Sie erinnern sich, im Refrain lautet eine Textzeile – Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael. Da Nina und Micha zu dieser Zeit tatsächlich ein Verhältnis hatten, darf man annehmen, dass Kurt Demmler, der deutsche Liedermacher und Texter, ihn als Vorbild für den „Michael“ nahm. Der Rest, was den Text betrifft, entstammt komplett dem Reich der Fantasie.

      Vielleicht ist der Menge auf Anhieb nicht so bekannt, dass der Umgang mit Nina auf Dauer ganz schön anstrengend sein konnte. „Hatte sie montags eine Idee, die sie solange verteidigte, bis auch die anderen Gruppenmitglieder daran glaubten, wollte sie schon am Dienstag nichts mehr davon wissen, denn der nächste Einfall wartete bereits. Da gehörte schon viel psychologisches Einfühlungsvermögen dazu, um das auf die Dauer auszuhalten“. (Zitat: Michael Heubach – deutsche-mugge.de) Die Geschichte zeigt ja, dass die Zusammenarbeit mit ihr nicht von allzu langer Dauer war. 1975 verließ sie „Automobil“ und wechselte zu „Fritzens Dampferband“. Eine öffentliche Solidaritätsbekundung für den unbequemen Sänger, ihren Ziehvater, Wolf Biermann, der 1976 aus der DDR ausgebürgert wurde, brachte Hagen ins Abseits, so dass sie am 28. Dezember des gleichen Jahres die Chance nutzte, in den Westen zu emigrieren. Zugegeben, die extrovertierte Musikerin ist nicht jedermanns Sache, doch Catharina Hagen, die jeder nur als Nina kennt, schaffte es neue Musiktrends zu setzen.

      Eine sehr gelungene Ehrerbietung auf eine außerordentliche Persönlichkeit, der sich der Urheber so oder so immer noch verbunden fühlt, schrieb in einer Tageszeitung anlässlich ihres 60. Geburtstages (* 11. März 1955 in Ost-Berlin): „Liebe Nina, weißt du noch, als du mit 19 Jahren Schlager trällernd vor einer Bigband standst, als dich so ein Langhaariger ansprach und fragte, ob du nicht in seine Rockband einsteigen wolltest? Ich wusste damals, dass du neben einer Rockstimme auch einen Hang zum Komödiantischen hattest. Die Erfahrung mit ersten eigenen Texten kam dir später zugute. Schon deine Handschrift und deine Zeichnungen hatten einen unverwechselbaren Stil. Ich hatte den Einfall zu dem Song „Du hast den Farbfilm vergessen“, die Parodie auf den deutschen Schlager. Er galt für uns als Außenseiter, wollten wir doch als Rockband berühmt werden. Du wurdest durch ihn zum Popstar und der „Farbfilm“ ein Gassenhauer, der noch heute zum Kulturgut der DDR gehört. Du hattest viele Ideen, die sich aus materiellen und politischen Gegebenheiten nicht verwirklichen ließen. Nach der Ausbürgerung deines Ziehvaters Wolf Biermann folgtest du ihm nach, landetest in Westberlin und machtest mit einer exzellenten Band Punkmusik auf höchstem Niveau. Dabei schöpftest du alle stimmlichen Möglichkeiten aus. So wurdest du für viele Sängerinnen zum Vorbild. Europäische und amerikanische Bühnen waren dir nicht fremd und du teiltest sie mit prominenten Musikern. Du wurdest zu der ausgefallenen Persönlichkeit, die du noch heute bist. Mit zunehmender persönlicher Reife suchtest du nach deinem Ich. Dabei führten dich deine Wege durch verschiedene Länder, Philosophien und Religionen, die auch vor UFOs nicht Halt machten. Am Ende fandst du dich dort wieder, wo du glaubtest begonnen zu haben – beim Christentum. Mögen die kommenden Jahre deine kreativen Fähigkeiten, deine Fantasie und vor allem die Künstlerin in dir erhalten bleiben“.

      Michas Wandern und die Suche nach dem ICH, ging weiter. Im Oktober 1975 wechselte er zur Dresdner Band „Lift“. Bei „Lift“ landete er gleich mehrere Erfolgstitel. Des Weiteren arrangierte er die „Tagesreise“ neu. Drei Jahre später, 1978 zog er von Leipzig nach Berlin. Dies war das Jahr, als der Sachse, unser Sigmund Jähn, als erster Deutscher mit dem Russen Bykowski ins All flogen. Doch bedauernswerter Weise geschah am 15. November 1978 bei Kalisz in Polen auch etwas sehr Trauriges, Unfassbares, das nicht nur in der Historie der Bandgeschichte „Lift“ für viel Leid und Kummer sorgte.

      Plötzlich und völlig unerwartet klopfte das Schicksal an die eigene Tür, wird Micha von der Realität eingeholt: Während einer Tournee durch die Volksrepublik Polen kam es zu einem Autounfall, bei dem Michaels Kollegen Gerhard Zachar und Henry Pacholski tödlich verunglückten und er selbst, der am Lenkrad des Wagens saß, schwer verletzt wurde. Nach einem Jahr Genesungspause mit viel Reha und Physiotherapie kehrte Micha ins viel beschriebene zweite Leben zurück. Es war im 30. Jubiläumsjahr der DDR. Viele Künstler hatten mittlerweile das Land verlassen oder erhielten wegen zu kritischer Äußerungen Auftritts-Berufsverbot. Einige Ostkünstler und ihre Lieder schafften es aber auch nach Drüben, zu Konzerten oder gar auf Westplatten (Puhdys, City oder beispielsweise Karat). Andere Künstler wiederum schafften es nicht einmal auf eine Single, geschweige denn auf eine Langspielplatte.

      Micha spielte und komponierte nach seiner Genesung und in der Folgezeit noch für Veronika Fischer und Ute Freudenberg. Bevor er 1984 nochmals für ein Jahr zu „Lift“, jener Band, mit der er am ehesten seine eigenen musikalischen Vorstellungen verwirklichen konnte, zurückkehrte.

      Das Lied „Am Abend mancher Tage“ der Gruppe „Lift“ in dem die tragischen Ereignisse von 1978 musikalisch verarbeitet wurden, stammt aus der Feder des damals 34-jährigen Rocktexters, Joachim Krause, die Musik dazu komponierte Wolfgang Scheffler. Der Titel hat in der DDR Musikgeschichte geschrieben und ist zugleich auch ein Beispiel dafür, wie man durch Musik Trauer verarbeiten und sogar neue Kraft daraus schöpfen kann.

      Im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat deuteten sich nicht nur musikalisch Veränderungen an. Mitte der 1980er Jahre sendete der „Buschfunk“, dass ein Filmkollektiv an einer Dokumentation, einem Rockreport aus der DDR über die Musikszene im Underground recherchiert und arbeitet. Als der Film Flüstern und Schreien dann in die Kinos kam und gar auf den Filmfestspielen in Westberlin lief, da merkte man schon, dass hier was passiert beziehungsweise demnächst passieren wird. Kurze Zeit später gab die Berliner Bluesrockband „Engerling“ einen realen Einblick in die Szene jener Zeit. Mit dem Lied LEGOLAND vermittelte sie wie kaum eine andere die Atmosphäre während der (Wieder-) Vereinigung; es interessierte die Welt leider nur nicht, weil es wohl auf Deutsch interpretiert wurde.

      Ob von der DDR-Rockmusik etwas bleiben wird, das eventuell kreative, junge Bands musikalisch beeinflussen könnte? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, da es auch eine Generationsfrage, ein Generationsproblem ist. Doch was ich definitiv sagen kann, dass es auch in der DDR Musik Musiker und Bands gab, die versucht haben, das Lebensgefühl musikalisch widerzuspiegeln, und damit meine ich nicht nur die Unzufriedenheit mit dem System. Denke ich an die lyrischen Texte, die durch Alltagspoesie ersetzt wurden,


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